Predigt vom 14. Mai 2000 (4. Ostersonntag)

St. Severin Garching

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Prediger

Pfarrer Bodo Windolf
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Thema

In keinem anderen (als in Jesus) ist das Heil zu finden ...
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Predigt-Text

"In keinem anderen (als in Jesus) ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen" (Apg 4, 12)

 

Ist solch eine Aussage heute eigentlich noch aufrechtzuerhalten? Muß man nicht sagen: Früher, zur Zeit der Apostel, hat man so etwas vielleicht noch sagen können; aber heute, da wir tagtäglich die Vielfalt der Religionen und der verschiedenen Überzeugungen und Heils-wege hautnah erleben, und wo wir erst kürzlich wieder im Balkan oder tagtäglich in den Nachrichten erfahren, wie Menschen gerade auch im Namen verschiedener religiöser Überzeugungen zu den furchtbarsten Grausamkeiten fähig sind - sind angesichts solcher Tatsachen die zitierten Sätze aus der Apostelgeschichte nicht absolut unerträglich geworden?

 

Hat nicht gerade das Christentum im Namen von Behauptungen wie: "Wir allein kennen die Wahrheit und wir allein wissen um den Weg zum Heil", zu Intoleranz, zu Gewalt und Unterdrückung, ja zu unzähligen Religionskriegen geführt?

 

Müssen nicht gerade auch wir Christen, damit Toleranz und Friede unter den Religionen und damit unter den Menschen möglich werden, endlich alle universalen Wahrheitsansprüche aufgeben, so daß wir höchstens noch sagen können: Wahrheit gibt es, wenn überhaupt, nur für mich. Für mich mag der Glaube an Jesus Christus wahr und der Weg zum Heil sein. Für dich braucht das noch lange nicht zu gelten. Für dich kann mit genau dem gleichen Recht der Glaube an Buddha, für einen anderen der Glaube an Vishnu, für wieder andere Mohammed oder Yoga oder Zen der Glaubens- und Heilsweg sein. Auch wir Christen müssen endlich anfangen, uns bescheidener zu geben. Und daher sind alle Religionen einschließlich des Christentums nur wie Hinweisschilder zu Gott, aber Ihn selbst zeigen sie nicht. Er, Gott, bleibt absolut im Dunkel. Er ist das unnennbare Geheimnis, die für uns hier unerreichbare und nicht zu entschlüsselnde Chiffre hinter allen Religionen. Alle erhaschen vielleicht einen gewissen Aspekt von Ihm, aber nie wirklich Ihn selbst. Es ist wie in dem bekannten Gleichnis vom Elefanten, den Blinde betasten. Einer hält die Ohren, einer die Stoßzähne, einer den Rüssel, einer die Beine für Gott, und doch ist es nur eine einzige Perspektive, ein winziger Ausschnitt, der fälschlicherweise für das Ganze genommen wird.

 

In jüngster Zeit hat diese Ansicht zu einer eigenen theologischen Richtung, zur sog. "Pluralistischen Religionstheologie" geführt. Die These lautet in etwa: Die Religionen sind nur wie verschiedenfarbige Brillen, Filter, Linsen, mit denen wir der letzten Wirklichkeit entgegenblinzeln. Sie sagen daher mehr über die “Brille” als über Gott aus. Denn wer ihn gewissermaßen durch eine rosafarbene anschaut, sieht ihn rosa, wer durch eine grüne, sieht ihn grün, usf. Er selbst, Gott, aber bleibt unerkannt; er bleibt ein sich selbst letztlich verschweigendes Geheimnis. Und daher müssen wir uns angewöhnen, so wie von einem Pluralismus der Meinungen auch von einem Pluralismus der Religionen zu sprechen. Denn gleichberechtigt nebeneinanderstehend, wenn sie nur das Kriterium selbstlosen Verweisens auf das Absolute erfüllen, weisen sie nur verschiedene Wege zu ihm hin.

 

Auf den ersten Blick nimmt sich diese These sehr fromm und bescheiden aus. Machen wir Gott nicht tatsächlich erst wirklich groß, wenn wir zugeben, daß wir eigentlich gar nichts definitiv Wahres über Ihn sagen können?

 

Und doch möchte ich behaupten: Nein, bei tieferem Nachdenken können wir schnell bemerken, daß das genaue Gegenteil der Fall ist: nicht groß, sondern ausgesprochen klein wird hier von Gott gedacht.

Wie das? Man spricht hier so groß von Gott, daß Seine Größe unversehens für Ihn zum Gefängnis wird. Er ist ohnmächtig, absolut ohnmächtig, aus diesem Gefängnis auszubrechen und Sich selbst den Menschen zu zeigen, mitzuteilen, Sich so zu offenbaren, daß etwas von wirklich Ihm selbst für erkennbar wird. Gott ist so sehr eingesperrt in Seine Größe, daß Er gar nicht bis zur Erde und bis zum Menschen durchzudringen vermag.

 

Was ist demgegenüber christliche Überzeugung von Gott? Christliche Überzeugung ist: Ja, Gott ist unbegreifliches Geheimnis, aber nicht Geheimnis, das sich verschweigt, unnennbar, namenlos bleibt und im Schweigen verharrt, sondern Geheimnis, das sich mitgeteilt hat. Christliche Überzeugung ist, daß Gottes Größe gerade darin besteht, sich für uns klein und sich uns damit verständlich machen zu können. Christliche Überzeugung ist: Gott hat Sein Schweigen nicht nur dadurch gebrochen, daß er, wie die Juden glauben, durch Menschen zu uns Menschen gesprochen hat, nämlich durch die Propheten des Alten Bundes; Er hat Sein Schweigen auch nicht nur dadurch gebrochen, daß Er, wie die Moslems glauben, uns ein Buch über Sich gesendet hat, übergeben durch die Mittlergestalt des Erzengels Gabriel, der Mohammed den Koran diktierte. Nein, Er hat Sein Schweigen gebrochen, indem Er selbst zu uns gekommen ist, indem Er Selbst in Jesus Christus auf die Seite von uns Menschen trat.

 

Wenn in Jesus Christus ein Mensch auftritt, der von sich nicht nur sagt: Ich lehre euch die Wahrheit, sondern: Ich bin die Wahrheit; nicht nur: Ich zeige euch den Weg, sondern: Ich bin dieser Weg; nicht nur: Ich führe euch zum Leben und zur Auferstehung und damit zum Heil, sondern: Ich bin das Leben und die Auferstehung und damit das Heil, - dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder spricht hier ein Irrer, ein Hochstapler, ein Übergeschnappter, der nach damaliger Rechtsprechung verdientermaßen verurteilt wurde; oder aber einer, der diesen Anspruch zu Recht erhebt. Dann allerdings muß Er auch mehr sein als nur ein Mensch, nämlich zugleich Gott selbst. Hier gibt es keine Zwischenlösung: Zwar kann man sagen: das ist alles Quatsch, glaub ich nicht, daß Gott so etwas tut. Aber man kann nicht sagen: Ich glaube zwar zufällig irgendwie an Jesus, aber er ist nur einer von vielen wie Buddha, Mohammed und andere, die die Menschen zu Gott führen. Wer so redet, hat die Pointe, die Quintessenz, der hat das Herz des Christentums gar nicht verstanden.

 

Heißt das nun, daß nur, wer ausdrücklich an Jesus glaubt, auch das Heil erlangen kann? Nein, gottlob haben wir solche Engführungen des christlichen Wahrheitsanspruches hinter uns gelassen. Was Petrus sagen will, kann nur heißen: Auch für Nicht-Christen gilt, daß sie nur durch Jesus Christus das Heil zu erlangen vermögen; wie Er sie auch durch ihre eigenen religiösen Traditionen hindurch und oft auch trotz ihrer erreicht, können wir getrost Ihm selbst überlassen. An uns liegt es, unser eigenes Heil und das der uns umgebenden Menschen nicht dadurch zu gefährden, daß wir uns verschuldeter Weise gegen Christus stellen oder schuldhaft oberflächlich an Ihm vorbeileben. Sein Wille ist unwiderruflich, alle Menschen zu retten, denn Er ist für alle gestorben. Aber Er tut es keinesfalls gegen, sondern nur mit unserer Einwilligung. Nur die freiwillige Anerkenntnis, und wäre es erst im Tod, im Vis-à-vis zu Christus: Du bist mein Herr, mein Retter und mein Erlöser, ebnet uns den Weg zum ewigen Heil. Nicht mehr, aber auch nicht weniger wollte Petrus mit seiner damaligen Predigt aussagen.

 

Pfarrer Bodo Windolf, Garching St. Severin

 

 

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