Predigt vom 17. April 2003

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Die "communio" (Gemeinschaft) der Kirche
Predigttext

St. Severin Garching
Gründonnerstag 17. April 2003
Les: Ex 12,1-8.11-14; 1 Kor 11,23-26
Ev: Joh 13,1-15

Die "communio" (Gemeinschaft) der Kirche,
die aus der sakramentalen Kommunion mit Christus entsteht

"Communio", Kommunion, in der Messfeier die heilige Kommunion zu empfangen, ist uns allen zu einer lieben und selbstverständlichen Gewohnheit geworden. Damit das Gewohnte nun aber nicht gewöhnlich im Sinne von oberflächlich und bloßer Routine wird, ist es von Zeit zu Zeit notwendig, tiefer darüber nachzudenken, was wir hier eigentlich und im Tiefsten vollziehen.

Das griechische Wort für "communio", zu deutsch: Gemeinschaft, lautet "koinonia". Beide Wörter, das lateinische "communio" und das griechische "koinonia" bezeichnen sowohl die sakramentale eucharistische Gemeinschaft, also das "Zur Kommunion gehen", als auch die Gemeinschaft der Gläubigen selbst, derer also, die die heilige Kommunion empfangen und so die Kirche bilden. "Communio" ist gerade auch im II. Vatikanischen Konzil zu einem Schlüsselbegriff für das Selbstverständnis der Kirche geworden. Und so lohnt es sich in der Tat, über den auf diese Weise deutlich werdenden Zusammenhang zwischen Eucharistie und Kirche nachzudenken, was ich in mehreren Anläufen versuchen will.

Schauen wir zuerst auf die profane alltägliche Wortbedeutung von "koinonia". Das Wort begegnet an zentraler Stelle, als nämlich Jesus den Petrus und seine "Koinonoi", seine Gefährten Johannes und Jakobus, zu Jüngern beruft. Genauer meint dies: Die drei bildeten so etwas wie eine Kommune, eine Genossenschaft, ein Kleinstunternehmen mit gemeinsamer Arbeit, gemeinsamem Eigentum und gemeinsamen Werten. Es ist offensichtlich, dass Jesus aus dieser Arbeits-, Wirtschafts- und vermutlich auch Freundesgemeinschaft eine ganz neue "koinonia" oder Gemeinschaft machen möchte, die das schon Bestehende aufgreift und zugleich in etwas ganz Neues verwandelt.

Schauen wir nun auf das hebräische Wort für "koinonia" beziehungsweise "communio". Es lautet "chaburah" und bezeichnet unter anderem die zum Paschamahl versammelte familiäre Gruppe von mindestens zehn Personen. Was im Hebräischen auffällt, ist: "Chaburah" bezeichnet immer nur die Gemeinschaft von Menschen untereinander, nie die Beziehung zwischen Gott und Mensch: zwischen diesen gibt es keine "chaburah" oder "communio", weil für den alttestamentlichen Menschen der Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf in einem gewissen Sinn unübersteiglich bleibt. Deswegen wird diese Beziehung nicht mit dem Wort "chaburah", sondern mit dem Wort "berith" umschrieben, das den Bund zwischen absolut ungleichen Partnern bezeichnet und die Hoheit, durchaus auch Nähe, aber vor allem die bleibende Distanz Gottes zum Menschen ausdrückt.

Einen weiteren Blick möchte ich auf die griechische Philosophie werfen. Platon beschreibt im Symposion, einem seiner berühmtesten Dialoge, die wechselseitige "koinonia" zwischen Göttern und Menschen als den tiefsten Sinn der Opfer und des Kultes. Diese Gemeinschaft ist es, die auch die Gemeinschaft der Menschen untereinander stiftet, und dann sagt er ein ganz und gar schönes, geradezu christliches Wort: dass es im Kult nämlich letztlich um nichts anderes gehe als um das "Heil und die Heilung der Liebe".

Freilich steht griechische Philosophie immer in Gefahr, die Einheit zwischen Göttern und Menschen oder besser, der unpersönlichen Gottheit und den Menschen zu einer ununterschiedenen Identität zu verschmelzen. Es besteht die Gefahr, dass hier "unio" statt "commumio" angezielt wird, Einswerdung, Identischwerdung statt Einheit in der Zweiheit der Liebe.

Wenn wir nun auf das schauen, was wir heute feiern, dann können wir sehen, dass sich in der communio der Eucharistie so etwas wie eine Synthese aus dem jüdischen und dem griechisch-heidnischen Verständnis von "koinonia" bzw. "chaburah" vollzieht. Die Kommunion zwischen Gott und Mensch ist Jesus Christus selbst. In Ihm hat Gott den Abgrund, der zwischen Ihm und dem Menschen besteht, gleichsam übersprungen. Jesus ist die "communio" zwischen Gott und Mensch. Und wer teilhat und teilbekommt an Jesus Christus, der bekommt teil und wird hinein genommen in eben diese so staunenswerte und alles andere als selbstverständliche "communio". Und der vorzügliche Ort für diese Teilgabe ist, wenn ich meine leeren Hände letztlich Christus selbst entgegenstrecke und Er mich mit Sich beschenkt.

Wenn aber nicht nur ich mit Jesus "communio" habe, indem Er sich mir schenkt, sondern wenn dies auch an der Schwester und dem Bruder neben mir geschieht, dann entsteht so eben auch in und durch die Gemeinschaft aller mit Jesus Christus die Gemeinschaft untereinander, das heißt die Gemeinschaft der Kirche. Ich kann nicht wirkliche und echte "communio" mit Jesus haben, wenn daraus nicht auch "communio" mit den Mitchristen, ja eigentlich zu allen Menschen wird, für die ja Jesus genau so gestorben ist wie für mich. Auch nur einem die Hand nicht zum Friedensgruß reichen zu wollen, hieße, die Kommunion mit Christus zu einem inneren Widerspruch werden zu lassen. Eben das ist ja auch der Sinn des Friedensgrußes vor Empfang der heiligen Kommunion an meine Nachbarin und meinen Nachbarn, die für jeden x-beliebigen anderen Menschen stehen können müssen.

Zur Kommunion gehen heißt daher auch, den dienenden Liebesdienst Jesu an den Jüngern durch das eigene Leben mit- und nachzuvollziehen. Wer nicht bereit ist, anderen die Füße zu waschen, für sie da zu sein, auch wenn es schwer fällt, selbst wenn es erniedrigend erscheint, - der vollzieht keine wirkliche Kommunion, wenn er Christus im Sakrament empfängt. So und nicht anders entsteht Kirche, vollzieht sich Kirche, ist die Kirche wahrhaft Kirche, das also, was Gott unter uns Menschen stiften wollte: die innigste Gemeinschaft Gottes mit uns Menschen, die zur Gemeinschaft untereinander führen soll, damit so "Heil und Heilung der Liebe" mitten unter uns geschehe.

Pfr. Bodo Windolf

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