Predigt vom 10. Juli 2005

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Das Wort, das meinen Mund verlässt ...."
Predigttext

Fünfzehnter Sonntag im Jahreskreis
Les: Jes 55,10-11; Röm 8,18-23
Ev: Mt 13,1-23

„Das Wort, das meinen Mund verlässt, kehrt nicht leer zu mir zurück. Es bewirkt, was ich will und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.“

Wir alle kennen das Sprichwort, dass Wörter „Schall und Rauch“ seien. Nach dem Lesungstext kann man dies aber vom Wort Gottes gerade nicht behaupten. Vielmehr: welche Kraft in Gottes Wort liegt, wird uns am meisten bewusst, wenn wir bedenken, dass nach unserem Glauben die ganze Schöpfung ihr Dasein dem erschaffenden Wort Gottes verdankt.

Für Griechen war Gott nicht der Schöpfer, sondern ein Demiurg, mit anderen Worten ein erhabener „Töpfermeister“. Aus dem Chaos, aus der ungeordneten Materie hat der Demiurg die Dinge geformt und geschaffen. Die Vorstellung, dass die Schöpfung aus dem Nichts entstanden ist, also nicht aus schon vorhandenem Material, sondern allein durch die Kraft des ins Dasein rufenden Wortes Gottes, gibt es nirgendwo in der Menschheit – außer in Israel. Als einziges Volk hat in der Religionsgeschichte Israel die Schöpfung aus dem Nichts gedacht. „Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht.“ Das ist nach Genesis 1 das erste Schöpfungswort Gottes. Dieses sagt ein Geschehen von solcher Urgewalt aus, dass sich damit für mich fast von allein eine Vorstellung wie die vom „Big Bang“ verbindet.

Was sich dann im Verlaufe von Jahrmilliarden entfaltet – die sechs Tage stehen als Bild für den Prozesscharakter des Schöpfungswerkes Gottes; was sich für uns in Jahrmilliarden zerdehnt, ist für den zeitlosen Gott der Nu eines Augenblicks – ist immer wieder ein neues Schöpfungswort Gottes. Wenn wir die Berge sehen, die Flüsse, Täler, Meere, die unendliche Vielzahl der Pflanzen und Tiere, wenn wir in die Tiefe der materiellen Strukturen des Daseins forschend hineinsehen, dann hören wir in all diesen Dingen Gottes Schöpfungsworte, wir sehen seine Gestalt gewordenen Gedanken. Alles um uns herum spricht von Ihm, nein: ist Seine Sprache, Gestalt gewordenes Wort Gottes.

Dabei hat nichts von all dem Ihm Widerstand entgegengebracht: die Materie, die Pflanzen, die Tiere, nichts von all dem hat sich geweigert, ins Dasein zu treten. Gottes Wort erreicht vielmehr all das, wozu Er es ausgesandt hat.

Aber dann tritt etwas Neues ins Dasein: der Mensch. Erstmals wird ein freies Wesen ins Dasein gerufen, ins Dasein geliebt. Und damit tritt ein Wesen auf, das sich anrufen lassen kann von Gottes Wort, das daher Ant-Wort geben und in ein Gespräch mit Gott eintreten kann.

Der Mensch – der Angerufene von Gottes Wort: „Dir übergebe ich die ganze Schöpfung. Nur ein winziger kleiner Vorbehalt. Von der Frucht dieses Baumes darfst du nicht essen. In der Anerkennung dieses Gebotes erkennst du mich als Schöpfer an“ (so sinngemäß Gen 3).

Wir kennen die Antwort des Menschen. Es ist die der Verweigerung und Auflehnung, von der die ganze Menschheitsgeschichte geprägt ist.

Erstmals widerfährt es Gott in einem Geschöpf, dass Sein Wort ins Leere geht und nicht erreicht, wozu Er es ausgesandt hat. Gott widerfährt eine Art Ohnmacht Seines Wortes; nicht weil Er ohnmächtig gegenüber der Kraft des Menschen wäre, sondern weil Er sich selbst in einem gewissen Sinn ohnmächtig gemacht hat. Weil er will, dass es ein Wesen gebe, das Sein Wort aus freiem Willen annehme, das daher fähig sei, Sein Wort der Liebe mit dem Wort der Gegenliebe zu beantworten. Und hier sind wir nun beim heutigen Evangelium, bei Jesu Gleichnis vom Sämann.

Was Gott, was Jesus der Sämann tut, ist alles andere als vernünftig, kein normaler Sämann würde es tun: peinlich würde er darauf achten, dass der kostbare Same nicht auf den Weg, unter die Dornen oder auf felsigen Untergrund fällt, sondern auf gute Erde. Nicht so Gott: Er sät verschwenderisch überallhin aus. Für Gott gibt es keinen hoffnungslosen Fall. Er hofft, dieser Sämann, dass doch irgendwo und irgendwie bei jedem ein Pflänzchen wachse, und soweit wachse, dass es Frucht bringen kann.

Leider kommt es aber doch vor, dass der Samen sein Ziel nicht erreicht. Wer ist gemeint?

Ich möchte Sie, liebe Gemeinde, bitten, jetzt einmal nicht einfach an „die anderen“ zu denken: an die, die keinen Glauben oder ihren Glauben verloren haben; an die, denen es niemals in den Sinn käme, einen Gottesdienst zu besuchen; an die, die nicht beten; an die, die bei manchen Gelegenheiten schon etwas von der Botschaft mitbekommen, aber vollkommen gleichgültig sind, usf.

Nein, wir sollten einmal an uns selbst denken, denn das Gleichnis beschreibt ohne Zweifel auch unsere eigene Seele und unser eigenes Leben. Natürlich gibt es da all jene Bereiche, in denen Gottes Wort auf gute Erde gefallen ist und schon viel Frucht gebracht hat, sie bringt und bringen wird.

Daneben aber gibt es – das wissen, wenn wir ehrlich sind, wir alle – auch Bereiche, in die wir Gottes Wort noch nicht haben eintreten lassen; wo Er vergeblich bei uns angeklopft hat und anklopft; wo Gott noch keinen Eingang in unsere Seele gefunden hat.

Vielleicht – um ein paar Beispiele zu nennen – ist da jemand, der sehr großzügig ist im Spenden und Verschenken von Geld; aber wenn es ums Beten geht, da mag er einfach nicht. Ein anderer ist durchaus fromm, aber alles Denken dreht sich ständig ums Geld, und wenn überhaupt, gibt er ein klein wenig von seinem Überfluss. Jemand anderer ist sehr hilfsbereit, redet und lästert aber ständig über andere. Wieder ein anderer lebt mit allen in Frieden – außer mit einem Menschen, und ist nicht bereit, den notwendigen Schritt zur Versöhnung zu tun.

Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Für uns, die wir hier Gottesdienst feiern und Gottes Wort hören, gibt es nun aber zwei Möglichkeiten. Die eine ist: ich gehe genau so aus der Kirche wieder hinaus wie ich herein gegangen bin. Ich schaue auf die Uhr, ob die Predigt schon wieder zu lang ist und frage mich, wann der Pfarrer endlich aufhört.

Die andere ist: ich überlege mir irgendetwas, wo ich genau weiß: da müsste ich eigentlich, vielleicht schon lange, etwas ändern und Gottes Wort die Chance geben, in mir und meinem Leben fruchtbar zu werden. Ich bin sicher, dass da jedem von uns recht schnell irgendetwas einfällt. Wer mit einem solchen Vorsatz die Kirche verlässt, zu dem kann man dann mit allem Recht sagen: in dir ist der Same des Wortes Gottes wahrhaft auf gute Erde gefallen, damit er dort Frucht bringt: 30fach, 60fach, 100fach.

Pfr. Bodo Windolf

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