Predigt vom 16. Juni 2002

St. Severin Garching

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Prediger:
Priesteramtskandidat Wernher Bien


Thema: 
Gesandt um zu heilen
Predigttext

Predigt am Sonntag 16.06.2002 

Liebe Schwestern und Brüder,

fünfundzwanzig Jahre Altötting-Wallfahrt! Und einige der hier Anwesenden pilgern schon seit noch längerer Zeit jedes Jahr an Pfingsten nach Altötting.

Ich glaube, einer der Gründe, warum viele Menschen immer wieder auf diese Wallfahrt gehen ist, dass man hier drei Tage lang in der Nähe Gottes ist.

Und damit geht es den Wallfahrern ein bißchen wie den Jüngern Jesu, die sich ja für lange Zeit in besonderer Weise in der Nähe Gottes aufgehalten haben.

Es muß aufregend gewesen sein für die Jünger Jesu.

Jesus muß eine unglaubliche Ausstrahlung besessen haben, er zog die Menschen in Scharen in seinen Bann, wenn er in so vielen Bildern und Gleichnissen die Frohe Botschaft verkündete: Das Himmelreich ist nahe!

Dass Gott nahe ist, das wußten die Jünger Jesu auch schon vorher – sie waren ja fromme Israeliten, und Gott hatte sich seinem Volk offenbart als der „Ich bin da“.

Aber bei Jesus, da war diese Nähe Gottes spürbar. Wenn die Jünger in der Nähe Jesu waren, dann war es ihnen, als würde Gott jetzt sein Reich ausbreiten – sein Reich,  in dem er alle Tränen von unseren Augen abwischen wird, in dem keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal mehr sein wird. Wenn Jesus Blinden, Aussätzigen begegnete, dann wurde sein innerstes Wesen von Mitleid bewegt, und wenn er diese Kranken berührte, dann war es ihnen, als würde nicht nur ein Mensch, sondern die erbarmende Liebe Gottes selbst sie berühren – diese Liebe, die alles heilt, was im Menschen verwundet ist – und so wurden alle Menschen gesund, die Jesus berührte.

Und eines Tages sagt dann Jesus zu seinen Jüngern:

Nun geht, verkündet den Menschen: „Das Himmelreich ist nahe“

und heilt die Kranken.

Ich stelle mir vor, dass die Jünger entsetzt waren, als ihnen Jesus zumutete, nun ohne ihn loszuziehen. Aber dann sind sie doch gegangen, haben gepredigt, wie sie es von Jesus gehört haben und haben den Kranken die Hände aufgelegt. Wie wir es im Evangelium und später in der Apostelgeschichte lesen können, sind die Kranken auch tatsächlich gesund geworden.

Liebe Mitchristen,

so wie Gott damals durch die Apostel geheilt hat, so hat er auch später immer wieder Kranke gesund gemacht und Not gewendet – so auch durch die schwarze Muttergottes von Altötting. In der Gnadenkapelle von Altötting sind die Außenwände übersät mit Votivtafeln, auf denen dankbare Menschen beschreiben wie sie aus allen möglichen Nöten und von allen möglichen Krankheiten geheilt wurden.

Wenn Sie, liebe Wallfahrer jedes Jahr nach Altötting pilgern, dann wohl auch, um so etwas wie Heilung zu erfahren und für andere zu erbitten. Der Pfarrer und ich sind dieses Jahr auch ein Stück mitgegangen, wenngleich wir uns die schlimmsten Strapazen erspart haben. Aber als ich in der übervollen Basilika stand und wir das Lied „Schwarze Madonna“ gesungen haben, da war das für mich sehr ergreifend. Ich glaube, darin drückt sich so etwas wie eine Sehnsucht nach einer wirklich heilen Welt aus, eine Sehnsucht nach Heilung.

Wir fühlen uns ja oft so machtlos gegenüber all der Not in der Welt, oft genug auch gegenüber der eigenen Not. Und hier sehen wir die schwarze Madonna, eine unscheinbare Holzstatue, und doch haben hier viele Menschen ihre große Not der Fürbitte Mariens anvertraut und sind erhört worden. Vielleicht ist das eines der Zeichen, dass das Himmelreich herankommt: Wenn das scheinbar Schwache die Kraft hat, große Not zu lindern.

Die Aufforderung Jesu gilt ja nicht nur für seine ersten Jünger, sondern auch für uns:

Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.
Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein.

In einer russischen Geschichte wird von einem Gespräch zwischen zwei Freunden berichtet:

Liebst du mich?

Natürlich liebe ich dich!

Weißt du auch, was mir weh tut?

Wie kann ich wissen, was dir weh tut?

Wenn du nicht weißt, was mir weh tut, wie darfst du dann sagen, dass du mich liebst?

Einen Menschen lieben heißt auch, aufmerksam für ihn sein, wahrnehmen, was ihm weh tut und Mitleid zu haben, mit ihm zu leiden.

Wie weit dieses Mitleid gehen kann, sehen wir an Jesus, der sich von unserem Leid so sehr berühren läßt und so sehr mit uns leidet, dass er sogar den Kreuzestod auf sich nimmt.

Ich glaube, wenn wir uns vom Mitleid für die Menschen bewegen lassen, dann können wir tatsächlich helfen, dass sie Heilung erfahren:

Vielleicht ist da jemand, der sich wie aussätzig fühlt, einsam, von allen Menschen verstoßen und verlassen. So jemandem können wir zeigen: Du bist nicht allein. Ich interessiere mich für dich, ich mag dich.

Ein anderer ist wie tot, hat abgeschlossen mit seinem Leben und keine Energie mehr, etwas Neues anzufangen. Vielleicht können wir so jemandem helfen, seine eigene innere Lebendigkeit zu entdecken und neue Freude am Leben zu finden.

Liebe Schwestern und Brüder, das wünsche ich uns allen:

Dass wir aufmerksam sind für die Nöte unserer Mitmenschen, uns von Mitleid bewegen lassen und nach Wegen suchen, ihnen zu helfen. Dann können wir es spürbar erleben: Das Reich Gottes ist nahe.

Wernher Bien

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