Predigt vom 6. Juli 2003

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Festgottesdienst Heimatverein"
Predigttext

St. Severin Garching

Predigt zum 50-jährigen Jubiläum des Heimatvereins Garching

14. Sonntag im Jahreskreis, 6. Juli 2003
Les: Ez 1,28b-2,5; 2 Kor 12,7-10
Ev: Mk 6,1b-6

Fünfzig Jahre Heimatverein Garching. Die Zeit damals, 1953, ist die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, die Zeit des sich anbahnenden, nein, des schon in vollem Gang befindlichen deutschen Wirtschaftswunders. Was im 19. Jahrhundert mit der industriellen Revolution begann, setzt sich nach dem Krieg in immer rasenderer Geschwindigkeit fort: die Technisierung unserer Welt, die zwar zu nie dagewesenem Wohlstand führt, aber auch zu ungeheuren Umwälzungen unserer Lebensverhältnisse, nicht nur im städtischen, sondern immer mehr auch bis in den ländlichen Bereich hinein. Das, was für frühere Menschen einfachhin die Heimat war, besonders auf dem Dorf, wird durch die neuen Entwicklungen in Frage gestellt, zu großen Teilen auch zerstört.

Heimat – wofür steht sie? Sie steht dafür, dass ein Mensch sagen kann: hier bin ich geborgen, hier fühle ich mich zu Hause, hier habe ich meine Wurzeln, hier bin ich aufgefangen, eingebettet und getragen, besonders auch in schweren Zeiten, getragen und eingebettet in einer Gemeinschaft, hier gewinnt mein Leben Halt, Sicherheit, Kraft, Freude. Und sie steht für das, was sie trägt: Brauchtum, Gemeinsinn, Einstehen füreinander, nicht zuletzt auch die Einbettung des Lebens in religiöse Bräuche und Feste und einen von allen geteilten und gelebten Glauben.

Vor drei- oder vierhundert Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, einen Heimatverein zu gründen, weil es nicht notwendig war. Aber die Gründungsväter und –mütter des hiesigen Heimatvereins haben erkannt: Wir müssen aktiv werden, damit etwas von dem bewahrt bleibt, was uns inmitten all dieser Umbrüche und Umwälzungen dennoch das Gefühl gibt: hier in Garching ist meine Heimat und hier fühle ich mich auch heimisch. Die Kunst ist meines Erachtens, das bewahrenswerte Erbe der Vorfahren so weiter zu pflegen, dass es nicht zur Heimattümelei und zu künstlicher Nostalgie, verkommt, sondern dass es echt bleibt. Und mir als Nicht-Garchinger und sogar Nicht-Bayer scheint, dass dies beim Garchinger Heimatverein in wirklich guter Weise glückt, und dazu kann ich Sie wirklich nur beglückwünschen.

Von hier aus möchte ich nun einen Bogen zum heutigen Evangelium schlagen. Jesus kommt dorthin, wo für Ihn die irdische Heimat war, in seine Heimatstadt Nazareth. Dabei kann von Stadt allerdings keine Rede sein, denn Nazareth war damals ein kleiner Weiler von vielleicht gerade einmal 100 – 150 Leuten. Auch hier will Jesus mit dem Evangelium, das Er schon an vielen Orten verkündet hat, heimisch werden.

Die erste Reaktion ist, wie so oft, Staunen über die Macht Seiner Rede. Sicher war Ihm auch der Ruf als Wunder wirkender Rabbi schon vorausgeeilt. Doch dann erheben sich Einwände: Wir haben uns den Messias ganz anders vorgestellt! Nicht so gewöhnlich wie dieser da! Den kennen wir doch! Seine Verwandten leben unter uns! Ist das nicht dieser Zimmermann, der mir mein Haus gebaut hat, der Sohn unserer Nachbarin Maria? Wenn Gott handelt, muss Er es doch viel größer tun, überwältigender, augenscheinlicher!

So oder so ähnlich mögen die Gedanken der Zuhörer Jesu gewesen sein. Und so nimmt man in Nazareth und wohl auch bis in Seine Familie hinein gewaltigen Anstoß an Ihm.

Das Problem der Menschen in Nazareth ist durchaus auch das Problem der Menschen von heute. Es scheint vielen, als würde Gott sich viel zu wenig, vor allem viel zu wenig deutlich bezeugen. Doch offensichtlich ist es einfach Seine Eigenart, dass Er damals wie heute anders handelt und sich bezeugt, als wir es erwarten; dass Er es liebt, das Große vor allem im Kleinen und Unscheinbaren, im wenig Spektakulären zu tun. Und da Gott in der Regel das Einfache und Schlichte bevorzugt, gilt es, genau darin Sein Wirken zu entdecken.

Doch dazu sind die Leute in der Synagoge zu Nazareth nicht bereit. Die Vorurteile, vielleicht auch das Nicht-sehen-Wollen haben bei ihnen verhindert, Jesus glaubend als den Messias zu erkennen. So kann Er sich nur über ihren Unglauben wundern, was dazu führt, dass Er, wie es ausdrücklich heißt, in Seiner Heimat kaum Wunder zu wirken vermochte.

Diese kurze Bemerkung zeigt nun aber etwas sehr Wichtiges über das Wunderverständnis des Neuen Testaments. In Seinen Wundern demonstriert Jesus nicht eine Art Zaubermacht, über die Er verfügen würde, sondern sie haben den Glauben der Menschen an Ihn, Jesus, zur nicht hinreichenden, wohl aber notwendigen Voraussetzung. Der Glaube ist es, durch den überhaupt erst der Raum geschaffen wird, in den hinein Gott, in den hinein Jesus Seine Wunder wirken kann. Damit ist unser Glaube eine Art Resonanzraum für Gottes Wirken in uns und unter uns. Wenn wir heimisch sind in Gott, und Gott heimisch in uns, dann wirkt Er bis heute Seine kleinen und großen Wunder. Entscheidend ist daher nicht das Spektakuläre, sondern allein, dass Gott, dass Jesus Christus wirken kann durch den Raum des Glaubens, den wir Ihm zur Verfügung stellen.

Dass Er tatsächlich auch heute kleine oder auch große Wunder wirkt, dazu möchte ich ein persönliches Zeugnis geben. Gestern vor drei Wochen hatte ich einen Unfall. Die, die mich kennen, ahnen sicher auch, womit, nämlich mit dem Fahrrad. Ich wurde von einem Auto erfasst und es waren nur Zentimeter oder Bruchteile einer Sekunde, die mich vom Tod oder zumindest schwersten Verletzungen getrennt haben. Diese winzige Spanne zwischen Leben und Tod – wie soll ich sie deuten? Manche werden sagen: Zufall! Glück gehabt! Ich selbst bin überzeugt, dass da noch jemand anderer Seine Hand im Spiel hatte. Ich glaube einfach nicht an den Zufall, sondern an Den, für den das Wort "Zufall" nur der Platzhalter ist. Für mich war es eindeutig das "Wunder" der schützenden Hand Gottes, die mich vor Schlimmerem bewahrt hat, und ich feiere diese hl. Messe, in der ich das erzähle, auch ganz bewusst als Dankgottesdienst für das gleichsam neu geschenkte Leben.

Schließen möchte ich mit dem Wunsch an Sie, die Mitglieder des Heimatvereins, dass Sie mithelfen, dass Garching auch weiterhin für viele Menschen Heimat ist und bleibt; dass vor allem aber auch Gott in Garching heimisch bleibt und der Glaube an Jesus Christus, damit Er mitten unser uns in unser Leben hinein Seine kleinen und großen Wunder wirken kann.

Pfr. Bodo Windolf

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