Predigt vom 16. April 2001 (Ostermontag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Ostern -  Fest der Sinnstiftung durch den Gescheitert-Auferstandenen
Predigttext

Ostern -  Fest der Sinnstiftung durch den Gescheitert-Auferstandenen

Zwei Menschen auf der Flucht. Auf der Flucht vor der Enttäuschung ihres Lebens. Auf der Flucht vor dem Ereignis, durch das ihr Lebensentwurf zerbrochen ist.

Sie waren Zeugen des nicht mehr überbietbaren Scheiterns jenes Rabbi und Propheten, auf den sie alles gesetzt, auf den sie ihre Hoffnung, ja ihr Lebenskonzept gestellt hatten. In seinem restlosen Scheitern am Kreuz sind nun auch sie restlos Gescheiterte. Und so gilt es nur noch, möglichst großen Abstand zwischen sich und ihren in Jerusalem begraben liegenden Hoffnungen herzustellen.

Das ist die Ausgangssituation des heutigen Evangeliums. Das ist die Situation vieler Menschen heute. Die Erfahrung des Scheiterns von Lebensentwürfen, von Lebensplanungen, die Erfahrung der Zerbrechlichkeit unserer Existenz durch Krankheit, Leid, Tod; auch das manchmal vielleicht recht unbestimmte Gefühl: etwas läuft schief in meinem Leben, etwas stimmt nicht, es droht Grundlegendes zu scheitern, aber es fehlt die Kraft, etwas zu ändern - all das ist Alltagserfahrung Unzähliger. Und viele befinden sich wie die Emausjünger auf der Flucht; auf permanenter Flucht vor solchen Leidenserfahrungen; auf der Flucht in die Arbeit, auf der Flucht in die Zerstreuung, auf der Flucht davor, sich einer Leiderfahrung, einem Scheitern wirklich zu stellen.

Liebe Gemeinde!

Vermutlich hat noch nie eine Gesellschaft so viele Leidvermeidungsstrategien entwickelt und praktiziert wie die unsere; und dabei nur anderes, aber sicher nicht geringeres Leid als früher hervorgebracht. Dass es dieser Tage in einem europäischen Land endgültig Gesetz wurde, dass man anstelle des Leids kurzerhand den Leidenden selbst legal beseitigen und entsorgen darf, wenn man seines Leidens nicht mehr Herr wird, ist sicher nur die äußerste Konsequenz jener bedingungslosen Flucht vor Leiderfahrung, die das Leben vieler Menschen prägt und sie oft nur in neues und anderes Leid führt.

Ich möchte fragen: Sind diese Entwicklungen nicht auch Ausdruck dessen, dass uns der Glaube an einen Sinn von dem, was Leid in unserem Leben verursacht, gerade auch des unvermeidbaren Leides, abhanden gekommen ist? Wo aber sollen wir suchen bei der Frage nach einem möglichen Sinn von all dem?

An dieser Stelle tritt nun im Evangelium ein Fremder hinzu. Es ist wie in einem Film: wir, die Zuschauer, wissen mehr als die Beteiligten. Wir wissen: der Gescheiterte selbst tritt hier auf, geht Seite an Seite mit den vor ihrer Enttäuschung Fliehenden. Nein noch mehr: Er ist nicht nur der Gekreuzigt- Gescheiterte; vielmehr ist es der Gescheitert-Auferstandene, der sie unerkannt begleitet und ihnen zunächst ein geduldiger Zuhörer ist. Doch dann fällt ein geheimnisvolles Wort, als er den Mund öffnet: "Musste nicht der Messias all das erleiden...?"

Was bedeutet dieses "Müssen" ? Viel wäre dazu zu sagen. Ich möchte es für jetzt folgendermaßen deuten: Gottes Wesen ist das Gelingen, das Nicht-Scheitern, die Fülle und die Vollkommenheit. Diesen Gott drängte es aus Liebe danach, für uns ein Mit-uns-Gescheiterter, ein Mit-uns-Zerbrochener, ein Mit-uns-Leidender zu werden. Unsere Erfahrung hat er durch seine Menschwerdung zu seiner eigenen Erfahrung machen wollen; und er wollte es, um in seiner Auferstehung dem Gescheiterten, Zerbrochenen, dem Leiden den Sinn der Erlösung, des Ganzwerdens, der Heilung und des Heils einzustiften. In ihm ist der Ort, an dem die Bruchstücke und Scherben meines Lebens sich zu einem ganz neuen und unerwarteten Sinnganzen zusammenzufügen vermögen, wenn ich ihm all diese Scherben und Bruchstücke hinhalte.

Und hier bekommen wir den eigentlichen Kern der österlichen Auferstehungsbotschaft zu Gesicht. Auferstehung bedeutet nicht einfach nur die Vertröstung auf ein Jenseits, in dem es nun allen irgendwann einmal besser gehen wird. Natürlich ist die Verheißung einer endgültigen Überwindung von Leid, Schmerz, Versagen und Scheitern Bestandteil des Auferstehungsglaubens. Aber wichtiger noch ist der Glaube: in Jesus Christus, dem Auferstandenen, kann restlos alles meines Lebens einen Sinn gewinnen; gerade auch das Negative, gerade das, vor dem ich fliehen möchte, ohne es letztlich zu können, das Enttäuschende, das Gescheiterte, das Zermürbende meines Lebens, das Versagen, die Schuld, ja auch unheilbare Krankheiten und Schmerz, ja selbst das, was nur noch sinnlos erscheint kann hier Heilung und überzeugenden Sinn finden.

Dass sich nichts, aber auch gar nichts in unserem Leben der heilenden und sinnstiftenden Kraft des Auferstandenen entzieht, dass der Glaube daran zu einem tragenden Fundament Ihres Lebens und unser aller Leben wird, dies ist mein Osterwunsch für Sie. Wer aus diesem Glauben sein Leben gestaltet, ist daher schon ein Auferstandener.

Pfarrer Bodo Windolf

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