Predigt vom 17. April 2006  Ostermontag

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Sakrileg" - was ist dran an den Auferstehungsberichten?"
Predigttext

Ostermontag 17. April 2006
Les: Apg 2,14.22-33; 1Kor 15,1-8.11
Ev: Lk 24,13-35 oder Mt 28,8-15

„Sakrileg“ und was ist dran an den Auferstehungsberichten?

Was ist eigentlich dran an dem, was wir hier feiern? Wie glaubwürdig ist unser Glaube? Die Sache mit dem leeren Grab? Die Erscheinungen? Der seltsame Gang nach Emmaus mit dem anonymen Unbekannten, der sich schließlich als der Herr entpuppt?

Es hat kaum je an Versuchen gefehlt, all das als fromme Legende oder sogar bewussten Betrug auszulegen. Der jüngste dieser Versuche wird in Bälde im Kino erscheinen, die Verfilmung von Dan Browns „The Da Vinci Code“, im Deutschen „Sakrileg“. Die Grundthese dieses mit vierzig Millionen Exemplaren mit am meisten verkauften Thrillers aller Zeiten ist schnell erzählt: Jesus aus dem königlichen Haus David war mit Maria Magdalena verheiratet, die hier unversehens zu einer Prinzessin aus dem jüdischen Stamm Benjamin mutiert ist. Dieser Verbindung entstammt eine Tochter. Mit ihr zusammen flieht Maria Magdalena irgendwann nach Marseille und über die Tochter setzt sich die Jesus–Magdalena–Linie im salisch-fränkischen Königsgeschlecht der Merowinger fort. Der Karolinger Pippin der Kurze suchte mit der Ermordung Dagoberts II. im Jahr 751 dieses Herrschergeschlecht auszurotten. Doch inkognito lebten die Merowinger weiter bis heute, und zwar unter dem Schutz des Geheimordens „Prieuré de Sion“, der das Geheimnis des Grals hütet, nämlich jene geheim verwahrten Dokumente, die die wahre Identität Jesu nicht als Gottes Sohn , sondern als normalen sterblichen Menschen, der zugleich der Ehemann Maria Magdalenas war.

Nach „The Da Vinci Code“ ist der christliche Glaube daher nichts anderes als ein inzwischen zweitausend Jahre währender Betrug, zu dessen Aufrechterhaltung die Kirche, selbstverständlich die katholische, auch vor Mord nicht zurückschreckt. Ihr patriarchaler Unterdrückungsapparat tut alles, um die im Heiligen Gral niedergelegte Wahrheit über Jesus und das von ihm verkündete Weiblich-Göttliche niederzuhalten.

Das Groteske an dieser sicher spannend zu lesenden, aber literarisch ziemlich seichten Geschichte – wer es nicht gelesen hat, hat, im Gegensatz zu mir, kostbare Lebenszeit gespart – ist in einem Prozess deutlich geworden, der erst dieser Tage entschieden wurde. Die Sachbuch Autoren Michael Baigent und Richard Leigh, die diese Thesen aufgrund „wissenschaftlicher Recherchen“, wie sie behaupten, als erste vertreten haben in ihrem Buch „Der heilige Gral und seine Erben“, haben beim Obersten Gericht in London gegen Dan Brown geklagt, er habe von ihnen abgekupfert. Das Pikante: ein solcher Plagiatsvorwurf kann nur erhoben werden, wo es sich um erfundene Ideen und Geschichten handelt. Geschichtliche Fakten und Forschungsergebnisse genießen keinen Urheberschutz. Die gewundene Argumentation der Kläger, die das natürlich wissen, hat nur bestätigt, was andere schon erwiesen haben: sowohl ihre Thesen als auch die Behauptung Dan Browns auf der ersten Seite seines Buches, „alle erwähnten Dokumente seien wirklichkeits- und wahrheitsgetreu wiedergegeben“ (S. 9) ist eine beinharte Lüge.

Solche Lüge unter dem Anschein wissenschaftlicher Recherche, die vorgibt Christentum und Kirche zu entlarven, garantiert offensichtlich Bestsellererfolge. Vierzig Millionen Leser können nicht irren, hieß es im Prozess. Der Richter Peter Smith konnte sich nicht enthalten, süffisant einen Kollegen zu zitieren: „Man darf die kommerzielle Zugkraft des Schunds ... nicht unterschätzen.“

Unabhängig von solcher spannend geschriebenen Massenverdummung bleibt nun aber dennoch die Frage: Wie historisch glaubwürdig sind denn nun eigentlich die Evangelienberichte über die Auferstehung Jesu? Ich muss viel kürzer als notwendig versuchen zu antworten. (Aber ich will ja nicht noch Predigtverbot in Garching riskieren.)

Zuerst: das leere Grab. Juden zur Zeit Jesu konnten sich Auferstehung nur als eine leibliche vorstellen. Deswegen haben evangelische Theologen wie Althaus, Moltmann und der Münchner Systematiker Pannenberg recht, wenn sie übereinstimmend sagen: „Die Auferstehungsbotschaft hätte sich in Jerusalem keine Stunde halten können, wenn man den Leichnam Jesu im Grabe hätte nachweisen können.“ Theologen, die sagen, sie glauben zwar an die Auferstehung, aber zugleich meinen, das Grab sei „voll“ gewesen und Jesu Leichnam darin verwest und verrottet, reden historisch unhaltbaren Unsinn. Daher ist auch die These von inneren Bildern, die in den Jüngern aufgestiegen seien und die Erscheinungen als reine Projektionen dieser inneren Bilder deutet, im historischen Kontext schlichtweg unhaltbar.

Freilich – das leere Grab für sich allein beweist gar nichts. Matthäus selbst kolportiert ja das Gerücht, es sei leer, weil der Leichnam gestohlen worden sei.

Als Antwort will ich eine Frage stellen: Hätten die Auferstehungsberichte so, wie sie uns vorliegen, auf Grund des Ideenhorizonts der damaligen Zeit überhaupt erfunden werden können?

Die Antwort lautet eindeutig: Nein. Wenn die Auferstehungsbotschaft erfunden worden wäre, hätte man sie anders erfunden. Dies wird u.a. daran deutlich, dass Auferstehung für Juden der damaligen Zeit nur am Ende der Weltzeit, und zwar für alle Verstorbenen gleichzeitig stattfinden konnte. Dass aber einer quer zur laufenden Geschichtszeit starb und auferstand, existierte nicht einmal als Idee. Und genau das bestätigt sich in der von allen Evangelien berichteten Erstreaktion der Zeugen: Unglaube. Das kann nicht sein. Weibergeschwätz.

Überhaupt die Frauen: Da sie im Judentum als Zeugen gar nicht in Frage kamen, hätte man sie in konstruierten Berichten niemals als die Erstzeugen der Auferstehung erdichtet.

Außerdem: Die Hinrichtung Jesu als Verbrecher am Kreuz war nach jüdischem Verständnis der schlagende Beweis: Er ist von Gott verflucht; wie es in Deuteronomium heißt: „Wer am Pfahl hängt, ist verflucht.“ Man war so enttäuscht, so desillusioniert, dass die Jünger nicht einmal sein Begräbnis besorgten, sondern dies irgend welchen Pharisäern überließen.

Es ist weder psychologisch noch theologisch vom damaligen jüdischen Glaubenshorizont her wahrscheinlich zu machen, nach einer kurzen Phase der Depression hätten die Jünger angefangen, phantasievolle Geschichten zu erfinden über leibhaftige Erscheinungen des vor aller Augen Gekreuzigten und schließlich hätten sie sogar noch das eigene Leben hingegeben für solche Ammenmärchen.

Auch wenn es für die Auferstehung Jesu, weil es ein transzendentes Ereignis ist, keine historischen Beweise geben kann – so gibt es doch schwerwiegende historische Hinweise, dass etwas absolut Neues, Fremdes, Unerwartetes, letztlich Unerfindbares eingebrochen ist in das Leben der Jünger; in das Leben der damaligen Frauen und Männer, die Jesus gefolgt waren, die in Seinem Tod alles verloren hatten und wenig später in unbändiger Freude aufbrachen, Ihn, den Gekreuzigten, als Lebenden, als Auferstandenen zu bezeugen und zu verkünden.

Dass wir heute hier in Garching und mit uns ein bis zwei Milliarden Christen weltweit Ostern feiern, kann man daher natürlich auf die überhitzte Phantasie von ein paar Juden damals zurückführen. Das ist jedem unbenommen. Mir erklärt es sich leichter und logischer, wenn ich glaube: Der Herr ist wirklich leibhaft erschienen, als einer der ersten Maria von Magdala, dem Simon Petrus, den Emmausjüngern und vielen anderen, die mit ihrem Leben bezeugt haben: „Der Herr lebt. Er ist wahrhaft auferstanden. Er hat den Tod bezwungen, um auch uns einst an seiner Auferstehung teilhaben zu lassen.“

Pfr. Bodo Windolf

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