Predigt vom 23. April 2006

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Schalom – anstelle des Gegensatzes von Mein und Dein"
Predigttext

Zweiter Ostersonntag  23. April 2006
Les: Apg 4,32-35; 1 Joh 5,1-6
Ev: Joh 20,19-31

Schalom – anstelle des Gegensatzes von Mein und Dein

Friede ist das zentrale Wort des heutigen Evangeliums. Im Hintergrund steht das hebräische Wort „schalom“, das etwas viel Umfassenderes meint als unser deutsches Wort „Friede“. Schalom meint umfassendes Heil, ein Heilsein und Heilwerden, das alle Bereiche unseres Lebens erfasst; es meint auch die Herstellung des Rechts und der Gerechtigkeit; es meint vor allem das Heilwerden aller Beziehungen, in denen wir stehen, vertikal nach oben die Beziehung zu Gott, horizontal die Beziehung zu unseren Mitmenschen, vertikal nach unten unsere Beziehungen zu den Dingen dieser Welt. Schalom bezeichnet im Wesentlichen den Sinn des Erlösungswerkes. Jesus übergibt der Kirche das Sakrament für Schalom, das der Sündenvergebung, damit Friede werde durch Barmherzigkeit und Vergebung.

Schalom spricht eine Ursehnsucht in uns allen, in allen Menschen an. Eine Ursehnsucht, die so utopisch erscheint in unserer so friedlosen Welt. Der, der seinen Jüngern den Frieden, Schalom zuspricht, ist der, der die Wunden unserer Friedlosigkeit am Leibe trägt; der sie bleibend am Leibe trägt, der sie mit in die Ewigkeit nimmt; bis in Ewigkeit gezeichnet bleibt von den Wunden, die wir Ihm geschlagen haben; und der Thomas einlädt, seine Hand in diese Wunden zu legen, sie zu berühren, damit er – welches Paradox – von diesen Wunden geheilt werde. Die Wunden der Liebe heilen die Wunden des Bösen; sie heilen seine Zweifel, sie heilen seinen Unglauben.

Wie gelangt dieser Friede zu uns? Nicht anders als so wie damals im Obergemach des Abendmahlssaals, wo sich die Jünger aus Furcht vor den Juden versteckt halten. Durch verschlossene Türen tritt Er in ihre Mitte. Ihn aufnehmen, einlassen, in die Mitte – dies beschreibt der Evangelist als Schlüssel zu Schalom, zum Frieden, zum Heilwerden unseres Lebens und unserer Beziehungen. In Ehen, Familien, Pfarrgemeinden, in jeglicher Gemeinschaft, in der die einzelnen auf Christus schauen und wo sie dies gemeinsam tun – werden natürlich nicht gleich alle Spannungen und Probleme aufhören; aber sie werden immer wieder Lösung und Auflösung finden in den Frieden Christi hinein. Er ist der Fluchtpunkt, der die kriegstreibenden Gegensätze unter den Menschen zusammenführen kann in sein Schalom. Einzige Bedingung; dass wir den Blick auf Ihn als die Mitte, als Mitte der Ehe, als Mitte der Familie, als Mitte der Pfarrgemeinde, als Mitte der Kirche, als Mitte aller Gläubigen nicht verlieren.

Wo das geschieht, kann geschehen und wahr werden, was wir eher als reine Utopie anzusehen geneigt sind, was aber Lukas als den realen Anfang der noch ganz jungen Kirche beschreibt. „Die Gemeinde war ein Herz und eine Seele. Niemand nannte etwas sein Eigen. Sie hatten alles gemeinsam.“

Die Entgegensetzung von Mein und Dein ist die Wurzel der meisten Konflikte und Friedlosigkeiten auf unserer Erde: meine Interessen gegen deine, meine Wünsche und Bedürfnisse gegen die deinen, mein Besitz auf Kosten des deinen, mein Spaß auf Kosten deiner Freude.

Das urkirchliche „Sie hatten alles gemeinsam“ ist dabei wesentlich mehr als nur ein durch Kompromisse erzielter Interessensausgleich, mehr als eine Art biblischer Urkommunismus mit der Vergesellschaftung des Privateigentums. Es ist die Bereitschaft, radikal Verantwortung füreinander zu übernehmen; das Eigene nicht einfach nur als das Eigene zu nehmen, das es zu verteidigen und zu vermehren gilt, sondern als das, was mir in dem Augenblick gar nicht mehr wirklich gehört, wo ich neben mir einen Bedürftigen weiß.

Wo wir unseren Blick fixieren auf Mein und Dein, wird uns niemals Schalom zuteil. Wo wir diese Fixierung lösen und auf Christus schauen, und von Ihm her auf den Mitmenschen, für den ich Verantwortung trage und übernehme, wird Schalom, Friede, Heilung unserer Beziehung möglich werden. Wo dies gelingt, haben wir ein Stück Urkirche in unseren Familien, in unseren Pfarrgemeinden, in uns selbst.

Pfr. Bodo Windolf

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