Predigt vom 21. April 2003

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Die Lehre vom "gerechten Krieg" und der Friede, der in uns beginnt
Predigttext

St. Severin Garching
Ostermontag 21. April 2003
Les: Apg 2,14.22-33; 1 Kor 15,1-8.11
Ev: Lk 24,13-35

Die Lehre vom "gerechten Krieg" und der Friede, der in uns beginnt

Die glocken läuteten,
als überschlügen sie sich vor freude,
über das leere Grab
Darüber dass einmal
etwas so tröstliches gelang
und dass das Staunen währt
seit zweitausend jahren
Doch obwohl die glocken
so heftig gegen die mitternacht hämmerten –
nichts an finsternis sprang ab.

Liebe Schwestern und Brüder,

dieses Ostergedicht von Rainer Kunze aus dem Jahr 1984, das so optimistisch beginnt, endet in tiefer Resignation. Zweitausend Jahre Christentum, zweitausend Jahre Feier der Osterbotschaft, zweitausend Jahre des Anredens und Anglaubens, des Hämmerns und Läutens gegen die Mitternächte tiefster Dunkelheiten auf Erden – doch nichts an Finsternis sprang ab.

Ob tatsächlich nichts an Finsternis absprang, mag man mit Fug und Recht hinterfragen; doch in einem hat Kunze sicher recht; betrachtet man den Gesamtzustand der Welt, so ist sie in diesen zweitausend Jahren weder friedvoller noch besser geworden. Im Gegenteil: Die heute gesungene Paukenmesse von Haydn, mit ihrem Untertitel "Missa in tempore belli", "Messe in der Zeit des Krieges" – wie passend für die Zeit, in der sie komponiert wurde, wie passend für heute, da sie gespielt wird, mag auch der Krieg im Irak scheinbar zu Ende sein.

Dieser Krieg – man mag zu ihm stehen wie man will – die begleitende Rhetorik ist unerträglich. Von Kreuzzug ist die Rede; das ist nicht nur naiv, dumm und geschichtsvergessen, das ist verantwortungslos und gefährlich, weil es kriegerische Gewalt religiös auflädt, und das noch dazu mit dem Zeichen der Gewaltlosigkeit schlechthin: dem Kreuz. Das ist Rückfall in Verhaltensweisen des Alten Testaments, die im Neuen Testament Jesu restlos überwunden sind. Mögen sich die Christen mit ihren Kreuzzügen und Religionskriegen auch oft nicht daran gehalten haben. Mit all dem, was die Kirchengeschichte aller Konfessionen bis heute leider so schwer belastet, konnten sie sich nie auch nur auf eine Silbe des Neuen Testaments geschweige denn auf Christus selbst berufen. Gott für das Geschehen im Irak zu bemühen, rückt das Ganze in eine ganz und gar fatale Nähe zum heiligen Krieg, ein Wort, das im Munde Jesu auch nicht von Ferne auftaucht.

Freilich, es gibt im Christentum durchaus die Lehre vom "gerechten Krieg", wobei dieses Wort die gemeinte Sache eher schlecht ausdrückt. Zutreffender wäre die "Lehre von der gerechten Verteidigung". Sie geht davon aus, das jeder Krieg zunächst einmal ein großes Übel ist, ist aber realistisch genug, dass der reine Pazifismus keine ausreichende Antwort auf bestimmte Problemlagen darstellt.

Srebrenica ist das schreckliche Beispiel dafür, wie die Appeasementpolitik der Völkergemeinschaft einem Volk das Recht auf Selbstverteidigung nahm und es überhaupt erst einem Völkermord preisgab.

Die eigentliche Intention der auf Augustinus zurückgehenden Bellum–iustum–Lehre ist es nun freilich nicht, Krieg zu rechtfertigen, sondern ihn zu verhindern. Daher wird militärische Selbstverteidigung nur erlaubt, wenn a) der zu erwartende Schaden sicher feststeht, wenn b) alle anderen Mittel, eine kriegerische Aggression zu verhindern, sich als wirkungslos erwiesen haben und wenn c) nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die abzuwehrenden Übel eindeutig größer sind, als die, die durch die Mittel der Selbstverteidigung angerichtet werden.

Bei aller sachlichen Abwägung und trotz des Wissens um das verbrecherische ehemalige Regime in Bagdad erscheint es mir fraglich bis unmöglich, den geführten Irakkrieg zu rechtfertigen. Ich frage mich, wie dem Frieden, der Gerechtigkeit und dem Wohlergehen der Menschen hätte gedient werden können, wenn die Gelder, die dieser Krieg und der Wiederaufbau gekostet haben und kosten werden, von vorneherein eingesetzt worden wären zur Unterstützung der Menschen in Palästina und im Irak, wo der kalte Krieg der Embargo – Politik des gleichgültig zuschauenden Westens in zwölf Jahren freilich ein Vielfaches der Opfer dieses Krieges gefordert hat.

Naive christliche Friedensträume, die angesichts der Realpolitik versagen? Vielleicht. Aber davon abgesehen steht für mich persönlich eines fest: Gegen den Krieg im Irak zu sein heißt durchaus noch nicht, ein Friedensfreund zu sein.

Ich bin ausgegangen von dem Wort Rainer Kunzes: "nichts an finsternis sprang ab". Mag dies auch für den Gesamtzustand der Welt gelten. In dem kleinen Bereich, in dem wir handeln und Einfluss nehmen können, in dem können durch jeden von uns Finsternisse abspringen noch und nöcher. Mögen wir gegen die großen Kriege in der Welt nichts ausrichten können – wir können es um so mehr gegen die kleinen Kriege in unserem Alltag, da wo wir leben: in der Familie, am Arbeitsplatz, wo immer wir in zwischenmenschlichen Beziehungen stehen. Der Frieden fängt, wenn, dann in uns selbst an: dass wir bedingungslos friedlich und stets zur Versöhnung bereit leben.

Der Gruß Jesu am Ostertag, der sein erstes Wort an die Jünger ist, lautet: Der Friede sei mit euch. Wo dieser Friede, der Friede mit Gott, der Friede mit den Mitmenschen in uns lebt, da beginnen unfehlbar Finsternisse abzuspringen; da hämmern die Glocken des Ostertages nicht vergeblich gegen die Mitternächte und ihr Dunkel; da dürfen wir uns freuen, dass das Tröstliche und Freudvolle des Ostermorgens in uns selbst gelingt in der Gnade des Auferstandenen.

Pfr. Bodo Windolf

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