Predigt vom 26. Mai 2005 (Fronleichnam)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Die Kraft des eucharistischen Brotes:
 Ein Beispiel aus einem kommunistischen Umerziehungslager
"
Predigttext

Fronleichnam 26. Mai 2005
Les: Dtn 8,2-3.14b-16a; 1Kor10, 16-17
Ev: Joh 6,51-58

Die Kraft des eucharistischen Brotes: Ein Beispiel aus einem kommunistischen Umerziehungslager

„Das Brot, das ich gebe, ist mein Fleisch ... für das Leben der Welt.“ Damals und zu fast allen Zeiten haben diese Worte Jesu Anstoß erregt. „Da stritten sich die Juden und sagten: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“

Sicher ist es eine Verständnishilfe, wenn wir uns bewusst machen, dass nach semitischem Sprachgebrauch der Teil immer für das Ganze steht, Fleisch und Blut also jeweils für die ganze Person Jesu stehen. Aber auch das nimmt nichts weg vom (für viele damals wie heute befremdlichen) Realismus, mit dem Jesus hier spricht. Es ist die leibliche Gegenwart Seiner gottmenschlichen Person, mit der Er uns sich selbst nicht symbolisch, sondern real als Speise reicht. „Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank.“  Jesus ist hier kompromisslos. Und so wird seine „Eucharistische Rede“ zu einer Art Wendepunkt Seines Lebens. Viele Seiner Anhänger verlassen Ihn nämlich daraufhin mit der Begründung: „Deine Rede ist unerträglich.“

Statt zu beschwichtigen, abzuwiegeln, Seine Rede zu entschärfen, fragt Er daraufhin sogar noch seine engsten Freunden, die Apostel, ob nicht auch sie gehen wollen. Aber wunderschön die Antwort, die Petrus gibt: „Herr, wohin sollen wir gehen, du allein hast Worte ewigen Lebens.“

Paulus wird diese Entschiedenheit Jesu, was die Eucharistie, ihr Verständnis und ihr würdiges Empfangen betrifft, seiner Gemeinde in Korinth vor Augen führen: Wer dieses Brot unwürdig isst und wer es nicht unterscheidet, also für gewöhnliches Brot oder nur für ein Symbol hält, der empfängt nicht das Heil, das dieses Sakrament enthält, sondern der isst und trinkt sich das Gericht (vgl. 1 Kor 11,27-29).

Nun geht Jesus noch einen Schritt weiter: „Wenn ihr mein Fleisch und Blut nicht empfangt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ Es scheint also alles andere als gleichgültig zu sein, ob ich Christus als das Brot des Lebens empfange oder ob mir dies mehr oder weniger gleichgültig ist.

„Um ein guter Christ zu sein, muss ich doch nicht jeden Sonntag in die Kirche rennen“, so geht die Rede nicht weniger Getaufter. Die Faszination „warme Bettdecke über dem Kopf“ oder ausgiebiger Brunch natürlich zur Messzeit erscheint vielen, ja leider Gottes den meisten Katholiken heutzutage größer als die Gabe, die Jesus sonntäglich reichen möchte: nämlich nicht weniger als Sich selbst als Brot des Lebens für mein Leben; für mein Leben mit Gott und meinen Mitmenschen. Welche Kraft in dieser Speise liegt, möchte ich nicht mit abstrakten Worten erklären, sondern an einem Beispiel zeigen (aus: F.X.N. van Thuan, Hoffnung, die uns trägt. Die Exerzitien des Papstes, Freiburg 2000).

Der vietnamesische Bischof Francois Xavier Nguyen van Thuan wurde 1975 nach der Besetzung Saigons durch den kommunistischen Vietcong verhaftet. Dreizehn Jahre, davon neun in Isolationshaft, verbrachte er unter schrecklichsten Bedingungen im Gefängnis. Er selbst berichtet, dass eine seiner ersten Fragen war: „Wird es mir wohl noch möglich sein, die Eucharistie zu feiern?“ Er dachte dabei an die Märtyrer von Abitana aus dem 4.Jahrhundert, die ihrem römischen Richter gesagt hatten: „Sine Dominico non possumus.“ „Ohne das Mahl des Herrn können wir nicht sein.“ Lieber gehen wir in den Tod.

Da Bischof Thuan sofort mitgehen musste, ohne noch etwas einpacken zu können, wurde ihm am nächsten Tag erlaubt, seine Angehörigen um das Nötigste zu bitten: Zahnpasta, Kleidung, etc. U.a. schrieb er: „Bitte schickt mir ein bisschen Wein gegen die Magenschmerzen.“ Man verstand sofort, und mit dem entsprechenden Etikett versehen: Medizin gegen Magenbeschwerden, fanden Messwein und Hostien den Weg durch die Kontrollen hindurch. Er schreibt: „Nie werde ich meine große Freude in Worte fassen können: Mit drei Tropfen Wein und einem Tropfen Wasser in der hohlen Hand feierte ich Tag für Tag die Messe. Das war mein Altar. Das war meine Kathedrale! Ich hatte die wahre Medizin für Seele und Leib, die Arznei der Unsterblichkeit, das Gegenmittel, um nicht zu sterben, sondern immer das Leben in Christus zu haben, wie Ignatius von Antiochien sagt ... So hörte ich im Gefängnis das Herz Christi in meinem Herzen schlagen.“

Im Umerziehungslager waren sie in Gruppen zu fünfzig Personen aufgeteilt, die auf einem Bett schliefen. Jeder hatte Anspruch auf fünfzig Zentimeter. Auch andere Katholiken waren darunter. Um 21:30 Uhr, wenn das Licht ausgeschaltet wurde, war der Zeitpunkt gekommen, dass er sich über das Bett beugte, um die Messe zu zelebrieren, natürlich auswendig. Zur Kommunionausteilung wurden die Hostien unter dem Moskitonetz hindurchgereicht. Aus Zigarettenschachteln wurden kleine Täschchen gebastelt, um die heiligen Hostien während der wöchentlichen Indoktrinierungs-Sitzung den Katholiken der anderen Gefangenengruppen weiterzureichen. Alle wussten, dass Jesus in ihrer Mitte war und durch seine stille Gegenwart unvorstellbar half. In der Nacht wechselten sich die Gefangenen schichtweise zur Anbetung ab. Viele Christen fanden zu einem glühenden Glauben zurück. Ihr Zeugnis im Dienen und in der Liebe zu anderen Gefangenen (er selbst, so schreibt Bischof Thuan, hat nie die Liebe zu seinen Wärtern verloren, nie Hass empfunden) beeindruckte Buddhisten und andere Nichtchristen so, dass sie zum christlichen Glauben fanden. In der Finsternis des Kerkers, so schreibt er, war ein österliches Licht aufgegangen. Das Gefängnis wurde zu einer Katechismus-Schule, ebenso andere Lager, in denen insgesamt etwa dreihundert Priester inhaftiert waren. Katholiken tauften Mitgefangene und wurden ihre Paten. Gespräche über religiöse Grenzen hinweg schufen gegenseitiges Verständnis und bleibende Freundschaften.

Liebe Gemeinde!
Mir ist bewusst, dass die Kraft des eucharistischen Sakramentes, dass die Kraft der lebendigen Gegenwart Jesu im Brot des Lebens unter den extremen Bedingungen eines kommunistischen Gefängnisses anders erfahren wird als zum Beispiel wir es in unserer Lebenssituation erfahren. Aber auch wir brauchen eine Verankerung, eine Mitte für unser Leben, und viele leiden darunter, dass sie diese Mitte verloren oder nie gefunden haben. Die sonntägliche Eucharistie bietet sich an als eine Mitte, in der unser Alltag regelmäßig zur Ruhe kommen und sich in Gott verankern kann; in Jesus Christus, der sich uns hier anbietet als Brot, Nahrung, Wegzehrung für unser Leben. Es liegt an uns, ob wir die ausgestreckte Hand Gottes, mit der Er sich uns als Gabe anbietet, ergreifen oder ausschlagen.

Pfr. Bodo Windolf

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