Predigt vom 1. Mai 2004 (erste Maiandacht)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Was soll Marienverehrung?"
Predigttext

St. Severin Garching
Erste Maiandacht
Was soll Marienverehrung?

Maria hat innerhalb katholischer und genauso innerhalb orthodoxer Frömmigkeit und Spiritualität einen unverrückbaren Platz. Inzwischen gibt es auch gar nicht so wenige evangelische Christen, für deren geistliches Leben Maria wichtig geworden ist.

Warum ist Maria eigentlich so wichtig? Warum lassen wir es uns in unsrer Frömmigkeit nicht genug sein an Gott, um den es doch eigentlich geht? Warum nicht genug sein an Jesus Christus, der doch der Mensch schlechthin und daher das einzig maßgebliche Vorbild für unser Christsein und Menschsein ist? Warum tritt noch Maria hinzu? Lenkt sie nicht ab? Stellt sie sich am Ende nicht sogar zwischen Gott und uns, so dass sie uns geradezu den Blick verstellt auf das eigentliche Zentrum unseres Glaubens, das niemand anderer ist als Gott allein, Gott, unser Vater mit seinem Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist?

Ich will die Antwort einmal zugespitzt formulieren: Das eigentliche Vorbild des Glaubens, das eigentliche Vorbild für uns glaubende Menschen, ist nicht Jesus Christus, sondern Maria. Denn Jesus ist letztlich nicht Vorbild des Glaubens, sondern Gegenstand des Glaubens. Während wir an Ihn glauben, glauben wir niemals „an“ Maria, aber wir glauben mit ihr und sie mit uns.

Intuitiv haben unzählige Christen in Ost und West immer wieder erkannt, dass an Maria in unüberbietbarer Weise deutlich wird, wie glauben geht, wie hoffen und vertrauen geht, wie lieben geht, wie überhaupt Mensch sein geht, wie all das geht selbst dann, wenn das Leben einem das Herz zerreißt. Die Pietá, die Mutter, die ihren toten Sohn im Arm hält, ist zu einem Urbild des Glaubens inmitten der Schrecknisse des Lebens geworden.

In Entsprechung dazu hat die Kontemplation der glaubenden Menschen immer gewusst, dass das „Fiat“ Marias, dass ihr „Ja“ zu Gott, dass ihr „An mir geschehe alles, was du, Gott, von mir verlangst und willst und mir zumutest“ – dass dieses Ja zu Gott und Seinem Willen ein uneingeschränktes, bedingungsloses, mit keinem noch so leisen Nein vermischtes Ja war. Jedes Ja, dass wir zu Gott sprechen, ist gleichsam ein mehr oder weniger starkes Echo ihres Ja-Worts. Und weil es in unserem Leben letztlich darauf ankommt, immer mehr mit Maria und wie Maria Ja zu sagen zu Gott, zu Jesus Christus, zum Mitmenschen neben mir und um mich herum – darum verdeckt sie uns nicht den Blick auf Gott, sondern im Gegenteil: sie macht ihn frei, damit wir uns wie sie auf Ihn ausrichten.

Dass sie auf diese Weise die maßgebliche, die Maß gebende Christin ist, zeigt sich noch in einem anderen Aspekt, den ich vom morgigen Sonntag her beleuchten möchte. Es ist der Gute-Hirte-Sonntag, der als solcher zugleich Weltgebetstag für geistliche Berufungen ist.

Die beiden grundlegenden Berufungen, die es in der Kirche gibt, sind in Maria vereint. Von Anfang an wird sie zugleich als Jungfrau und Mutter verehrt. Die Berufung zur Jungfräulichkeit, also zur Lebensweise Jesu selbst, zur Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen hat in Maria genauso ihr Urbild wie die Berufung zu Ehe und zur Elternschaft. Dass sie, die gegenüber dem Engel einwandte: „Wie kann das geschehen, da ich doch keinen Mann erkenne“, dennoch Mutter wurde, verdankt sie allein dem über alles Erwartbare hinausgehenden Wirken Gottes an ihr.

Die Fruchtbarkeit ihrer Jungfräulichkeit, ihres ganzen Lebens, ihres Glaubens liegt darin, dass sie in restloser Offenheit alles Gott überlässt. Hier ist alles Gnade, weswegen der Engel sie auch begrüßt mit: „Du bist voll der Gnade.“ Zugleich trifft hier die Gnade auf keinerlei Widerstand, sondern auf ein restlos offenes Gefäß für das gnädige Wirken Gottes.

Gleich welche Berufung wir leben, ob die der Ehe und Elternschaft oder die der Jungfräulichkeit – Frucht bringen wir in dem Maße, wie wir uns wie Maria der Gnade Gottes öffnen, sie einlassen in unser Leben und aus ihr je unsere eigene Berufung gestalten. So wie Maria beide Berufungen in sich vereint, so sind sie auch aufeinander verwiesen. Mir scheint, dass die Krise der Ehe und Familie in unserer Zeit zusammenhängt mit der Krise der Priester- und Ordensberufungen und umgekehrt. Aus zutiefst christlichen Familien sind ja zu allen Zeiten auch Berufungen zu einem ehelosen Leben als Priester, Ordensleute, Gottgeweihte usw. erwachsen, um sich ganz in den Dienst Gottes und der Menschen zu stellen.

Ich bin sicher, dass es diese Berufungen auch heute gibt. Allerdings müssen wir ihnen auch den Boden bereiten durch unser Gebet und auch durch ein Klima in den Familien und Pfarreien, wo sie wachsen können. In Maria sehen wir urbildlich, wie wichtig beide Berufungen für das Leben der Kirche sind.


Pfr. Bodo Windolf

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