Predigt vom 25. Dezember 2002 (2. Weihnachtstag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Wofür lohnt es sich zu leben
Predigttext

St. Severin Garching
Zweiter Weihnachtstag 2002
Les: Apg 6,8-10; 7,54-60
Ev: Mt 10,17-22

Wofür lohnt es sich zu leben?

Wofür lohnt es sich zu leben? Wofür lohnt es sich wirklich zu leben?

Diese Frage trifft mitten ins Herz unserer Existenz. Jeden von uns geht sie unmittelbar, zentral, unabweislich an. Keiner, der an ihr vorbei käme; keiner, der sich an ihr vorbei mogeln könnte. Selbst wer sein Leben gedankenlos vergeudet, wird irgendwann von dieser Frage eingeholt; und sei es nur in Form eines dumpfen Gefühls, das eigene Leben für nichts verplempert zu haben.

Wofür lohnt es sich zu leben? Für den, dessen Fest wir heute feiern, für den heiligen Stefanus, stellte sich diese Frage noch ein wenig anders: Wofür lohnt es sich zu sterben? Lohnte es sich wirklich, für Den zu sterben, dessen Geburt wir gestern noch gefeiert haben? Hätte dieser talentierte junge Mann nicht noch viel Gutes vollbringen können, wenn er sich rechtzeitig mit seinen Feinden arrangiert und so sein Leben gerettet hätte, und sei es um den Preis der Verleugnung seines Glaubens?


Es scheint, als hätte Stefanus dies nicht einmal gedanklich in Erwägung gezogen. In Jesus Christus, dem für uns Mensch gewordenen Gott, in Ihm, dem Gemarterten, Gemordeten, aber Auferstandenen, hatte er den Sinn, den Halt, das Fundament seines Daseins gefunden; in Ihm hatte er das alles andere prägende und sinngebende Wofür seiner Existenz gefunden. Ein Leben ohne dieses Wofür erschien ihm nur noch als nichtig, leer, nicht lohnend. Dann lieber sterben als zu leben um den Preis des Abfalls vom Glauben und damit des Verlustes des eigenen Lebenssinns.

Wofür lohnt es sich zu leben? Der heilige Stefanus gibt zur Antwort: Ich habe ein Wofür gefunden, für das es sich eher zu sterben lohnt, als ohne es zu leben: Jesus Christus.


Liebe Gemeinde!

Mit diesem Satz trifft sich der heutige Festtagsheilige mit einem der großen protestantischen Philosophen und Theologen des 19. Jahrhunderts, Sören Kierkegaard. Von ihm stammt der Satz: Letztlich lohnt sich nur für etwas zu leben, wofür sich auch zu sterben lohnt. Ein nachdenkenswerter Satz.

Was heißt er? Was heißt er für unsere Frage? Was heißt er für uns persönlich?

Wir alle leben, arbeiten, investieren Geist, Zeit und Kraft für viele Wofürs: für Erfolg im Beruf, für die Karriere, für ein dickes Bankkonto, für ein schönes Haus, für schönen Urlaub, für kleine und große Vergnügungen, für die Familie, und, und, und.

Wenn wir nun etwas tiefer über uns selbst nachdenken, dann werden wir sicher feststellen: es gibt ein, zwei Wofür, die aus allen anderen herausragen; die uns wichtiger sind als alle übrigen. Könnten wir sie benennen? Mir scheint, wer dies nicht kann, würde sich selbst wohl nur sehr schlecht kennen.

Doch nun die entscheidende Frage, die jeder nur persönlich für sich selbst beantworten kann: Existiert in meinem Leben ein Wofür, das so groß ist, dass es sich lohnt, dafür alles hinzugeben, selbst, wenn es notwendig wäre, das eigene Leben? Ein Wofür, für das es sich also in der Tat zu sterben lohnt? Das könnte ein geliebter Mensch sein, die Familie, eine große Lebensaufgabe, für die man zum Allgemeinwohl bereit ist, sich ganz und gar einzusetzen. Besitze ich ein solches Wofür? Eine für jeden lebenswichtige Frage, weil sich an ihr sie Sinnhaftigkeit unseres Daseins erweist.

Doch unter allen möglichen Wofürs möchte ich zum Schluss eines nennen, das aus allen anderen herausragt, das wohl als einziges das Kriterium Kierkegaards voll und ganz erfüllt. Denn dieses eine Wofür ist jenes, das allein allen anderen Wofürs unseres Lebens nicht nur einen vorläufigen, sondern einen endgültigen Sinn zu geben vermag. Dieses größte Wofür kann überhaupt niemand anderer sein als Gott. Jener Gott, der in Jesus Christus unter uns geboren wurde, der für uns litt und starb – und auferstand. Jener Gott also, der die Sinnlosigkeiten und Absurditäten unseres Daseins, nämlich Leid, Sünde und Bosheit von Menschen und den Tod auf sich nahm, um uns davon in seiner Auferstehung zu erlösen. Die Feier von Weihnachten zielt auf dieses Karfreitags- und Ostergeschehen.

Wer sein Leben auf diesen Gott baut, kann gewiss sein, das lohnendste, weil allem anderen sinngebende Wofür gefunden zu haben. Wer diesen Gott aus seinem Lebensentwurf streicht, läuft Gefahr, den letzten und eigentlichen Sinn seines menschlichen Daseins zu verfehlen.

Wofür lohnt es sich zu leben? Letztlich für das, wofür sich auch zu sterben lohnt. Der Heilige dieses Tages, der heilige Stefanus, hat es in Person und Gestalt Jesu Christi gefunden. Worin erblicke ich das letzte und eigentliche Wofür meines Lebens?

Pfr. Bodo Windolf

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