Predigt vom 8. Januar 2006  Taufe des Herrn

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Das "Als ob" unseres Christseins
Predigttext

Taufe des Herrn 8. Januar 2006
Les: Jes 42,5a.1-4.6-7; Apg 10,34-38
Ev : Mk 1,7-11

Das „Als ob“ unseres Christseins

Wer ist eigentlich ein Christ?

Gehen wir einmal verschiedene Definitionen durch:

Ein Christ ist, wer getauft ist. 

Nun ja: Hitler, Stalin, Göbbels waren getauft. Waren sie auch Christen?

Versuchen wir es mit einer anderen Definition. Ein Christ ist, wer getauft ist und an Jesus Christus glaubt, den dreifaltigen Gott aus ganzem Herzen und mit all seinen Kräften liebt und alle seine Nächsten wie sich selbst.

Bei dieser Definition sehen vermutlich wir alle ein wenig alt aus. Wer kann schon von sich behaupten, dem immer und überall und mit letzter Konsequenz zu genügen?

Ein dritter Versuch: Christ ist, wer getauft ist, sonntags in die Kirche geht und keine zu schlimmen Dinge anstellt.

Ich höre schon den Protest der 80–90% Nicht-Kirchgänger in unserem Land: Um Christ zu sein, muss ich doch nicht ständig in die Kirche rennen! Und die gehen ja sowieso nur dahin, setzen eine fromme Miene auf und hinterher zerreißen sie sich das Maul über andere.

Ich weiß nicht, wie oft ich das oder Ähnliches schon zu hören bekommen habe, und ich habe dann immer alle Hände voll zu tun, sehr bestimmt und trotzdem noch freundlich (wie es von mir als Pfarrer erwartet wird) klar zu machen, dass ich auf die Kirchgänger eigentlich nichts kommen lassen möchte, am wenigsten diese miese Art von Pauschalkritik, und ich frage dann manchmal – allerdings höflicher als ich es jetzt formuliere - ob es nicht eine recht billige Weise ist, sich durch das Schlechtmachen anderer erstens besser zu dünken – im Sinne von: Ich bin wenigstens kein Heuchler; und zweitens sich eine bequeme Ausrede zu verschaffen, warum man nicht tut, was man eigentlich sollte; denn das dritte Gebot „Du sollst den Tag des Herrn heiligen“ gilt ja auch heute noch für jeden Getauften.

Freilich – auch in ungerechter Kritik kann bisweilen noch ein Körnchen Wahrheit stecken; und die besteht wohl darin, dass wir alle, ich, wir, zugeben müssen, dass wir leider nicht immer so leben, wie wir es vom Evangelium her sollten. Diese Diskrepanz zwischen Sein und Sollen erleben wir oft sicher als sehr schmerzlich für uns selbst und für andere.

Aber genau diese Diskrepanz will ich einmal zur Grundlage eines vierten Versuchs der Definition eines Christen machen: Ein Christ ist jemand, dem bewusst ist: Ich lebe in einem gewissen Sinn ein „Als ob“. Als ob ich etwas bin, das ich mit meinem Denken, Reden und Handeln allerdings noch lange nicht eingeholt habe, weil es mich letztlich total überfordert. M.a.W.: Als ob ich schon etwas bin, das ich aber zugleich noch nicht bin.

Was will ich damit sagen? Christ kommt von Christus, und das meint: als Christ bin ich - oder sollte es zumindest sein - so etwas wie ein zweiter Christus, wie es Paulus ausdrückt. Das heißt ein Mensch, in dem Christus gleichsam neugeboren wird, in dem sich daher die Art, das Wesen, das Leben Jesu Christi so ausprägt, dass Gott in mir nichts weniger als Seinen eigenen Sohn wiedererkennt.

Dasselbe gilt entsprechend für den Ehrentitel Sohn, Tochter, Kind Gottes, den ich als Christ trage. Dass ich es bin, darin steckt zugleich der Anspruch, wie der Sohn schlechthin, wie Jesus Christus zu sein, also im Wollen und Handeln ganz eins mit dem Willen des Vaters, vorbehaltlos Gott und den Nächsten zugewandt zu sein. Wieder gilt dasselbe „Als ob“: Ich bin etwas - Kind Gottes - dessen Anspruch ich letztlich nicht genüge.

An dieser Stelle muss man allerdings fragen: Ist diese Definition eines Christen nicht viel mehr die eines Heuchlers; denn gerade das ist ja ein Heuchler, dass er nach außen hin so tut „als ob“, aber innerlich jemand ganz anderer ist? Vielleicht hilft uns folgende Überlegung auf die rechte Spur.

Neben der für uns alle abstoßenden Heuchelei gibt es auch eine solche, die freundlich ist und zum Guten führt. Nehmen wir an, ich begegne einem mir restlos unsympathischen Menschen. Vom ehrlichen Gefühl her würde ich ihm am liebsten dies und das antun, und dennoch entscheide ich mich, ihm liebenswürdig zu begegnen; also mit einer Art von Liebe, die ich eigentlich gar nicht in mir trage, von der ich aber weiß, ich schulde sie ihm als Christ.

Und nun das Paradox: Wer hätte nicht schon erlebt, dass er über kurz oder lang die Liebenswürdigkeit nicht mehr zu heucheln braucht. Denn Liebe weckt in der Regel die besten Eigenschaften in einem anderen. Ja, noch mehr: Man selbst kann gute Eigenschaften erwerben, indem man so handelt, als ob man sie schon in sich trüge. Ist das Heuchelei? Mag sein, aber wenn, dann sicher in einem ganz und gar guten Sinn.

Um einen Vergleich zu nennen: Kinder, wenn sie spielen, tun oft „so als ob“; als ob sie Erwachsene wären, spielen sie Vater, Mutter, Arzt, Pfarrer, Lehrer, etc. Nicht zuletzt auch so eignen sie sich an, was sie für ihr tatsächliches Erwachsenwerden brauchen. Das haargenau Entspechende ist, wenn Eltern mit ihren kleinen Kindern reden, als ob sie alles verstünden. Aber wiederum gilt: genau so und nicht anders lernen diese zu sprechen.

Ganz ähnlich nun verhält Gott sich zu uns: Er tut gleichsam so, als wären wir als Getaufte schon ein zweiter Christus und daher wahre Kinder Gottes; Er tut so als ob, damit wir es einst wahrhaft werden.

Man könnte daher unser Getauftsein mit jenem Mann aus einer Geschichte vergleichen, der eine Maske trug, die ihn schöner machte, als er in Wahrheit war. Als er sie eines Tages abnahm, merkte er, dass die Maske sein Gesicht nach ihrer Form geprägt und tatsächlich schön gemacht hatte. Sie selbst hatte den Schein in Wirklichkeit verwandelt.

Wer getauft ist, in dem wirkt Christus, sofern wir es nur zulassen. Er steht gleichsam hinter uns, ist in uns, will unsere Gedanken, unser Tun so prägen, dass es immer mehr nach seiner Art wird, damit das „Als ob“ immer mehr Wirklichkeit wird. Vieles ist in dieser Hinsicht in jedem von uns schon geschehen. Aber wir alle sind noch lange nicht am Ende jenes Verwandlungsprozesses, bei dem wir in unserem Denken, Fühlen, Reden, Beten und Tun Tag für Tag einholen, was wir in der Taufe schon geworden sind: ein zweiter Christus, berufen, Christus immer ähnlicher und so ein wahrer Christ zu werden; wahrer Sohn, wahre Tochter des liebenden und geliebten Vaters im Himmel.

Wer ist ein Christ? Kein perfekter Mensch, aber, ein Glaubender, der alles, was in ihm noch „als ob“ ist, mehr und mehr durch Gottes Gnade umgestalten lässt und in dem so immer wieder und immer mehr etwas vom Antlitz Jesu Christi hindurchstrahlt. Versuchen wir so, als Getaufte Christ zu sein, ein zweiter Christus, wahre Kinder Gottes.

Pfr. Bodo Windolf

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