Predigt vom 4. Dezember 2005   2. Advent

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Johannes – Prophet, Bußprediger, Täufer"
Predigttext

Zweiter Adventsonntag  4. Dez. 2005
Les: Jes 40,1-5.9-11; 2 Petr 3,8-14
Ev : Mk 1,1-8

Johannes – Prophet, Bußprediger, Täufer

„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus dem Sohn Gottes“, so beginnt Markus sein  Evangelium. Jedem, der diesen Satz hört, klingt sofort der erste Satz der Bibel im Ohr: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde ...“ Genauso der erste Satz aus dem Johannes- Evangelium: „Im Anfang war das Wort.“ Der Sinn ist offensichtlich: Mit dem Kommen Jesu Christi wird ein ganz neuer, überwältigend neuer Anfang gesetzt; ein neuer Anfang vergleichbar mit dem, der mit der Erschaffung der Welt gesetzt wurde; eigentlich sogar ein größerer Anfang: Denn der Schöpfer selbst tritt ein in Seine Schöpfung, der Schöpfer wird Geschöpf; Er, den Markus schon im ersten Satz als „Sohn Gottes“ vorstellt.

Das ist programmatisch. Denn am Ende des Evangeliums hören wir dasselbe Wort als Glaubensbekenntnis des Hauptmanns, der Jesus am Kreuz hat sterben sehen: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ Das Bekenntnis zu Jesus, dem Christus, dem Messias, der Gottes Sohn ist – in dieser programmatischen Klammer steht das ganze Markus-Evangelium.

Auffallend ist, dass es nun aber gar nicht mit Jesus beginnt. Vielmehr heißt es im zweiten Satz: „Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her, er soll den Weg für dich bahnen.“

Auch das ist programmatisch: damals wie heute braucht es Wegbereiter, Gott kommt in der Regel nicht unmittelbar zum Menschen, sondern Gott kommt durch Menschen zum Menschen. In diesem Jahr der Berufung und des Gebetes um Priester- und Ordensberufungen, das unser Kardinal ausgerufen hat und für das vor dem Altar die Berufungskerze brennt, können wir uns das nicht bewusst genug machen. Wir brauchen und müssen beten um Menschen, die es sich zur Lebensaufgabe machen, Christus den Weg zu bereiten.

Damals war es Johannes, der letzte und nach einem Jesuswort auch der größte der alttestamentlichen Propheten, der ins Neue Testament hineinragt und als einziger den sehen darf, den er verkündet, den kommenden Messias. Er stellt so etwas dar, wie eine Sensation vor den Toren Jerusalems. In der Wüste Juda hält er sich auf, in sengender Hitze bei Tag, in klirrender Kälte bei Nacht, sich ernährend von dem Kargen, das die Wüste hergibt: wilder Honig, Heuschrecken, bekleidet mit einem kratzenden und stechenden Kamelhaarmantel: ein Asket, ein Betender, ein Büßer.

Auch ein Prophet? Aber ein Prophet drängt doch dahin, wo Menschen sind, mitten hinein ins pulsierende Leben der Großstadt Jerusalem! Wem will er in der Wüste predigen? Doch die Menschen sind von einer vibrierenden Erwartung erfüllt. Der Messias, schon so lange erhofft, ersehnt, erbetet – muss Er nicht endlich kommen? Ist es nicht vielleicht diese merkwürdige Gestalt da draußen in der Wüste?

Und nun ist kein Halten mehr. Man wartet nicht, bis der Seltsame den Weg in die Zivilisation findet, sondern man drängt hinaus zu ihm, ganz Judäa und alle Einwohner von Jerusalem, wie der Evangelist vermerkt.

Sie drängen hinaus, obwohl das, was sie zu hören bekommen, alles andere als angenehm ist. Johannes ist ein flammender Prediger, der Inhalt seiner Predigt ist Umkehr, Buße und Gericht. Er hält den Menschen ihre Sünden vor Augen und die Strenge des richtenden Gottes. Es muss einen gewaltigen Eindruck gemacht haben, was er den Menschen zu sagen hatte, denn tatsächlich bekannten viele ihre Sünden und wollten nun kehrt machen und büßen, sie wollten sich als Zeichen dafür von ihm im Jordan taufen lassen.

Diese Johannestaufe zur Vergebung der Sünden war etwas gänzlich Neues, das es im damaligen Judentum nicht gab und das sich wohl auch nur erklärt, wenn man annimmt, dass dies aus dem tiefen inneren Erleben einer göttlichen Berufung kommt. Johannes stammt sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits aus einer Priesterfamilie. Eigentlich wäre sein Lebensweg vorgezeichnet gewesen, nämlich wie sein Vater Zacharias irgendwann den Dienst als Priester im Tempel zu vollziehen. In irgendeiner Weise muss er diesbezüglich einen Bruch vollzogen haben, um eine prophetische Existenz in der Wüste zu leben.

Es ist durchaus denkbar, dass dies unter dem Einfluss der Essener geschah. Denn auch sie hatten mit dem jüdischen Tempel gebrochen und vertraten die Notwendigkeit und Dringlichkeit von Umkehr und Buße ebenso radikal wie Johannes. Nur wer eine radikale Kehrtwendung vollzog, die Sünden ablegte und der Tora, dem Gesetz gehorchte, würde dem kommenden Strafgericht Gottes entkommen, so glaubten und lebten die Essener. 

Doch in einem wichtigen Punkt unterschied sich Johannes der Täufer, woraus ersichtlich ist, dass er selbst sicher kein Mitglied der Sekte war. Bei diesen war die Selbstreinigung durch wiederholte rituelle Waschungen üblich. Die Johannestaufe aber konnte man sich nicht selbst spenden, sondern sie konnte nur, und zwar einmalig, empfangen werden. So wird sie zum Vorläufer der christlichen Taufe und drückt aus: Die Vergebung meiner Sünden kann ich mir nicht selbst zusprechen oder einreden, sondern ich kann sie mir nur zusprechen lassen von einem anderen damit beauftragten: sei es im Empfang der Taufe oder auch der Beichte, dem Sakrament der Versöhnung der Getauften.

Was ist das Bleibende der adventlichen Gestalt des Täufers Johannes? Er hat Jesus den Weg bereitet, indem er die Menschen zum Bekenntnis ihrer Sünden aufrief, zur Bitte um Vergebung und damit zur Umkehr. Für uns und überhaupt die Menschen aller Zeiten kann das nur heißen: Gott, Jesus Christus kann nur da in einen Menschen wirklich eintreten, wo wir bereit sind, uns von unseren Sünden ausräumen zu lassen, von dem, was mich von Gott, von meinen Mitmenschen, von meinem bessern Selbst trennt, damit er Platz findet. Bei einem Menschen, der sich selbst nie mit seiner eigenen Schuld konfrontiert, der sie nie bekennt, nicht zuletzt auch in einer ehrlichen Beichte, der sich einfach für in Ordnung hält, droht die Gefahr, dass Gott nie wirklich eintreten kann in die Tiefe des menschlichen Lebens; es droht die Gefahr, dass die Gottesbeziehung an der Oberfläche dahindümpelt, weil Er nicht hereingelassen wird, um vergebend und auf diese Weise heilend und verändernd mein Innerstes zu verwandeln. Es gibt kein wahres echtes und tiefes Christentum ohne Erkenntnis und Bekenntnis der Sünden, ohne das Wissen um die eigene Bedürftigkeit der göttlichen Vergebung und damit ohne Umkehr.

Das ist die bleibende Botschaft und Bedeutung der Gestalt des Täufers Johannes. Und das ist Teil der Frohbotschaft. Denn was gibt es frohmachenderes als das Erleben der vergebenden und heilenden Barmherzigkeit Gottes?

Pfr. Bodo Windolf

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