Predigt vom 27. März 2005 (Osternacht)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Über das österliche Symbol des „Lamm Gottes“"
Predigttext

Osternacht 27. März 2005
Les: Gen 22,1-18 ...

Über das österliche Symbol des „Lamm Gottes“

Ostern ist ohne Zweifel das wichtigste Fest der Christenheit, aber nicht ihr populärstes. Weihnachten liegt uns viel näher, weil es mit dem Kind, seiner Geburt und der Familie unserer eigenen Erlebniswelt angehört. Weihnachten ist Einbruch Gottes hinein in unsere Welt, hinein in das Vertraute, ein Auf-uns-zugehen Gottes in eine unglaubliche Nähe.

Ostern dagegen ist Ausbruch; Ausbruch Gottes aus unserer Welt hinaus, Ausbruch aus unserer Welt des Todes, des Hasses, des Krieges, der Katastrophen, des Leides, der Kreuze, hinein in die Weite und Freiheit und Lichtheit einer Welt, von der wir keinerlei Vorstellungen und Bilder besitzen. Das Diesseits der Weihnacht, in das Gott zu uns kommt, seht uns näher als das Jenseits von Ostern, in das Gott uns vorausgeht.

Diese mangelnde Anschaulichkeit von Ostern ist der Grund, warum die Osterliturgie in so vielen Symbolen zu uns spricht, um das Unanschauliche anschaulich zu machen. Aus all den Symbolen von Nacht, Dunkelheit, Feuer, Licht, Wasser, Morgendämmerung und dem jauchzend gesungenen Halleluja möchte ich einmal eines herausgreifen, das im allgemeinen wenig Beachtung findet: nämlich das des Lammes, des siegreichen  Osterlammes.

Welch seltsames Bild: der Sieger über die alles verschlingenden Drachenmächte unserer Welt, der Sieger über Hass und Bosheit, über Leid und Schmach, über Gewalt und Tod wird uns nicht im Bild des Königs der Tiere, etwa eines Löwen vor Augen gestellt, sondern im Bild des wehrlosesten aller Säugetiere, im Bild des Lammes. Der Seltsamkeiten sind noch mehr: Er, der Hirte, macht sich zum Schaf,  nimmt den Platz unter den Schafen ein und macht sich gerade mit den wehrlosesten unter ihnen gemein.

Im letzten Buch der Bibel sieht der Seher Johannes „das Lamm wie geschlachtet“, das allein die Siegel der Lebensbücher, mit anderen Worten: die versiegelten Rätselhaftigkeiten unserer menschlichen Geschichte zu lösen vermag und dem alle anderen Geschöpfe huldigen. Nicht, wer verletzt und Gewalt übt und tötet, siegt zuletzt, sondern wer sich lieber selbst verwunden lässt als andere zu verwunden, wer sich hingibt und opfert, der ist zuletzt stärker als alle  anderen Mächte, die das Sagen haben auf unserer Erde.

Eine der rätselhaftesten Lammgeschichten haben wir vorhin als zweite Lesung gehört: die Opferung Isaaks. Arglos, sorglos, mit kindlichem Vertrauen schreitet er einher in der Obhut seines Vaters Abraham auf den Opferberg zu. Auf einmal steigt Unruhe in ihm auf. Fragen lösen die Zunge. Alles Benötigte ist da: das Holz, das Feuer, das Messer, - aber wo ist das Opferlamm für das Brandopfer? „Gott wird sich das Opferlamm aussuchen, mein Sohn“, ist die rätselhafte, eher ausweichende Antwort des Vaters. Und dann – jener entsetzliche, grauenhafte Augenblick, da das Kind niedergedrückt wird auf den Opfertisch und der eigene, doch immer als gut erlebte Vater die Hand mit dem Messer gegen ihn erhebt und zum tödlichen Schlag ausholt.

Versuchen wir einmal, uns selbst in dem Knaben Isaak wiederzuerkennen. Arglos, sorglos, vertrauend – vielleicht auf Gott, vielleicht auch einfach nur auf uns selbst und auf eine gute Zukunft – schreiten wir hinein ins Leben. Aber irgendwann, früher oder später, merken wir: der Weg ist eben doch nicht das Ziel. Und Fragen kommen hoch: Wohin geht es überhaupt? Fehlt nicht irgendetwas? Das, was wir bei uns haben, was unser Leben ausfüllt – Beruf, Erfolg, Spaß, materieller Reichtum, usw. –  kann doch nicht alles sein! Es muss doch noch mehr geben. Und dann die ganz große Frage: Wird Gott es für uns bereithalten und das uns Fehlende schenken?

Aber dann kann auch uns das Entsetzliche widerfahren: dass uns etwas Furchtbares zustößt und so das Leben, die Lebensumstände, das Schicksal, ja der väterliche Gott selbst wie ein Feind vor uns zu stehen scheint, um unser Leben zu zermalmen, zu zerstören.

Viele jüdisch-christliche Ausleger haben besonders über jenen furchtbaren Augenblick nachgedacht, als Isaak gefesselt dalag und die väterliche Todeshand über sich schweben sah. Die jüdische Tradition spricht davon, dass, als Isaak den Angstschrei ausstieß, Gott den Himmel aufriss und ihm die Schönheit der unsichtbaren Schöpfung schauen ließ. Die christlichen Kirchenväter antworteten einfacher und wohl auch realistischer: Isaak hat den Widder, das Lamm gesehen, das ihn auslöste und so vom Tod erlöste. Und natürlich haben sie diese Linie ausgezogen zu jenem Lamm hin, das am Kreuz starb, um alle Menschen auszulösen und so vom Tod zu erlösen.

An dieser Stelle, liebe Gemeinde,  sind wieder wir gefragt: Wohin blicke ich, wenn Unheil droht oder schon da ist? Lasse ich mich lähmen vom Blick auf die Unheilshand über mir? Oder vermag ich es, auf jenes Lamm Gottes zu schauen, das alles Unheil dieser Welt mit uns geteilt, für uns erlitten – und schließlich überwunden hat? Der Blick wie Isaak auf das Lamm, auf das „Lamm wie geschlachtet“, das Johannes geschaut hat, geopfert und auferstanden, d.h. der Blick auf Jesus Christus; ja ich will sagen, letztlich allein der Blick auf Ihn – erlöst uns mitten in den Bedrängnissen unseres Lebens zur wahren Freude der Erlösten.

 

Ein Letztes: Der Name Isaak trägt in sich die Wurzel für das Verb „lachen“. Die österliche Freude, das österliche Lachen, das Lachen Isaaks nach seiner Auslösung durch das Lamm, die Freude und das Lachen aller Erlösten, die an Christus wirklich glauben und aus diesem Glauben leben, ist nicht angesiedelt an der Bitternis des Karfreitags vorbei; - das wäre das Lachen oberflächlicher Zerstreuung. Nein, es ist angesiedelt im Hindurchgang durch die Bitternis des Karfreitags. Hier muss sie sich bewähren und – vielleicht durch viele Kämpfe und auch Niederlagen hindurch – zuletzt als stärker erweisen. Der Blick auf das Lamm, auf Christus, erlöst uns schon hier und jetzt und einmal endgültig, wenn wir Ihm folgen dürfen dorthin, wohin Er uns vorausgegangen ist: in die Auferstehungsfreude aller Erlösten.

Pfr. Bodo Windolf

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