Predigt vom 12. Mai 2002

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Freude und Leid - Verherrlichung und Schmach"
Predigttext

Siebter Sonntag der Osterzeit 12. Mai 2002
Les: 1 Petr 4,13-16
Ev: Joh 17,1-11a

Was wir soeben im Evangelium gehört haben, ist noch immer Teil der langen Rede Jesu in der Nacht vor seinem Leiden und Sterben. Doch mit der heutigen Perikope hat Jesu Sprechen eine wichtige Wendung genommen. Zuvor waren seine Worte in der sogenannten Abschiedsrede an seine Jünger gerichtet; testamentarische Worte, die sie auf das Kommende vorbereiten sollten. Doch nun geht Jesu Reden in Gebet über, ins sogenannte „Hohepriesterliche Gebet“. Seine letzten Worte hier auf der Erde sind nicht an Menschen gerichtet, sondern an den Vater. Und gleich zu Beginn etwas Seltsames: „Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit er dich verherrliche.“ Es gehört zu den Eigenarten des Johannes Evangeliums, dass er den Gang Jesu in die äußerste Erniedrigung, in Schmach und abgrundtiefes Leid mit Wörtern wie „Verherrlichung“ und „Erhöhung“ beschreibt.

Werfen wir von hier aus einen Blick auf die Lesung. Wir haben im ersten Satz des Petrusbriefes dasselbe Paradox, wie wir es bei Johannes festgestellt haben: „Freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt!“

Liebe Gemeinde!

Freude und Leid, Verherrlichung und Schmach – wie soll das zusammen gehen? Kann ein Mensch unserer Tage, kann ein Christ unserer Tage noch etwas mit einer solchen Vorstellung anfangen? Geschieht da nicht das, was man dem Christentum oft schon vorgeworfen hat: dass es das Leid verkläre und verherrliche. Muss man nicht eine Art Masochist sein, um diesem Satz aus dem 1. Petrusbrief zustimmen zu können?

Offensichtlich ist das, was wir hier hören, eine Provokation. Denn der zitierte Satz begnügt sich ja nicht mit der Aufforderung, Leid anzunehmen, es geduldig zu ertragen, sich damit irgendwie zu arrangieren, wenn es nun einmal nicht zu ändern ist, sondern er fordert allen Ernstes zur Freude auf. Ist das nicht eine Zumutung, selbst dann, wenn man davon ausgeht,  dass hier sicher nicht die Freude am, wohl aber im Leid aufgetragen wird?

Versuchen wir ein wenig darüber nachzudenken und beginnen wir mit dem Petrusbrief: Zunächst einmal ist interessant, aus welcher Feder diese Worte stammen. Die Überlieferung schreibt sie demselben Petrus zu, der am heftigsten abgewehrt hatte, als Jesus zum ersten Mal von seinem eigenen Leidensweg, den er gehen müsse, sprach. „Ein leidender Messias? Unmöglich! Gott bewahre! Darüber brauchen wir erst gar nicht zu reden!“

Ungewöhnlich scharf die Reaktion Jesu: „Weiche von mir Satan! Denn du denkst nicht die Gedanken Gottes, sondern die der Menschen.“ Mit anderen Worten: So wie du denken alle, auch wir alle;  aber – das ist rein menschlich gedacht. Doch Gott denkt nicht menschlich, sondern göttlich; nicht Er wird Seine Gedanken unseren anpassen, wie wir es gerne hätten; sondern wir müssen lernen, unser menschliches Denken Seinem göttlichen Denken anzugleichen.

 Es ist keine Frage, dass uns dies oft unsagbar schwer fällt. Doch machen wir nicht auch häufig die Erfahrung: Während bei uns nur zu oft am Anfang die Freude, der Spaß, am Ende aber bittere Enttäuschung steht, ist es bei Gott genau umgekehrt. Wo immer am Anfang ein Leid stehen mag – Er vermag es, es in Freude zu wandeln. Gottes Weg geht nicht von Ostern zu Karfreitag, sondern über den Karfreitag zu Ostern. Genau das war Jesu Weg und in ihm Gottes eigener Weg. Nie mehr wird eine Kreatur Gott vorwerfen können: Du kennst ja mein Leiden, meine Schwäche, meine Trostlosigkeit, meine Verzweiflung gar nicht. Sondern wir müssen uns von nun an von Gott sagen lassen: Ich habe mich für dich schwach gemacht, nicht nur, um dein Leid kennen zu lernen, sondern auch um deiner Schuld, um des Bösen in der Welt willen. Aber in dieser äußersten Schwäche schimmert schon die Kraft von Ostern, die Kraft der Überwindung, die Kraft des endgültigen Sieges Gottes hindurch. Und deswegen beginnt schon hier die Verherrlichung Jesu. Deswegen auch nimmt nicht nur Jesus teil an unserem menschlichen Leid, sondern von da an gilt auch umgekehrt, dass jeder unschuldig und um Jesu willen Leidende, im Grunde aber sogar jeder Leidende nun auch teilnimmt am Schicksal Jesu selbst und Ihm darin ähnlich wird. Jesus ähnlich zu werden – ob in der Gesinnung, ob im Denken, im Sprechen, im Handeln oder eben auch in der Erfahrung von Leid und Schmerz – ist für Petrus aber immer ein Grund zur Freude; der Grund dafür, warum er diesen Satz schreiben konnte: „Freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt!“

Zum Schluss: Wie gelangen wir dorthin? Auch dazu weist uns Jesus den Weg: „Das ist das ewige Leben: Dich den einzigen wahren Gott erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast.“ Nach hebräischem Sprachgebrauch heißt „Gott und Jesus Christus erkennen“ dasselbe wie „Ihn lieben“. Das Herz des Vaters zu erkennen im Sohn, meinem Erlöser und dem Schmerzensmann für mich, kann helfen, sogar mit Freude ja zu sagen selbst da, wo ich Anteil habe am Leidensweg Jesu Christi. Es ist der Tröstergeist, der Beistand, der Geist der Liebe, den Jesus verheißen hat, der uns diese Liebe lehren und darin einzuüben vermag. Es braucht sicher eine große Liebe zu Jesus, meinem Erlöser, dem Schmerzensmann für mich, um einen Satz wie diesen glauben, annehmen und vor allem leben zu können. 

Pfarrer Bodo Windolf

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