Predigt vom 9. Mai 2004

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Hauptsache gesund !?"
Predigttext

Fünfter Sonntag der Osterzeit 9. Mai 2004
(Heilige Messe mit Krankensalbung)
Les: Apg 14,21-27; Offb 21,1-5
Ev: Joh 13, 31-35
„Hauptsache gesund“!?

Wenn wir jemanden beglückwünschen zu seinem Geburtstag, zu einem Jubiläum oder zu sonst einem Anlass, dann steht bei den meisten Menschen ganz oben auf der Wunschliste die Gesundheit. „Hauptsache gesund“ ist geradezu zu einem Standardwort geworden, das ich immer wieder höre.

Dass Gesundheit ein hoher Wert ist, steht ganz außer Frage. Wie wertvoll sie ist, spüren wir wohl am unmittelbarsten bei ihrer Abwesenheit, also dann wenn wir krank sind. Was vorher selbstverständlich erschien, wird auf einmal zu einer ganz, ganz kostbaren Gabe, die man bei Gesundung wieder neu schätzen lernt. Aber so wichtig und kostbar Gesundheit ist, ich wage dennoch zu fragen: ist sie das Wichtigste, das höchste Gut, ist sie die Hauptsache unseres Lebens, wie das Wort „Hauptsache gesund“ nahe legen möchte?

Wenn wir auf Jesus und die Evangelien schauen, dann können wir in der Tat feststellen: wo immer Ihm Krankheit und Leid begegnen, schenkt Er Heilung und Linderung. Seine heilende Kraft, Seine heilenden Wunder können wir durchaus auch lesen als einen Protest gegen all die Leben zerstörenden Kräfte, denen Menschen oft hilflos ausgeliefert sind. Aber so sehr Er das Leiden bekämpft hat, wo es Ihm begegnete – Er selber ist ihm nicht aus dem Weg gegangen. Es gibt also ein seltsames Paradox, das das ganze Evangelium, die Frohe Botschaft insgesamt durchzieht. Auf der einen Seite fordert Jesus dazu auf und Er selbst tut es auch, Krankheit, Bedrückung, Leid zu verhindern und zu beseitigen, wo immer es uns begegnet und es uns möglich ist. Auf der anderen Seite weiß Er aber auch darum, dass Krankheit und Leid letztlich unvermeidlich auch zum Leben gehören, und das ist trotz aller Fortschritte der Prophylaxe und der Medizin bis heute so geblieben. Dieses Unvermeidliche nennt Er einfach „das Kreuz“, das es täglich zu tragen gilt, und das Er selbst, obwohl Er es sich sicher hätte ersparen können, auch für sich gewählt hat. „Niemand entreißt mir das Leben, ich gebe es freiwillig“, sagt Jesus im Johannes-Evangelium.

Dieses Paradox können wir auch aus der heutigen Evangelien-Perikope heraushören: „Als Judas hinausgegangen war, um Jesus zu verraten und auszuliefern an Seine Henker, sagte Jesus: „Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in Ihm verherrlicht.“ Es ist eine Eigenart des Johannes-Evangeliums, dass es die tiefste Schmach und Erniedrigung Jesu als Erhöhung und Verherrlichung deutet. Johannes verherrlicht damit nicht das Leiden selbst, auch nicht das Leiden Jesu, wohl aber den leidenden Herrn, den aus und in Liebe leidenden Jesus Christus.

Dies beschreibt auch das rechte Verständnis von Krankheit und Leid im Christentum: Leiden zu verherrlichen, zu verharmlosen, es bestehen zu lassen, obwohl es beseitigt oder gelindert werden könnte, wäre ein Hohn und alles andere als christlich. Aber der Leidende selbst, der trägt und erträgt, was sich nicht ändern lässt – er hat Teil an der Herrlichkeit des leidenden Jesus Christus selbst; er hat Teil an der Sinnhaftigkeit des Erlösungsleidens Jesu.

Absolut unchristlich, widerchristlich, unmenschlich, abscheulich ist es, wenn man, anstatt das Leiden zu beseitigen den Leidenden beseitigt, wie dies von nicht wenigen in der ganzen Euthanasiedebatte gefordert wird. Christlich ist, mit Hilfe der medizinischen Möglichkeiten, durch menschliche Begleitung und nicht zuletzt auch durch die Kraft der Sakramente, zum Beispiel des Sakraments der Krankensalbung, das heute gespendet wird, Leid zu lindern oder tragen zu helfen. In diesem Sakrament begegnet uns Christus als jener Arzt und Heiland, wie er damals vor zweitausend Jahren unter den Menschen gewirkt hat: tröstend, Kraft spendend, heilend, aufrichtend. Im Priester ist Er selbst es, der den Kranken die Hände auflegt; er selbst ist es, der sie salbt zur Heilung, Linderung oder Stärkung in unseren äußeren und inneren, körperlichen und seelischen Gebrechen.

Rückblickend auf die Frage, ob Gesundheit die Hauptsache ist, können wir also sagen: Gesundheit ist wichtig, ein unschätzbares Geschenk, aber noch wichtiger ist, die Quelle zu kennen, die uns hilft, Krankheit und Gebrechen zu tragen, wenn sie uns ereilen. In der sakramentalen Zuwendung Jesu zu uns beginnt dann schon, was sich endgültig im Himmel vollenden wird, was wir in der Lesung gehört haben: „Gott wird in ihrer Mitte wohnen, Er wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen trocknen. Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Seht, ich (Gott) mache alles neu.“


Pfr. Bodo Windolf

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