Predigt vom 24. März 2005 (Gründonnerstag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Ist die Eucharistie am Sonntag ersetzbar?"
Predigttext

Gründonnerstag 24. März 2005
Les: Ex 12,1-8.11-14; 1 Kor 11,23-26
Ev: Joh 13,1-15

Ist die Eucharistie am Sonntag ersetzbar?

Anfang Februar dieses Jahres hat der evangelisch-lutherische Landesbischof von Bayern Johannes Friedrich durch ein Interview in der Tageszeitung „Die Welt“ für einige ökumenische Irritation gesorgt. Er äußerte sein „Unverständnis“, dass die katholische Kirche die „gemeinsamen ökumenischen Möglichkeiten so beharrlich negiert“ und griff vor allem das Verbot an, an Sonntag Vormittagen anstelle der Messfeier ökumenische Wortgottesdienste zu feiern. Zugleich betonte er, dass für evangelische Christen der sonntägliche Wortgottesdienst genau denselben Stellenwert hat wie eine evangelische Abendmahlsfeier.

In für ihn ungewöhnlich scharfer Weise hat unser Erzbischof Kardinal Wetter diese Äußerungen zurückgewiesen und unter anderem betont, dass sich die Katholiken durch „unrealistische Forderungen“ nicht unter Druck setzen und als ökumenische Bremser öffentlich an den Pranger stellen lassen wollen.

Für ihn geht es hier nicht nur um irgendwelche Nebensächlichkeiten. Denn könnte man nicht sagen: Gottesdienst ist doch Gottesdienst, ob nun Wortgottesdienst oder Eucharistie, das kann doch letztlich egal sein. Hauptsache, wir versammeln uns überhaupt noch zur sonntäglichen Gottesdienstfeier, und wenn katholische und evangelische Christen sich gemeinsam versammeln, dann müsste das doch eigentlich um so besser sein. Dieses Argument hat etwas durchaus Bestechendes und Plausibles. Und so braucht es gute Gründe, wenn man sich ihnen dennoch nicht anschließt.

Wenn daher Katholiken, übrigens zusammen mit orthodoxen Christen, darauf beharren, dass die Eucharistie zum unverzichtbaren Kern des sonntäglichen Gottesdienstes gehört, dann fragt sicher auch der eine oder andere Katholik nach dem Grund , warum die Eucharistie so unverzichtbar sei. Ich will versuchen, dieser Frage ein wenig nachzugehen.

Wenn wir auf das öffentliche Wirken Jesu schauen, sehen wir, dass zunächst einmal die Wortverkündigung einen zentralen Platz einnimmt. Jesus lebt aus den jüdischen heiligen Schriften, aus der Tora, den Psalmen, den Propheten; er legt sie aus, deutet sie neu, insbesondere auf Seine Person hin; denn Er selbst weiß sich als den Erfüller der jüdischen Schrift.

Was Jesus hier getan hat, findet seine Fortsetzung im evangelischen Wortgottesdienst genauso wie im katholischen Wortgottesdienst, der ja immer der unverzichtbare erste Teil jeder heiligen Messe ist. Aus den jüdisch-alttestamentlichen und den neutestamentlichen Schriften wird gelesen, Jesus kommt selbst zu Wort und spricht zu uns im Evangelium. Ohne das verkündete Wort gibt es keinen christlichen Gottesdienst.

Nun gibt es aber in Jesu Wirken eine ganz wesentliche Ergänzung, ohne die dem Wort etwas ganz Wesentliches fehlen würde. Er wendet sich durch das Wort nicht nur dem Geist, dem Verstand, dem Intellekt der Menschen zu, sondern auch seinen leiblichen Bedürfnissen und Gebrechen. Das Weinwunder zu Kana, die Brotvermehrung, die unzähligen Heilungen zeigen, um es modern auszudrücken, wie ganzheitlich er sich den Menschen zuwendet und Heil sowohl verkündet wie auch leib-seelisch spürbar spendet. Während andere Religionen den Leib eher verachten und fliehen, um in rein geistige Sphären des Göttlichen zu gelangen, tut der Gott der Christen in Jesus Christus genau das Gegenteil: Geist geht hinein in den Leib, um ihn von innen her zu erfüllen. Zuhöchst ist dies geschehen in der Mensch-, in der Fleischwerdung Gottes. Gott hat sich leiblich spürbar, anfassbar, hörbar und anschaubar gemacht. Und dieses Eingehen Gottes in leibhafte Materie geschieht je neu in dem Geheimnis, das wir Sonntag für Sonntag, ja Tag für Tag auf diesem Altar hier feiern.

Das bedeutet: Wir dürfen Jesus nicht um Seinen Leib verkürzen und auf Sein Wort reduzieren; im sakramentalen „Leib Christi“ der Eucharistie ist er nach unserem katholischen Glauben nicht weniger real, ganz menschlich und göttlich gegenwärtig wie damals in Seinem irdischen Leib, mit dem Er durch Galiläa und Judäa gezogen ist. Es ist sakramentale, daher verborgene, nur dem Glauben sichtbare Gegenwart in und unter der leiblichen Gestalt des Brotes. Aber genau so will Er leibhaft in Kommunion, in innerste und innigste Gemeinschaft mit uns treten.

Und – liebe Schwestern und Brüder – diese leibliche Gegenwart Jesu im Brot verweist uns – und das ist nun ganz wichtig, um die ganze Dimension dieses Geheimnisses zu verstehen – auf Jesu leibliche Gegenwart in unseren Schwestern und Brüdern, die neben und mit uns leben. Mir scheint, in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche hat dies kaum jemand so tief erkannt und gelebt wie Mutter Teresa. Sie berichtet einmal folgendes über ein  junges Mädchen, das zu ihnen, den Missionaries of Charity, kam: „Wir haben eine Regel, nach der ein neuer Mitarbeiter am Tag nach seiner Ankunft in das Haus der Sterbenden gehen muss. Ich versuchte, dem Mädchen zu erklären: „Haben Sie bei der Heiligen Messe den Priester gesehen, wie liebevoll und behutsam er Christus in der Hostie angefasst hat? Machen Sie es genauso, wenn Sie in das Sterbehaus gehen; denn es ist derselbe Christus, den Sie in den geschundenen Leibern unserer Armen finden werden.“ Die Schwester ging. Nach drei Stunden kam sie zurück und sagte mit einem Lächeln über dem ganzen Gesicht, wie ich es noch nie gesehen habe: „Mutter, ich habe den Leib Christi drei Stunden lang berührt.“ Worauf ich fragte: „Wie das? Was haben Sie gemacht?“  Sie antwortete: „Als wir dort ankamen, brachten sie einen Mann, der in ein Abflussrohr gestürzt war und erst nach einiger Zeit wieder herausgezogen werden konnte. Er war über und über mit Wunden, Schmutz und Würmern bedeckt. Ich wusch ihn und war mir dabei bewusst, das ich den Leib Christi berührte.“

Wenn Jesus den Seinen im Abendmahlssaal den so leiblich-konkreten Sklavendienst des Füßewaschens erwiesen hat, dann bestätigt dies das Gesagte; dann zeigt Er selbst mit dieser Geste, wie sehr sowohl sein ausdeutendes Verkündigungswort: „Wenn ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen“, wie auch die Feier des Abendmahls wie auch der immer konkret leib-seelische Liebesdienst am Nächsten zusammen gehören. Nur in dieser untrennbaren Dreiheit hören wir in rechter Weise Jesu Wort, empfangen wir in rechter Weise seinen sakramentalen Leib und wenden auch wir uns so wie Er in rechter Weise den leibhaft-konkreten Menschen neben mir zu.

Wer Eucharistie so feiert, will und kann am Tag des Herrn auf sie nicht verzichten, und zwar nach dem Willen Jesu selbst – „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“

Pfr. Bodo Windolf

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