Predigt vom 24. Dez. 2001 (Hl. Abend)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Es werde Frieden auf Erden!
Predigttext

Heiliger Abend 2001

Evang:Lk2,1-14

„Ein Kind ist uns geboren... Sein Name ist: Fürst des Friedens. Seine Herrschaft ist groß und der Friede hat kein Ende!“

So klang die große Weissagung des Jesaja siebenhundert Jahre vor Jesu Geburt. Als still, armselig, von niemandem bemerkt der große Tag kam, da sich die Verheißung erfüllte, sangen Engel: „Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.“

Ist das nicht alles Lüge? Sentimentales Friedensgerede, das der Realität nicht standhält? Weihnachten – Fest des Friedens für Illusionisten, für Märchengläubige oder für solche, die das Drumherum von Weihnachten recht gern mögen, aber die Weihnachtsbotschaft selbst schon lange innerlich abgehakt haben? 

Denn wie sieht es denn aus in der Welt? Krieg, Terror, Hass, Fanatismus, Angst wohin man blickt. Betlehem, der Geburtsort, Palästina, das Geburtsland des Friedensfürsten blutgetränkt, eine Endlosspirale von Gewalt und Gegengewalt, um nur ein Beispiel für unzählige andere zu nennen. Krieg im Großen, Krieg im Kleinen, zwischen Eheleuten, in Familien, zwischen Nachbarn, am Arbeitsplatz, allenthalben, alles mögliche, aber kein wirklicher Frieden. Hat sich seit der Weihnacht vor zweitausend Jahren überhaupt etwas in der Welt verändert? Sollte man die Botschaft nicht  endlich einfach beiseite legen, weil sie ja doch nichts ausrichtet in dieser unserer Welt, weil sie an den realen Gegebenheiten einfach abprallt?


Liebe Gemeinde!

Was soll man sagen auf solche Fragen, die ich schon öfters von Menschen gehört habe?

Mir scheint, dass der entscheidende Punkt, den wir sehen müssen, der ist: Gott ist nicht in unsere Welt gekommen, um die Welt zu verändern; nicht um die Welt zu verändern, sondern um den Menschen, um das Herz jedes einzelnen, um mich zu verändern darum wurde er einer  von uns, einer wie ich. Warum? Weil er ganz genau weiß: Nur wo einzelne, vielleicht sehr wenige, beginnen, nur wo ich beginne, die Weihnachtsbotschaft in mich einzulassen und aus ihr das Leben zu gestalten – nur da verändert sich die Welt, nicht die ganze, aber – und das ist das Entscheidende – etwas in der Welt.

Und auf einmal stellen wir fest, dass die Eingangs gestellten Fragen durch diese kleine Richtigstellung unversehens eine ganz neue Wendung bekommen. Auf einmal werden die abstrakten Fragen, die von mir weg auf andere weisen: Warum sind die so?, zu Fragen an mich ganz persönlich: Habe ich mich schon ausreichend verändern lassen durch das, was ich heute feiere? Habe ich den, dessen Geburt wir heute begehen, schon wirklich eingelassen in mein Leben als Friedensfürsten für mich, der mich aus der Schuld, aus den Verstrickungen, aus dem Oberflächlichen, aus dem Zerbrochenen, aus dem Friedlosen in mir erlösen und befreien will. Oder feiere ich  heute ein rührseliges Fest, mit viel Dekoration: Krippe, Weihnachtsbaum, noch und nöcher Geschenke; aber der, um den es eigentlich geht, Jesus Christus, geht darin unter, erstickt; ist morgen in meinem Alltag schon wieder vergessen, weil er auch in mir keine Herberge findet, in der ich ihm bei mir einen Platz bereitet hätte?


Liebe Schwestern und Brüder!

Die Weihnacht damals, nämlich als Gott in unsere Welt kam, um uns Menschen seinen Frieden zu bringen, hat stattgefunden. Kein Krieg, kein Unfriede auf Erden kann dieses Friedensangebot  Gottes für uns alle ungeschehen machen. Doch wenn Weihnachten nicht auch in mir geschieht, dann war die Weihnacht damals und dann ist ihre Feier heute für mich persönlich vergeblich; ein hübsches Fest, das den Alltag durchbricht, aber kaum mehr.

Der Mystiker und Dichter Angelus Silesius hat es so gedichtet: „Wär` Christus tausendmal zu Betlehem geboren, doch nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“ Verloren an eine Welt, die immer härter und friedloser, immer trostloser und kälter zu werden scheint, weil Gott darin immer weniger Platz findet. 

Dass Christus in mir geboren wird, darauf zielt das Weihnachtsfest. Wo er meine Gedanken prägen darf, mein Herz reinigen darf, mir Wegweisung geben darf, er meine Hoffnung sein, auf mein Gebet zählen und mit meiner Liebe rechnen darf, - da geschieht Weihnachten; da vollendet sich die Weihnacht damals in mir heute.

Im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach, das unser Chor ja am vorigen Samstag in großartiger Weise aufgeführt hat, singt der Chor an einer Stelle voller Verwunderung: „Dass dieses schwache Knäbelein, soll unser Trost und Freude sein; dazu den Satan zwingen und letztlich Frieden bringen.“ Und in der wunderschönen Alt-Arie gegen Schluss des dritten Teils heißt es: „Schließe, mein Herz, dies selige Wunder fest in deinem Glauben ein... Ja, ja, mein Herz soll es bewahren.“

Weihnachten ist wie das Anklopfen des Gottessohnes, des Friedensfürsten, an die Tür der Herberge meines Herzens, meines Lebens, meiner Person. Es ist wie ein Anklopfen, damit in mir Friede werde, Friede mit Gott, Friede mit meinen Nächsten, damit ich so ein Mensch des Friedens werde; damit durch mich Friede in die Welt kommt. Ich bin die Herberge, die er sucht. Werde ich ihm öffnen?


Pfarrer Bodo Windolf

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