Predigt vom 24. Dez 2000 (Hl. Abend)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Gott trat tatsächlich ein in unsere Weltzeit
Predigttext

Christmette 2000

Ich weiß nicht, wie sie es empfunden haben. Aber ist es nicht eine seltsame Eröffnung der Christmette, wie wir sie vorhin gehört haben? Diese gewiß nicht sehr spannende Auflistung von Jahreszahlen. Zuerst recht ungefähr: Einige Milliarden Jahre nach Erschaffung der Welt und schließlich der Entstehung des Menschen; etwa 2000 Jahre nach der Berufung Abrahams; dann wird es etwas genauer: von der 194. Olympiade ist da die Rede; und nach diesem Bezug auf griechische Zeitrechnung darf auch die römische nicht fehlen: genau im Jahre 752 nach der Gründung Roms und im 42. Jahr der Regierung Kaiser Augustus' - genau zu diesem Zeitpunkt geschah es, dass Gott als Mensch in unsere Welt trat, um sie zu heiligen. Was soll dieses neckische Spiel mit solchen (Jahres-) Zahlen?

Was es soll, wird erst verständlich, wenn wir uns einen anderen Sachverhalt bewußt machen. Die Überzeugung, dass die andere , die jenseitige Welt , die Welt der Götter, dass aus ihr eine Gottheit eintritt in unsere Welt und geboren wird und schließlich stirbt, gibt es bei weitem nicht nur im Christentum. In vielen Variationen existiert diese Überzeugung in anderen Religionen, allerdings so, dass es immer wie abgeschaut ist am Kreislauf, am Stirb und Werde der Natur. So wie im Frühjahr die Saat, die Lebenskräfte der Natur erwachen und geboren werden und reifen und verwelken und schließlich sterben, um im nächsten Frühling das ganze neu zu beginnen, so wird auch z. B. Osiris in der ägyptischen Mythologie immer wieder neu geboren, um zu sterben und wieder zu kommen. Auch der Hinduismus kennt in den Avatars auf etwas andere Art die Herabkunft eines Gottes, nämlich Vishnus, in eine irdische Gestalt, unter anderem in die eines Ebers, einer Schildkröte, aber auch in die eines Menschen, nämlich Krishnas. Ganze zehn solcher Herabkünfte zählt er und diese Wiederholbarkeit zeigt: sie sind nichts Bleibendes, sondern nur eine vorübergehende Erscheinungsweise, ohne sich mit der jeweiligen irdischen Gestalt wirklich dauerhaft zu verbinden.

Es scheint also, dass das, was wir Christen heute feiern, dass nämlich Gott in die irdische Gestalt eines Menschen eingeht, dass der ewige Sohn des Vaters Mensch wird - es scheint, dass diese Überzeugung als eine zwar noch vage, aber wirksame Idee, als eine Ahnung in den Menschheitsreligionen fast seit Menschengedenken vorhanden ist.

Als Christen glauben wir, dass diese Vorahnung nicht nur ein Mythos, eine letztlich ungeschichtliche Idee geblieben ist, sondern dass es einmal wahr wurde, so wahr, so konkret, dass ein genaues Datum dieses ungeheuerlichen Geschehens angebbar ist; wir glauben, dass Gott einmal tatsächlich eintrat in unsere Weltzeit, dass Er Teil ihrer Geschichte wurde, und gerade dadurch unserer Zeit und Geschichte eine ganz neue Qualität gab. Und genau das ist der rund, warum sich die Liturgie des heutigen Tages nicht scheut, das gefeierte Ereignis mitten hineinzustellen in die weltlichen Ereignisse von Olympiaden und Regierungszeiten der Profangeschichte. 

Warum aber soll hierdurch unsere Zeit, die Weltzeit, die persönliche Zeit unseres eigenen Lebens eine ganz neue Qualität bekommen?

Wenn wir darauf schauen, wie die ausser- und vorchristliche Menschheit die Zeit durchgängig erlebt hat, so war dieses Erleben vor allem geprägt von einer großen Hoffnungslosigkeit. Die Vergänglichkeit, das ewige Kommen und Gehen, Werden und Vergehen, dieser Kreislauf, diese Tretmühle ohne letztes wirklich lohnende Ziel stand ganz im Vordergrund. Für den Griechen endet alles in der Trostlosigkeit eines Schattendaseins, im Hades, für den fernöstlichen Menschen ist Erlösung allein die Flucht aus diesem Kreislauf des Lebens und Wieder- und Wiedergeborenwerdens, die Flucht aus der Vergeblichkeit unserer zeitlichen und individuellen Existenz, indem ich mich als Ich auflöse und im Allgemeinen verschwinde.

Im Christentum nun bekommt die als vergänglich, vergeblich, also leer erlebte Zeit auf einmal eine ganz neue Bedeutung, einen ganz neuen Gehalt. Der ewige Gott, Gottes Sohn selbst ist eingebrochen in diese neue Zeit. Er, der Ewige, hat ein zeitliches Leben wie wir gelebt. In Ihm gewinnt unsere Zeit nun ein Ziel, ja in Ihm und durch Ihn kann sie ewigkeitshaltig werden. Was heißt das? Es ist aber nicht so, dass Er, Gott als einer der Großen und Mächtigen und Privilegierten herabgestiegen wäre in unsere Weltzeit. Das Erstaunlichste ist, dass das genaue Gegenteil der Fall war. In der unscheinbaren Alltäglichkeit eines unscheinbaren Kindes unscheinbarer Eltern in unscheinbarer Umgebung wird Er geboren. In eben dieser Unscheinbarkeit, ohne im geringsten Aufhebens von seiner Person zu machen, verbringt Er, Gottes ewiger Sohn, dreißig Jahre und damit etwa neun Zehntel seines Lebens, als hätte er nichts Wesentliches zu erledigen. So lebt er in einer Alltäglichkeit, die in jeder Hinsicht der Alltäglichkeit des Lebens der meisten Menschen, auch unseres eigenen Lebens, gleicht. 

Natürlich lebt er dabei ganz vom Vater her, eingetaucht in Ihn. Aber, wo Menschen beginnen, das eigene Leben, den eigenen oft so grauen, eintönigen Alltag mit Gott, mit Jesus Christus, mit Blick auf Ihn und von Ihm her zu leben, da bekommt unsere Zeit etwas von der Bedeutung und von der Fülle seiner Zeit. Er, der einzige, ist hineingebrochen in die Zeit der Menschheit. Zugleich will er das, was er damals getan hat, auch heute tun; er will einbrechen, Einang finden in meine persönliche Zeit, in mein persönliches alltägliches Leben. Er ist auf Herbergssuche, damals wie heute. 


Liebe Schwestern und Brüder!

Wo man einmal im Jahr Weihnachten feiert, mit all den Veräußerlichungen, die wir alljährlich erleben, da bleibt das Fest banal und ohne Bedeutung für unser Leben. Wo Er aber eintreten darf in unser Dasein, wo er Herberge findet in unseren Gedanken, in unserem Beten, im sonntäglichen Gottesdienstfeiern, in der Verrichtung und Bewältigung unserer alltäglichen Freuden und Nöte, da fängt man an, Weihnachten wirklich zu feiern; kein isoliertes Fest - Morgen vorbei; da hört auch unser Leben auf, manchmal so banal und so leer und so oberflächlich dahinzuplätschern, sondern da kann es erfülltes, von Gott, von Gottes Ewigkeit erfülltes Leben werden. 

"Die Zeit ist erfüllt, das Gottesreich ist nah", so werden nach Markus die ersten öffentlichen Worte Jesu sein. Dass wir erfüllte Zeit und damit erfülltes Leben leben und so unser ganzes Dasein weihnachtlich wird, weil Jesus, das ewige Kind des Vaters, darin Platz und Herberge gefunden hat, das wünsche ich Ihnen und Ihren Familien zum diesjährigen Weihnachtsfest.

Pfarrer Bodo Windolf

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