Predigt vom 22. Juli 2001 (Abschiedspredigt aus Garching)

St. Severin Garching

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Predigerin:
Pastoralreferentin Dr. Elfriede Munk

Thema: 
Martha und Maria
Predigttext

Predigt 16. Sonntag im Jahreskreis C,  22. Juli 2001

Das heutige Evangelium gehört zu den Erzählungen, die wohl am bekanntesten sind und die wir schon oft gehört haben. Das verführt dazu zu sagen: ach ja, ich weiß schon, worum es hier geht: Nicht so viel werkeln, wenn Besuch da ist, sondern sich dem Besuch auch widmen, Zeit haben, zuhören.

Aber: die Evangelien sind keine Gebrauchsanweisungen und  keine Moralanweisungen. Sie erzählen von Jesus von Nazareth. Sie wollen uns zu einem tieferen Verständnis unseres Lebens verhelfen, so wie er es damals getan hat und auch heute noch tut. Sie sind eine Einladung an uns, das eigene Leben genauer anzuschauen.

Es steckt eine tiefe Wahrheit in ihnen, und diese Wahrheit ist nicht dazu da, dass sie uns wie ein nasser Lappen um die Ohren geschlagen wird, sondern wie ein wärmender Mantel hingehalten. So ist es auch mit dem heutigen Evangelium.

Jesus geht hinein in ein Dorf. Und eine Frau nimmt ihn auf, Martha.  Und mit dieser Formulierung ist gleich klar, worum es geht: Jesus aufnehmen heißt: glauben. Martha nimmt Jesus auf, d.h. sie kommt zum Glauben. Wie Martha zum Glauben kommt, wird nicht gesagt, es ist nicht das Thema dieser Erzählung. 

Am vergangenen Sonntag haben wir das Evangelium gehört, das unmittelbar vor dem heutigen bei Lukas steht: das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Es hat uns gesagt, dass  nicht theoretische Fragen wichtig sind im Glauben, sondern das Tun. „Wer ist mein Nächster?“ – das ist eine theoretische Frage. „Wem werde ich zum Nächsten?“ – das ist eine Frage aus der Lebenspraxis. Und nahtlos ist unser Text heute angefügt, der uns eine unerwartete Frage stellt: wo lauern Gefahren, wenn wir Glaubenden diesem Impuls zum Handeln, zum Dienst am Nächsten folgen?

Martha ist „überbeschäftigt mit viel Dienst“, so heißt es wörtlich.

Und das hier verwendete griechische Wort für Dienst, dienen ist diakonein, was wir heute mit  „Dienst am Nächsten, Nächstenliebe“ wiedergeben. Und damit sind wir schon ganz weit weg von irgendwelchen Haushaltsproblemen.

Nächstenliebe ist das Kennzeichen der Christen. Und offenbar ist da auch ein „Zuviel“ möglich: Es ist eine grundlegende Gefahr des Glaubens, zuviel zu tun – so unglaublich das klingt! Und es ist dann zuviel, wenn das Gegengewicht fehlt. Für dieses Gegengewicht steht Maria.

Sie „sitzt zu Füßen des Herrn und hört sein Wort“, so heißt es wörtlich. Sie hört nicht einfach zu, es geht nicht um Konversation mit dem Gast, sondern: sie hört das Wort Jesu, das Wort Gottes. Und das ist die andere wesentliche Dimension von Glauben.

Martha jedoch sieht das nicht. Wörtlich sagt sie: „Herr, kümmert dich nicht, dass meine Schwester mich allein zurückließ zu dienen? Sprich nun zu ihr, damit sie mir mithilft.“

Sie erkennt nicht den Wert dessen, was Maria tut. Sie sieht nur sich selber und dass sie alles alleine machen muss. Sie stellt ihr Tun nicht in Frage, sondern misst ihre Schwester daran. Selbstverständlich geht sie davon aus, dass sie Recht hat. Und sie wendet sich nicht direkt an Maria, sondern gleich an Jesus, an Gott selber, der ihre Forderung durchsetzen soll.

Doch die Antwort fällt ganz anders aus als erwartet (wiederum wörtlich):

 „Martha, Martha, du sorgst und beunruhigst dich um vieles, eines aber ist nötig; denn Maria wählte aus den guten Teil, welcher nicht wird weggenommen werden von ihr.“

Jesus/Gott gibt sich nicht dazu her, Maria an dem zu hindern, was sie tut, denn es ist das eine, was nötig ist:

-         Wir Christen sehen oft, wo es noch fehlt und wo Initiative, Hilfe, Unterstützung gefragt ist („sorgen und beunruhigen um vieles“). Das ist wichtig und richtig.

-         Nur eines ist aber not-wendend: hören auf das Wort Gottes.

Und es wäre ein Missverständnis zu meinen, wir könnten Beten ausspielen gegen Nächstenliebe, gegen caritatives Tun. Beten ersetzt nicht Handeln. Handeln ersetzt auch nicht Beten. Aber: das Gebet hat Vorrang. Und dafür gibt es einen guten Grund:

Beten im Sinne Jesu heißt: nicht viele Worte machen. „Euer Vater im Himmel weiß, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn darum bittet.“ Beten heißt also nicht Gott zuplappern. Sondern: Still werden, da sein lassen, was in mir da ist und hören auf Gott, um zu erfahren, was jetzt wichtig ist für mich. Und dadurch bekomme ich Maßstäbe für mein Handeln.

Anders gesagt: es geht um die Mitte, aus der heraus ich handle. Um den, der in meinem Handeln sichtbar und spürbar wird. Um die Mitte meines Lebens, meiner Person, um die herum sich alles anordnet und seinen Platz bekommt, auch all das, was ich tue.

Wenn ich das so sage, spreche ich nicht von einer grauen Theorie, sondern von dem, was mein Leben immer mehr prägt: in die Stille gehen, Gott zu Wort kommen lassen und aus dem Erfahrenen heraus mein Leben gestalten, sei es privat oder beruflich.

Aus einer engen Beziehung zu Gott leben, der mir Quelle des Lebens geworden ist, und andere zu dieser Quelle führen – so habe ich meinen Beruf verstanden und so verstehe ich ihn auch heute noch.

Exerzitien im Alltag, Oasengottesdienst, Meditationsangebote – das alles sind Wege in die Stille, in das Hören auf Gott. Und das bleibt nicht ohne Wirkung: es bewirkt mehr Achtsamkeit für andere; mehr Achtsamkeit dafür, wo mir Gott begegnen will. Achtsamkeit für versteckte Not von anderen, dafür, wo jetzt gerade ich gefragt bin und womit ich gefragt bin: geht es darum, jemanden zu bestärken oder ihm Widerstand zu leisten, geht es darum, konkret anzupacken oder eher nachdenken zu helfen?

Natürlich gelingt mir das nicht immer, es ist nicht etwas, das von einem Tag auf den anderen da wäre, sondern es ist ein Weg des Lernens. Es gelingt mir immer häufiger, aber trotzdem bin ich sicher, dass ich manches übersehen habe. Ich hoffe, dass Sie mir das verzeihen können, wenn es Sie betroffen hat, und ich vertraue darauf, dass Gott noch andere Möglichkeiten hat, Ihnen zu helfen, wenn ich meine Möglichkeit übersehen habe.

Ich lerne immer mehr, das zu leben, was mir möglich ist, und für alles andere auf die Vergebung Gottes und auf seine reichen Möglichkeiten und seine Phantasie zu hoffen.

Gehen wir noch einmal zurück zu der Erzählung von Martha und Maria:

Es geht um zwei Anteile in uns selber, in den Glaubenden: hören, was Gott mir sagen will – tun, was mein Nächster braucht.

Was so einfach klingt, ist ziemlich anstrengend – anstrengend, weil es eine Gratwanderung ist:

-         Wie viel Gebet ist nötig und wo wird mir Gebet zum Vorwand, nichts zu tun und andere sitzen zu lassen? Wo muss ich auf der Zeit des Betens bestehen und mich dem Vorwurf aussetzen, nicht hilfsbereit oder engagiert genug zu sein?

-         Wie viel Engagement ist nötig und wo wird mir ständiges Herumrennen zum Vorwand, mir und damit auch Gott aus dem Weg zu gehen? Wo muss ich auf meinem Engagement für meine Nächsten bestehen und mich dem Vorwurf aussetzen, nicht fromm genug zu sein?

Es ist nicht leicht, aber das heutige Evangelium lädt uns ein, diesen Weg zu gehen.

-         Es verbietet uns, mit dem Finger auf andere zu zeigen und sie an dem zu messen, was wir für richtig halten;

-         Es ermutigt uns, im Gebet nach Gottes Maßstab zu suchen und daran das eigene Leben auszurichten und es wird zum Wohl der anderen sein.

So  wünsche ich uns allen die Kraft, diesen Weg Schritt für Schritt zu gehen, und den Segen Gottes dazu.

Dr. Elfriede Munk, Garching, St. Severin

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