Predigt vom 24. Dezember 2003

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Christus in Betlehem geboren ... 
Predigttext

Heiliger Abend 24. Dezember 2003
Les: 2 Sam 7,1-5.8b-12.14a.16
Lk: 1,67-79

„Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren, und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“ (Angelus Silesius)

Es war der Tauftag des kleinen Klaus. Die ganze Familie, Verwandte und Freunde hatten sich in der Kirche eingefunden, um dabei zu sein, wenn Klaus durch das heilige Sakrament den Christennamen empfangen und in die Gemeinschaft der Christusgläubigen aufgenommen würde. Die Feier war schön, und man begab sich zur Familie von Klaus, um dort bei Kaffee und Kuchen den festlichen Anlass zu begehen. Die Mutter hatte den Kinderwagen mit dem Kleinen darin bei der Garderobe abgestellt, um schnell noch die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Gäste kamen, sie legten ihre Mäntel ab, schnell war die Garderobe belegt. Da warf der erste achtlos seinen Mantel über den Kinderwagen, nicht achtend, dass der Kleine darin schlief. Der nächste tat es ihm nach, und ehe man es sich versah, stapelte sich ein ganzer Berg von Jacken, Mänteln und Pelzen auf dem Kinderwagen. Man saß schon beim Kaffee, da kam auch die Mutter zur Ruhe, wollte sich gerade setzen – und vermisste ihr Kind. Wo war es nur? Ach, bei der Garderobe. Es muss doch bei uns sein und mit feiern, als Hauptperson dieses Tages. Als sie vor dem Kinderwagen stand, der kaum mehr sichtbar war unter dem Kleiderberg, durchfuhr es sie wie ein Stich ins Herz. In panischem Schreck warf sie die Kleidungsstücke zu Boden. Friedlich lag es da, wie schlafend, doch – es war tot, erstickt.


Liebe Schwestern und Brüder,

eine so traurige Geschichte zum Fest der Freude, das Weihnachten doch nun einmal ist? Ich habe es gewagt, eine solche Geschichte zu erzählen in der Hoffnung, dass Sie verstehen, worauf ich mit ihr hinaus will. Dabei denke ich nicht einmal so sehr an die unsäglichen Begleiterscheinungen dieses Festes von Kitsch, Kommerz, Geschenkeflut, die nur zu oft als Abschlagszahlung für vorenthaltene Liebe und Zuwendung unterm Jahr herhalten muss, und, und, und. Dass in diesem ganzen Betrieb das Kind selbst, das Gotteskind schon längst tot ist, erstickt, zur absolut uninteressanten Nebensache geworden ist, weil es um ganz andere Interessen geht, gehört wohl zu den unvermeidbaren Übeln unserer Zeit.

Nein, in erster Linie geht es mir mit der Geschichte um uns selbst, die wir hier miteinander die Christmette feiern. Die Geschichte stellt eine Frage an uns alle; an mich, an jeden von uns. Nämlich die Frage: Lebt das Kind eigentlich in mir? Lebt es in meinem Leben? Hat es einen Platz in meinem Leben, und zwar in meinem alltäglichen Leben, nicht nur an Weihnachten!? Oder spielt es darin eigentlich keine Rolle, ist es für mich und mein Leben tot, erstickt an den Sorgen des Alltags, heute kurz erinnert, morgen schon wieder vergessen?


Liebe Gemeinde!

Dass das Kind selbst, dass Jesus Christus lebt und nicht mehr getötet werden kann, das glauben wir als Christen. Durch Geburt und Tod ist es hindurchgegangen zur Auferstehung ins ewige, unzerstörbare Leben, und zwar für uns und zu unserem Heil. Aber dieses Kind Jesus Christus, will nicht nur hoch oben im Himmel leben, - nein, er will weiterhin hier unten auf der Erde sein, unter uns, in uns, mit uns, für uns. In diesem Sinn dichtete Angelus Silesius: Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren, und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.

Was will das konkret heißen? Einige Beispiele:

Jeden Sonntag feiern wir gleichsam ein Abbild von Weihnachten. Wir feiern, dass Christus wieder und wieder zu uns auf die Erde herabsteigt; dann aber nicht in Gestalt eines Kindes, sondern in Gestalt von Brot und Wein, um uns zur Speise zu werden. Wie in die Krippe von Betlehem, so will Er sich Sonntag für Sonntag in die Krippe unserer leeren und geöffneten Hände legen. Und Ihn heute in der Krippe unserer Hände zu empfangen, wird daher auch nur dann nicht zu einer leeren Geste, die mehr schadet als dass sie geistlich nützt, wenn wir sie oft und immer wieder vollziehen auch unterm Jahr. Natürlich ist der Sinn dieses Kommens Jesu zu uns in der Eucharistie, dass unser Herz selbst zu einer Krippe für Ihn wird. Und ein Mensch, in dem Christus wirklich lebt, durch den kann jeder Tag zu einem weihnachtlichen Tag werden.

Dann ist Weihnachten immer dann, wenn ich, wenn solch ein Mensch ein vielleicht noch so kleines Licht in der Nacht und in der Not eines Menschen anzündet. Dann ist Weihnachten, wenn ich etwas ohne Berechnung rein aus selbstloser Liebe tue. Dann ist Weihnachten in den Augen eines Schwerstkranken oder Sterbenden, den ich besuche oder gar begleite. Dann ist Weihnachten überall da, wo etwas von der Liebe Gottes, von der Liebe Jesu Christi in mir selbst brennt und ich sie anderen Menschen weiter gebe. Diese Liebe lebt in mir, wenn Christus in mir lebt, als mein Freund, als tragender Grund meines Lebens, meines Christ seins. Daher ist es letztlich das Kind selbst, Jesus selbst, der mich fragt: Bin ich für dich wie ein Toter? Oder darf ich in dir leben, darf ich dein Leben formen, als dein Erlöser, als dein Arzt, als dein dienender Herr, als dein Freund?

Pfr. Bodo Windolf

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