Predigt vom 19. Juni 2003

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Gedanken zur "Eucharistische Gastfreundschaft"
Predigttext

St. Severin Garching

Fronleichnam 19. Juni 2003

Les: Ex 24,3-8; Hebr 9,11-15
Ev: Mk 14,12-16.22-26

Einige Gedanken zum Thema der "Eucharistischen Gastfreundschaft"

"Eucharistische Gastfreundschaft": ein Begriff, der vor allem im Zusammenhang mit dem diesjährigen ersten ökumenischen Kirchentag zu einem Schlagwort geworden ist, an dem sich einmal mehr die ökumenischen Geister scheiden. Von evangelischer Seite gewährt und erhofft, wird sie von katholischer Seite verweigert. Es scheint, dass dieser von so vielen ersehnte weitere Schritt einer ökumenischen Annäherung durch ein gegenseitiges Einladen zum Abendmahl beziehungsweise zur Eucharistie wieder einmal an der sturen Haltung der katholischen Kirche scheitert, zumal an der des Papstes, der in seiner Eucharistie–Enzyklika vom Gründonnerstag dieses Jahres einer allgemeinen eucharistischen Gastfreundschaft eine ausdrückliche Absage erteilt hat. Die evangelische Kirche erscheint demgegenüber viel offener zu sein . Jedenfalls ist so das Bild der beiden großen Konfessionen in Deutschland.

Nun lernen aber doch schon Kinder, dass man andere nicht ausschließen soll! Mir scheint, dass es ein Gedankengang etwa dieser Art ist, aus dem heraus ein allgemeines Unverständnis der katholischen Position gegenüber entsteht. Doch vielleicht liegen die Dinge etwas komplizierter. Es war eine ausgesprochen faire Geste, als der Präses der Evangelischen Kirche Deutschlands Manfred Kock feststellte, dass es sich die Angreifer katholischer Positionen manchmal doch zu leicht machten, indem sie oberflächlich argumentierten statt in die Tiefe zu gehen. Um zu einem fundierten Urteil zu kommen, ist es vielleicht einmal gut, den derzeitigen Stand der Ökumene vor allem hier in Deutschland aufzuzeigen.

Das herausragende ökumenische Ereignis der letzten Jahre war ohne Zweifel die am 31. Oktober 1999 erfolgte Unterschrift unter die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" durch den Lutherischen Weltbund und Rom. Einer der größten Stolpersteine, der zur Reformation geführt hatte, schien aus dem Weg geräumt. (Es ging dabei, in aller Kürze, um die Frage, ob unser ewiges Heil Gott allein wirkt und schenkt ohne jedes menschliche Zutun oder ob der Mensch hierbei mitwirkt, was die katholische Position war und ist.) Diese Sache hatte und hat allerdings einen Schönheitsfehler. Von den deutschen evangelischen Landeskirchen hatte nur eine, die bayerische, uneingeschränkt zugestimmt, drei hatten die "Gemeinsame Erklärung" rundweg abgelehnt, die übrigen sagten nur ein eingeschränktes Ja: ein Ja dazu, dass die Lehrverurteilungen der Reformationszeit die heutige katholische Kirche nicht mehr treffen, aber Nein dazu, dass ein Grundkonsens in der Rechtfertigungslehre erreicht worden sei. Bestärkt wurde dieses aus deutscher evangelischer Sicht insgesamt eher negative Votum zur "Gemeinsamen Erklärung" durch den vehementen Protest gegen sie von 243 evangelischen Hochschulprofessoren und -lehrern, also den wichtigsten Multiplikatoren evangelischer Theologie, die ihren Protest per Unterschrift unter eine Gegenerklärung bekräftigten.

Im Jahr 2000 kam dann ein "Hammer" aus Rom: "Dominus Iesus". Jeder wahre Ökumeniker hätte sich diese Enzyklika im Ton freundlicher und sensibler gewünscht. Inhaltlich aber brachte sie nichts Neues; weder einen ökumenischen Fortschritt noch einen Rückschritt. Denn sie wiederholte nur und bekräftigte, was das II. Vatikanische Konzil über das Selbstverständnis der katholischen Kirche im Vergleich zur orthodoxen und evangelischen Kirche gesagt hatte. Im Klartext: Die katholische Kirche hat ein anderes Kirchenverständnis als die evangelische und erkennt sie daher nicht in vollem Sinn als Kirche an.

Kurze Zeit später kam die evangelische Replik mit dem EKD-Papier "Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis", die das andere Kirchenverständnis bestätigt. Katholischen Lehren wurde ein klares "wir widersprechen" entgegengehalten, das übrigens hinter schon erreichten Annäherungen weit zurückblieb. Kardinal Walter Kaspar, ein Ökumeniker von Kopf bis Fuß, äußerte dazu, dass es "so schroff, aber auch so undifferenziert" gesagt sei, dass "Dominus Iesus" demgegenüber "geradezu als ein freundlicher ökumenischer Text erscheint."

Fast zur selben Zeit wie "Dominus Iesus" wurde ein weiteres Verständigungspapier veröffentlicht: "Communio Sanctorum". Darin werden Annäherungen versucht in den bislang am heftigsten umstrittenen Fragen: es geht um Marien- und Heiligenverehrung, um das Verhältnis von Schrift, Tradition und Lehramt, um die Frage nach dem Priester- und vor allem auch dem Papstamt. Während die (katholische) deutsche Bischofskonferenz bei ihrem letzten Treffen in Freising das Dokument in einer Stellungnahme insgesamt ausgesprochen positiv gewürdigt hat, fallen die bisherigen Stellungnahmen von evangelischer Seite geradezu vernichtend aus; am gewichtigsten ist darunter die der theologischen Kammer der Evangelischen Kirche Deutschlands.

Liebe Gemeinde

Wie sind diese jüngsten Entwicklungen zu deuten? Bedeuten sie eine ökumenische Eiszeit? Mir scheint, dass der ökumenische Kirchentag und vieles andere, das auf Pfarrei-Ebene, gerade auch bei uns in Garching, aber auch auf den Leitungs-Ebenen der Kirchen geschieht, das Gegenteil beweisen. (Bei dieser Gelegenheit möchte einmal die ausgesprochen schöne und gute Zusammenarbeit mit Pfarrer Kobilke und anderen Mitgliedern der evangelischen Laudate-Gemeinde erwähnen.) Wohl aber versuchen beide Seiten, sowohl die evangelische wie die katholische, und zwar wie ich meine, ganz und gar legitimer weise, ihrer jeweiligen Identität deutlicheren Ausdruck zu verleihen. Denn es stimmt, was wiederum der oben schon zitierte Manfred Kock sagt: "Das Profil der eigenen Kirche muss deutlich werden, um überhaupt wahrhaft dialogfähig sein zu können." Das aber heißt: Es kann und es wird kein Zurück geben hinter die ökumenischen Bemühungen und das schon Erreichte – und das ist sehr, sehr viel. Nur sind wir offensichtlich jetzt bei den wirklich "harten Brocken" des ökumenischen Gespräches angelangt; und es wird viel Zeit, Geduld, Gebet und immer wieder ein neues Hören auf das Evangelium Jesu Christi von beiden Seiten brauchen, um zu einer versöhnten Verschiedenheit zu gelangen.

An diesem Punkt frage ich mich nun aber: Wie kann man auf der einen Seite katholischen Positionen immer wieder so heftig widersprechen und sie teils indirekt, teils auch direkt als nicht evangeliumsgemäß, und das heißt: als im Widerspruch zur Lehre Jesu bezeichnen, und zugleich zum Abendmahl einladen? Auf Martin Luther kann man sich diesbezüglich in keiner Weise berufen. Als es 1529 zum so genannten "Marburger Gespräch" Luthers mit dem schweizerischen Reformator Huldrych Zwingli kam, bei dem man sich nicht einigen konnte, zerbrach die reformatorische Bewegung erstmals just am unterschiedlichen Abendmahlsverständnis. Die Einheit in der Lehre war aber auch für Martin Luther so wichtig, dass es in der Folge über vierhundertvierzig Jahre hinweg keine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft selbst innerhalb der verschiedenen evangelischen Kirchen gab. Dies änderte sich aufgrund erzielter Übereinstimmungen in wichtigen Fragen der Abendmahlslehre erst vor genau dreißig Jahren, nämlich mit der 1973 verabschiedeten so genannten "Leuenberger Konkordie", aufgrund derer sich inzwischen 103 evangelisch-lutherische, reformierte, unierte und andere evangelische kirchliche Gemeinschaften Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewähren. Ähnliche Übereinkkünfte gibt es mit der anglikanischen und altkatholischen Kirche. Warum es mit uns Katholiken nicht notwendig erscheint, betrachte ich zumindest als verwunderlich.


Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht betrachten Sie das alles als lästiges Theologengezänk, während man an der Basis das alles für nicht so wichtig nimmt und eigentlich schon viel weiter ist. Aber ich meine: wenn die Kirchen in wichtigen Fragen des Glaubens nicht miteinander, sondern neben- oder gar gegeneinander glauben, dann wird die gemeinsame Eucharistie auf Dauer zu einer hohlen und unwahrhaftigen Geste. Die katholische Kirche, die in allen ökumenischen Entscheidungen ja immer auch die orthodoxe Kirche im Blick behalten muss, weiß sich mit dieser einig: die Gemeinschaft in der Eucharistie setzt die Gemeinschaft in fundamentalen Fragen des Glaubens voraus, weil sonst Zeichen und Wirklichkeit auseinander klaffen, weil das Miteinander im Zeichen kein Neben- oder Gegeneinander im Glauben verträgt.

An diesem Punkt macht die Eucharistie-Enzyklika übrigens einen deutlichen Schritt ökumenischen Entgegnkommens, indem der Papst ausführt: Wer auch als Nichtkatholik aus einem tiefen geistlichen Bedürfnis heraus nach der Eucharistie verlangt, kann herzutreten, wenn er diesbezüglich den katholischen Glauben bekennt. Kaspar nennt als Kriterium, zum eucharistischen Hochgebet das "Amen", das "Ja, ich stimme zu" sagen kann. Fairerweise wäre das allerdings in einem Gespräch mit dem zuständigen Pfarrer zu klären.

Zum Schluss eine Anregung: In den skandinavischen Ländern ist es üblich, dass Katholiken bis hin zum Bischof, die einen evangelischen Abendmahlsgottesdienst mitfeiern, mit verschränkten Armen nach vorne treten, um so anzuzeigen, dass sie sich vom evangelischen Pfarrer segnen lassen wollen. Und umgekehrt wird dasselbe praktiziert. Mir scheint: Von diesem respektvollen und zugleich wahrhaftigen Umgang miteinander können wir deutschen Christen durchaus lernen. Und so gilt: Was wir gemeinsam tun können, sollten wir noch viel intensiver miteinander tun, durchaus auch zahlenmäßig intensiver, denn ökumenische Gottesdienste sind bisweilen sehr kläglich besucht. Was nicht geht, hoffentlich noch nicht, sollten wir nicht in respektlosem Sturm nehmen, sondern uns bei allem notwendigen menschlichen Bemühen von dem schenken lassen, der in eucharistischer Gestalt unter uns weilt und den wir heute in der Prozession verehren und anbeten: Jesus Christus, der unser Friede und unsere Versöhnung ist und das Ziel aller Einheitsbemühungen der Christenheit.

Pfr. Bodo Windolf

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