Predigt vom 13. April 2006  Gründonnerstag

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Die Kunst des Empfangens"
Predigttext

Gründonnerstag  13. April 2006
Les: Ex 12,1-8.11-14;       1 Kor 11,23-26
Ev: Joh 13,1-15

Die Kunst des Empfangens

Wenn wir gefragt werden: „Worin besteht der Kern deines Christseins oder des Christseins überhaupt?“, würde den meisten von uns vermutlich ganz spontan als Antwort das Doppelgebot Jesu einfallen: „Gott lieben aus ganzem Herzen und den Nächsten, wer auch immer er sei, wie sich selbst.“ Jedenfalls bringt Jesus selbst das Christsein so auf den Punkt. Im Kern scheint es daher etwas höchst Aktives zu sein. Denn wer liebt, gibt etwas von sich einem anderen: gute Gedanken, gute Worte, gute Taten. Entsprechend sagt Jesus einmal: „Geben ist seliger als nehmen.“

Aber – damit haben wir höchstens die halbe Wahrheit ausgesprochen. Die andere, sogar ursprünglichere Hälfte der Wahrheit hat Johannes so ausgedrückt: „Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern das er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“ (1 Joh 4,10)

Der ursprünglichste Kern unseres Christseins ist daher nicht unser Lieben, sondern unser Geliebtsein; nicht unser Geben von Liebe, sondern unser Empfangen von Liebe. In diesem Sinn kann man sagen: die Kunst des Christseins besteht zu allererst in der Kunst des rechten Empfangens der Liebe Gottes. Je vollkommener ich sie mir schenken lasse, sie in mich einlasse, je vollkommener ich sie empfange, um so vollkommener kann ich sie weit über mein rein natürliches Liebesvermögen hinaus weiterschenken. Je verschlossener ich ihr gegenüber bin und lebe, um so geringer wird meine übernatürliche, aus den Quellen Gottes gespeiste Liebe sein.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Kunst des Empfangens, des sich Beschenken-Lassens, wie sie uns mitten in unseren alltäglichen Erfahrungen begegnet.

Am besten und natürlichsten verstehen sich Kinder auf diese Kunst. Sie sind einfach restlos bedürftig und damit empfänglich für das, was man ihnen gibt, im Guten wie leider auch im Bösen. Je wacher und bereiter ein Kind das (im Guten) Geschenkte in sich aufnimmt, um so kreativer wird es all das einmal umsetzen in eigene Fähigkeiten des Wissens, des Empfindens, des handwerklichen Geschicks, des einmal Selbstliebens und -schenkens.

Als Erwachsener verlernt man oft die Kunst des rechten Empfangens. Man erkennt es daran, dass vielen die innere Haltung der Dankbarkeit fehlt oder sie zumindest nicht recht ausgebildet ist, also jene Grundhaltung, die aus einem tief empfundenen Gefühl des grundlegenden Verdanktseins der eigenen Existenz und was zu ihr gehört gespeist ist, sowohl Gott wie auch den Mitmenschen gegenüber.

Man erkennt es daran, ob jemand die Demut hat, sich überhaupt wahrhaft beschenken lassen zu können und dies auch anzuerkennen; also etwa daran, wie man sich beschenken lässt. Wie oft geschieht es, dass ein Geschenk auf seinen Wert hin taxiert wird, begleitet von dem Gedanken: in etwa so teuer, oder noch ein wenig teurer, damit ich das Empfangene übertrumpfen kann, muss mein Gegengeschenk sein. Dasselbe gilt für Einladungen: Diese oder jener hat mich eingeladen, folglich muss auch ich eine Gegeneinladung aussprechen. Wer so denkt, schenkt nicht und empfängt nicht Geschenke, sondern begeht Tauschhandel.

Noch subtiler wird dies oft im Altwerden. Wie viele, die stets aktiv, auch und gerade aktiv im Geben waren, empfinden es als das Furchtbarste, das ihnen zustoßen kann, wenn sie vielleicht einmal nur noch empfangen können. „Ich will niemandem zur Last fallen“, so drücken es viele aus. Und was so edel klingt, ist wohl nicht selten nur der Stolz, der nicht will, wieder wie ein Kind bedürftig, vielleicht sogar pflegebedürftig zu werden. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, kommt ihr nicht in das Reich Gottes“, sagt Jesus. Was viele Menschen im Alter als etwas ganz Schlimmes empfinden, ist tiefer gesehen vielleicht gar nichts anderes als eine besondere Art der Gnade, nämlich die Chance, sich auf den Tod hin noch einmal neu einzuüben in die kindliche Fähigkeit des Sich-beschenken-Lassens. Selig, wer darüber nicht grob und mürrisch wird, sondern es in innerer Freude und Dankbarkeit zu empfangen vermag.

Was hat all das mit dem heutigen Gründonnerstag zu tun? So wie die Jünger im Abendmahlssaal von Jesus die Fußwaschung empfangen haben, so sind nachher wir alle eingeladen, die Händewaschung zu empfangen. Dies soll ein Symbol für eine Lebens- und Glaubenshaltung sein, die es in unserem Alltag einzuüben gilt. Petrus wehrt sich zunächst mit Händen und Füßen gegen dieses Zeichen. Jesu Antwort ist unmissverständlich und fast schroff. „Wenn du dich nicht waschen lässt, hast du keinen Anteil an mir.“

Was will Jesus ihm schenken? Nur die Reinigung seiner schmutzigen Füße? Natürlich nicht. Sondern die Reinigung von allem, was sein Leben, seine Existenz unrein macht, also Reinigung von allem, was nicht in der Liebe ist. Die Liebe, die Gott zuerst zu uns hat, nimmt hier die Gestalt der Barmherzigkeit an. Das Einzige, was wir tun müssen, ist, Ihm wie Petrus (natürlich im übertragenen Sinn) unsere schmutzigen Füße hinhalten, also all das, was unrein ist in unserem Leben, damit Er uns davon befreien kann durch die Vergebung, die Er am Kreuz für uns erwirkt hat. Denn die demütige Geste der Fußwaschung nimmt (nur so verstehen wir die johanneische Symbolik richtig) voraus, was Jesus in Seiner Erniedrigung am Kreuz für uns real vollziehen wird.

Was will Jesus damit erreichen im Abendmahlssaal? Er will seine Jünger und uns tischfähig, eucharistiefähig machen. Er stiftet hier die Einheit und Zusammengehörigkeit des Sakramentes der Versöhnung und des Sakramentes der Eucharistie. Die Liebe Christi zu empfangen in der Gestalt des Brots des Lebens, als Kraft, Zuwendung, Begleitung, kommt nur in dem Maße an ihr Ziel, wie ich auch bereit bin, Seine Liebe in der Gestalt der Barmherzigkeit, Seiner Barmherzigkeit mit meinen Sünden zu empfangen.

Das fruchtbare Empfangen Christi in der Eucharistie setzt daher voraus: a) dass ich glaube: ja Herr, darin bist Du gegenwärtig und kommst zu mir; und b) dass ich demütig weiß: um wahrhaft tischfähig, wahrhaft eucharistiefähig zu sein, muss ich mir auch Deine Vergebung stets neu schenken lassen, am tiefsten im Sakrament der Versöhnung. Jeder sollte sich daher immer wieder fragen: Empfange ich die Liebe Christi in der Eucharistie so, dass sie wirklich in mir ankommt, Raum gewinnt und mein Leben verwandelt?

Christsein ist ursprünglich die Kunst des rechten Empfangens, um das Empfangene dann auch weiterschenken zu können. Die Fußwaschung damals, die Händewaschung heute in dieser Feier will dies symbolisch zum Ausdruck bringen. Feiern wir miteinander in diesem Sinn das damalige Geschehen heute hier in unserer Kirche.

Pfr. Bodo Windolf

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