Predigt vom 13. März 2005 (5. Fastensonntag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Sich wie Lazarus herausrufen lassen aus den „Gräbern“ unserer Welt"
Predigttext

Fünfter Fastensonntag 13. März 2005
Les: Ez 37,12b-14; Röm 8,8-11
Ev : Joh 11,1-45

Sich wie Lazarus herausrufen lassen aus den „Gräbern“ unserer Welt

Ein Bruder liegt im Sterben; oder eine Schwester, ein Sohn, eine Tochter, ein Freund, eine Freundin. Man ruft zu Gott, man schreit zu Ihm, man betet, man hofft. Im Evangelium bringt man es Jesus zu Ohren: „Herr, dein Freund ist krank.“ Er ist doch dein Freund, uns so notwendig. Du darfst nicht zulassen, dass er stirbt. Aber all die Bitten verhallen scheinbar unerhört. Der Himmel, Gott, Jesus scheinen taub. Er stirbt. Die Macht des Todes scheint stärker als all unser Beten und Hoffen dagegen.

Eine alltägliche Erfahrung und selbst wenn wir erhört werden – erhört wird nur ein Aufschub. Dass jemand bewahrt bliebe vor dem Tod ist genauso wenig vorgesehen, wie dass ein Verstorbener zurückkehrt in den Kreis der hier Lebenden, wie im Evangelium geschildert. Nichts erleben wir so definitiv wie den Tod.

Doch im heutigen Evangelium ist die Situation eine besondere. Jesus weiß schon um seinen eigenen nahe bevorstehenden Tod. Es ist ein letztes Zeichen, das Er wirken möchte, ein Zeichen, das zeigen will: Es gibt einen, einen Einzigen, der stärker ist als der Tod. Ich, ich allein bin der Herr über Leben und auch über den Tod. Hier, mit dieser Auferweckung,  erweise ich mich als der Mächtigere gegenüber aller Todesmacht der Erde. Daher bin Ich die Auferstehung und das Leben, ein Wort, das ohne dieses Zeichen wie eine ungedeckte Währung wäre.

Aber wichtiger noch als dieser Machterweis ist, dass Jesus die Grenze zwischen Leben und Tod neu definiert. „Wer an mich glaubt, wird leben auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“


Die eigentliche Todeslinie, die für uns entscheidende Todeslinie, verläuft hier auf einmal nicht mehr entlang jener Grenze, die biologisches Leben vom biologischen Tod trennt. Vielmehr verläuft sie zwischen Glauben und Nichtglauben an Christus. Wer glaubt und aus dem Glauben lebt, hat den Tod eigentlich schon überwunden, ist schon hinübergegangen in jenes Leben, dem der irdische Tod letztlich nichts anhaben kann. Er steht schon auf der Seite des Lebens.

Wer aber bewusst den Glauben verweigert und entsprechend lebt, lebt noch im Machtbereich des Todes, ist wie lebendig tot; und diesen Menschen, nein, eigentlich uns allen gilt der Ruf Jesu; sein Schrei, wie es wörtlich übersetzt heißt, hinein in das Grab, das schon vor Verwesung stinkt: „Lazarus, komm heraus!“ Und angesichts dieser neuen Todesdefinition Jesu bekommt auch das Wort „Grab“ eine neue Bedeutung. Das das Leben am meisten zerstörende Grab ist nicht jenes auf dem Friedhof. Sondern es sind die Gräber mitten in unserem Leben. „Lazarus, komm heraus“, dieser Ruf gilt uns allen.


Daher gilt: Lazarus – das sind wir alle; wir, die wir uns immer wieder herausrufen lassen müssen aus den Gräbern mangelnden Glaubens, mangelnden Vertrauens, mangelnder Liebe; aus den Gräbern von Egoismus, Bequemlichkeit, Treulosigkeit, Gleichgültigkeit, Ungerechtigkeit. Gerade diese Gräber stinken oft viel mehr zum Himmel als das Grab der körperlichen Verwesung. Denken wir nur an all die Ungerechtigkeiten um uns herum und weltweit – und damit will ich den Bogen schlagen zum heutigen Misereorsonntag.

Auch das stinkt, liebe Gemeinde, oft zum Himmel, nämlich all die Ungerechtigkeiten, die den Pesthauch des Todes verursachen, der über unserer Welt liegt, nicht zuletzt auch wegen soviel Gleichgültigkeit: der Reichen gegenüber den Armen, der Mächtigen gegenüber den Ohnmächtigen, der Egoisten gegenüber den Habenichtsen. 24000 Menschen, darunter besonders Kinder, die täglich Hungers sterben; noch viel mehr nur deswegen, weil ihnen auch einfachste Medikamente nicht zugänglich sind, nicht zuletzt, weil Patentrechte großer Konzerne sie preislich unerschwinglich machen, etwa was Aids und andere Krankheiten betrifft. Blutiger Profit, der an den Händen unzähliger Reicher klebt. „Teilen verbindet. Gemeinsam gegen Krankheiten in der Welt“, so lautet das diesjährige Motto der Fastenaktion Misereor 2005.

Wer hier hilft mit einer selbstlosen und auch für einen selbst spürbaren Spende, der hat nicht nur Hilfe gegeben gegen den vorzeitigen Tod vieler Menschen durch Hunger und Krankheiten. Zugleich hat er sich herausrufen lassen wie Lazarus aus dem Grab der Gleichgültigkeit und des verschlossenen Herzens und verschlossenen Portemonnaies. Er hat sich hineingestellt mit lebensspendender Spende in die Lebensmacht Jesu, die schon jetzt hineinwirkt in unser irdisches Leben und einst den Tod endgültig besiegen wird. Der Glaube, gelebter Glaube an Jesus Christus führt ins Leben, ermöglicht Leben; irdisches Leben und ewiges  Leben.

Pfr. Bodo Windolf

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