Predigt vom 21. Dezember 2003

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Adventspredigten Kardinal Faulhabers ... 
Predigttext

Vierter Adventssonntag 21. Dezember 2003
Les: Mi 5,1-4a; Hebr 10,5-10
Ev: Lk 1,39-45

Zum  70. Jahrestag der Adventspredigten Kardinal Faulhabers

Das Begehen von Jahrestagen, Geburtstagen und Jubiläen ist in unserer Zeit geradezu zu einer Leidenschaft geworden. Kaum ein Ereignis, das der Erinnerung wert erscheint, wird ausgelassen. Besonders was die Gedenktage im Zusammenhang mit der Nazidiktatur angeht, empfinden viele Deutsche sogar eine moralische Verpflichtung zu solchem nach-denkenden Erinnern. So gut wie ausschließlich betrifft es dann allerdings negative, schreckliche, bis heute mit Scham und Entsetzen erfüllende Ereignisse. Um so verwunderlicher erscheint es mir, dass ein Ereignis aus der Zeit des Dritten Reiches, das sich in diesen Wochen zum siebzigsten Mal jährt und ganz und gar positiver Art ist, zumindest nach meinem Wissen so gut wie keine öffentliche Beachtung gefunden hat; vielleicht auch deswegen, weil es nicht in das Klischee passt, das man sich heute von der Rolle der katholischen Kirche während des Dritten Reiches macht. Weil es im positiven Sinn - besonders nach der unsäglichen Hohmann Rede – des Gedenkens wert ist und zudem noch ortskirchliche Bedeutung hat, möchte ich heute einmal nicht zu den heutigen Lesungstexten predigen, sondern statt dessen an die vier Adventspredigten und die Silvesterpredigt erinnern, die der Münchner Kardinal Faulhaber 1933 noch im Jahr der Machtergreifung Hitlers in St. Michael gehalten hat. Der Zulauf war so groß, dass sie noch in zwei weitere Kirchen übertragen werden mussten, die genauso gesteckt voll waren wie St. Michael. In über 200.000 Exemplaren wurden sie gedruckt, in sieben Sprachen übersetzt und fanden nicht nur im Ausland, sondern gerade auch bei den jüdischen Mitbürgern große Beachtung.

Thema war die Bedeutung des Alten Testaments, also des jüdischen Teils der Bibel, für die Christen. Natürlich war es mit Bedacht gewählt, auch wenn Faulhaber betonte, dass es ihm nicht um das zeitgenössische Judentum gehe. Dies war eine politisch notwendige Schutzbehauptung, um sich gegen die amtierenden Machthaber abzusichern. Denn noch immer gab es den so genannten Kanzlerparagraphen, der aus dem preußisch-bismarkschen Kulturkampf vor allem gegen die katholische Kirche stammte und es den Geistlichen verbot, auf der Kanzel gegen staatliche Politik Stellung zu beziehen. In Zeiten totalitärer Herrschaft hört man viel genauer, was zwischen den Zeilen gesagt wird, und die Zuhörer und Leser dieser Predigten verstanden sehr genau, was Kardinal Faulhaber auch sagen wollte. Ich kann nur einige ganz wenige der markantesten Punkte herausgreifen.

In der ersten Predigt wendet Kardinal Faulhaber sich zunächst einmal gegen alle kirchlichen Tendenzen, damals vor allem aus dem evangelischen Bereich, das Alte Testament, weil jüdisch, preis zu geben. Dies tat die große Masse der evangelischen „Deutschen Christen“, gegen die es, Gott sei Dank, auch innerhalb des deutschen Protestantismus seit 1934 eine Gegenbewegung gab, die „Bekennende Kirche“. Kardinal Faulhaber betont ausdrücklich gegen solche Tendenzen, dass wir Christen unsere eigene Religion gar nicht verstehen würden, wenn wir keine Ehrfurcht vor der jüdischen hätten.

In der zweiten Predigt spricht er über die alttestamentlichen Vorbilder und hebt unter anderem den „Führer“, nämlich den Führer Moses als leuchtendes Beispiel der Liebe zum eigenen Volk hervor.

In der dritten Predigt geht es um die sozialen Werte des Alten Testaments. Wer zu hören vermochte, der verstand einen Satz wie den folgenden sehr genau: „Die Wiege der Humanität stand in Palästina, nicht in Hellas (und auch nicht, wie Kardinal Faulhaber zwar nicht sagte, aber jeder ergänzen konnte, in Germanien.) Und er fuhr fort: „Die Menschenrechte werden dort nicht geächtet, wo die Gottesrechte geachtet werden.“

Nachdem er in seinen weiteren Ausführungen die für unsere abendländische Kultur so grundlegende Höhe der alttestamentlichen Sozialethik angeführt hat, stellt er seine braunen Gegner vor ein echtes Dilemma: „Wer nicht an die Inspiration glaubt und diese Bücher nicht als Gottes Wort und Gottes Offenbarung entgegennimmt, der muss das Volk Israel für das Übervolk der Weltgeschichte halten. Es gibt keine andere Wahl als dieses Entweder-Oder :Entweder glauben wir an die Inspiration der Heiligen Bücher oder wir müssen dem jüdischen Volk sagen: „Du bist die genialste Rasse der Weltgeschichte,“ (wobei für Faulhaber natürlich auch die Überzeugung von der Inspiration der alttestamentlichen Bücher der Ehre des jüdischen Volkes keinen Abbruch tut, Adressat dieser göttlichen Offenbarung zu sein).

Das solche Hinweise auf das jüdische Erbe unserer Kultur die braunen Schergen in Weißglut versetzte, was Kardinal Faulhaber die Bezeichnung „Judenkardinal“ und am 27. Januar 1934 (ohne Zweifel als Reaktion auf seine Predigten) einen Mordanschlag einbrachte, kann man sich leicht denken.

In der die Predigtreihe abschließenden Silvesterpredigt zum Thema „Christentum und Germanentum“ relativiert Kardinal Faulhaber zuletzt noch das idealisierte Bild, das die Nazi-Ideologen von den germanischen Vorfahren zeichneten, und sie gipfelt in dem Satz, der sich eindeutig gegen die ganze krude germanische Blut- und Boden-Ideologie der Nazis richtet: „Wir sind nicht mit deutschem Blut erlöst. Wir sind mit dem kostbaren Blut unseres gekreuzigten Herrn erlöst.“

Von den vielen Briefen, die Kardinal Faulhaber vor und nach dem Krieg von Juden erhielt, möchte ich aus einem zitieren. So schrieb ein gewisser Leopold Kuenstler aus Jerusalem: „Friedens- und Segenswünsche aus der Heiligen Stadt, die der Herr wiedererbauen möge, bald und in unseren Tagen!

Es wird Euer Emminenz verwundern, einen Gruß zu bekommen von einem Juden aus dem Heiligen Lande. Indes, seit ich, der ich in Straubing geboren und aufgewachsen bin, im Jahre 1938 Bayern verließ, um mich hier im Lande meiner Väter anzusiedeln, ist es meine Absicht gewesen, Euer Emminenz meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank auszusprechen für die unschätzbare Wohltat, die Euer Emminenz im Dezember 1933 Hunderttausenden deutschen Juden angedeihen ließen durch die Kraft, die von den Adventspredigten jenes Jahres ausging.

Zunächst drangen diese Predigten nur als Gerüchte ins Bayernland, als Gerüchte, die zögernd aufgenommen wurden, weil niemand recht glauben wollte, dass in Deutschland jemand den Mut habe, mit solch tapferer Offenheit zu sprechen. Zu Anfang des Jahres 1934 aber, als die Predigten im Drucke erschienen, erstand ich die Heftchen, und ich habe sie seither oft und oft gelesen. Ich habe die Predigten auch mit ins Heilige Land genommen, als ich Deutschland verließ. Seither habe ich sie vielen Freunden zu lesen gegeben, damit sie verstehen mögen, warum ich als religiöser Jude, der ich mich stolz nenne, zu einem katholischen Kirchenfürsten in soviel Verehrung und Liebe aufblicke. (...) Euer Emminenz´ 1933er Adventspredigten haben damals Licht und Trost in die Herzen vieler, vieler deutscher Juden gebracht, die erste Aufrichtung, seit im Januar 1933 das Unglück begonnen hatte. Mein armer Vater – mit ihm sei der Friede -, ein streng orthodoxer Jude, der im Jahre 1942 im Konzentrationslager Milbertshofen starb, ehe er den Weg in die Gaskammer antreten musste, bewahrte die Predigten stets wie ein kostbares Gut. So: Nochmals aufrichtigen Dank Eurer Emminenz und ein herzliches „Vergelt´s Gott!“


Liebe Gemeinde,

die Adventszeit, in der Kardinal Faulhaber diese Predigten gehalten hat und in der wir uns jetzt befinden, ist die Zeit im Kirchenjahr, die wie keine andere das adventliche Warten Israels auf den Messias erinnert und daher auch daran, dass das jüdische Erbe fortlebt im Christentum, dass hier dessen Wurzeln sind, die im Christentum aufgenommen, gereinigt und vertieft und vor allem universalisiert worden sind; und zwar durch niemand anderen als den Juden Jesus selbst, geboren und gestorben für sein Volk, aber nicht nur für das seine, sondern für alle Menschen aller Rassen, und aller Sprachen. Durch ihn ist das jüdische Erbe allen Menschen zugänglich geworden.


Pfr. Bodo Windolf

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