Predigt vom 30. April 2006

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Körperkult und christliche Leibkultur"
Predigttext

3. Ostersonntag  30. April 2006
Les: Apg 3,12a.13-15.17-19; 1 Joh 2,1-5a
Ev:Lk 24,35-48

Körperkult und christliche Leibkultur

Nichts liebt und hätschelt der Mensch so gern wie seine Vorurteile, ganz besonders die gegenüber Christentum und Kirche. Eines der ausgesprochen beliebten Vorurteile lautet auf Leibfeindlichkeit. Dazu hat das heutige Evangelium einiges Interessante zu sagen. Doch bevor wir in den Text hineinhören, möchte ich einen Blick auf unser modernes Verhältnis zu unserem Körper und Leib werfen.

„Warum habe ich nur diese blöden dicken Schenkel? Wie komme ich endlich zu Konfektionsgröße 38? Wie kriege ich bloß die Gesichts- und die Fettfalten weg? Welche Frisur passt am besten zu meinem Typ? Was ziehe ich heute bloß an?“ Diese und ähnliche Fragen gehören zum inneren Alltagsmonolog unzähliger Mädchen und Frauen, und – was ich mich beeile hinzuzufügen – von immer mehr Jungs und Männern. Der Kult um die Schönheit des Körpers ist ein Phänomen, das unsere Alltagskultur seit den 1980er Jahren mehr und mehr prägt und schon lange kein reines Frauenthema mehr ist. Typen wie der englische Fußballer David Beckham und viele andere männliche Stars der Sport-, Kino- und Popszene zeigen, dass die Präsentation des eigenen gestylten Körpers auch die Männerwelt erobert hat. Kosmetik- und Modebranche, Tattoo- und Piercingstudios, Fitness- und Wellnesstempel, Solarien und Schönheitsoperationen stellen einen riesigen prosperierenden Markt dar. Plastische Chirurgie, Fettabsaugen, Spritzen von Nervengift zur Faltenbekämpfung zeugen vom inbrünstigen Glauben an die Machbarkeit des schönen Körpers. Es ist geradezu unglaublich, welche Opfer dem Schönheitsgott dargebracht werden.

Diese hohe Bewertung der eigenen Körperlichkeit hat freilich auch ihre Kehrseite. Es gibt Umfragen, nach denen kaum 10% der Frauen mit dem eigenen Aussehen zufrieden sind. Natürlich gilt auch hier: Glaube keiner Umfrage oder Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Aber selbst wenn es mehr sein sollten, die ihr eigenes Aussehen mögen, so gibt es doch Unzählige, die sich mit dem frustrierenden Gefühl plagen, dem geltenden Schönheitsideal nicht zu entsprechen. Die Unbarmherzigkeit der geltenden Schönheitsnormen, die keinen Pickel und keine andere (angebliche) körperliche Unvollkommenheit verzeihen, führen bei nicht wenigen zu einem Strudel aus Selbsthass und ewigem Kreisen um sich und eben diese Unvollkommenheiten, erzeugen Angst davor, nicht der Schönheitsnorm zu entsprechen, nicht zuletzt auch Angst vor dem Alt- und Gebrechlichwerden; immer mehr Jugendliche leiden an Essstörungen; Körperlust wird für viel zu viele zu Körperfrust.

Wie passend dazu die heutige tz-Schlagzeile, die ich gerade eben beim Vorbeiradeln an einem Zeitungsständer gelesen habe: „Erforscht: Wie Schönheit wirklich aussieht. Die tz zeigt die perfekten Gesichter.“

Wie religiös aufgeladen das Ganze ist, verrät die Sprache. Innerhalb der Schönheitsreligion bedeutet das Wort „sündigen“ so gut wie ausschließlich den Verzehr kalorienreicher Speisen. Die Heilsverheißung der Kosmetikfirma Elisabeth Arden für den Gebrauch ihrer Produkte liest sich so: „Vergebung für gestern, ein besseres Heute, ein vollkommenes Morgen.“ „Makellose Reinheit und Vollkommenheit“ der Haut, des Aussehens und so weiter ist einer der Zentralbegriffe des modernen Schönheitskultes. In einer Zeitschrift ist der wahre Satz zu lesen: „Der Wunsch, gut auszusehen, ersetzt den Wunsch, Gutes zu tun.“ (15)

Was steckt hinter diesen Phänomenen, bei denen Körperkult so schnell umschlägt in Körperhass, ja in Selbsthass, und sich beides als die zwei Seiten ein und derselben Medaille erweisen?

Zunächst einmal scheint mir dieses Phänomen Ausdruck einer weit verbreiteten übergroßen Alters- und Todesangst zu sein, bei der das Altwerden, Verwelken, das Faltigwerden und Ergrauen als Vorboten des Exitus, des hoffnungslosen Todes angesehen werden. Der Gesundheitskult ist ohne Zweifel wie der Schönheitskult das Kind derselben verdrängten Todesangst.

Ein weiteres Merkmal ist die reine Diesseitsorientierung dieses Phänomens, das zu einer Ersatzreligion wird, die oft nur die innere Leere mit vielen Äußerlichkeiten übertüncht.

Für beides gilt: Was man früher erst für den Himmel erhoffte, muss nun alles schon die Erde bieten. Man möchte zumindest die Illusion ewiger Jugend, makelloser Schönheit hier und jetzt etc. erwecken. Es grassiert die Angst, etwas zu verpassen, was dieses Leben zu bieten hat. Furchtbar, wenn diese Illusion sich endgültig als trügerisch erweist.

Aber mindestens ebenso sehr steht hinter diesen Phänomenen einfach die Sehnsucht nach Bewunderung und Anerkennung, nach Angenommen- und Geliebtsein. Wobei, selbst wenn es jemandem aufgrund ihrer (oder seiner) äußeren Schönheit zuteil wird, ein leeres und schales Gefühl bleibt, nämlich die bohrende Frage: „Und von wem werde ich geliebt in meinem inneren Wesen, so wie ich bin, auch und gerade mit meinen Unvollkommenheiten?“

Was auf all das vom Evangelium her zu sagen wäre, würde noch einmal eine eigene Predigt erfordern, was ich Ihnen aber ersparen möchte. Ich will mich mit zwei Bemerkungen begnügen.

Alle Evangelisten, auch Lukas, den wir heute gehört haben, legen größten Wert darauf, dass Jesus Seinen Jüngern leiblich erschienen ist. Er hat einen verklärten, verwandelten, nicht mehr unseren irdischen Gesetzmäßigkeiten unterworfenen Leib, aber eben einen wahren Leib. Allein das zeigt, wie hoch im Christentum im Gegensatz zu den meisten anderen Religionen der Menschheit der Leib wertgeschätzt wird. Er wird nicht  zum Abfall der Geschichte geworfen, sondern er soll und darf einmal teilhaben, freilich in verwandelter Weise, an der Ewigkeit und Vollendung des Himmels.

Sich selber schön herzurichten, was ein ganz natürlicher Antrieb ist, ist daher eine Weise, den Wert dieses mir von Gott geschenkten Leibes zu achten. Aber dies ist etwas gänzlich anderes als die Vergötzung des Leibes. Die falschen Götter schlagen immer irgendwann zurück. Und wie leidvoll dies sein kann in bezug auf den Götzenkult am Körper, erfahren unzählige Menschen!

Die christliche Einstellung zum Leib ist, ihn anzunehmen in seiner Schönheit und in seinen Unvollkommenheiten, und diesen Leib zu einem Werkzeug einer guten Seele zu machen. Denn alles, was ich mit meinem Leib an Gutem denke, was ich an Gutem spreche und mitteile, was ich an Gutem wirke und nicht zuletzt, was ich in meinem Leib leide, was ich, wenn unvermeidbar, annehme an Krankheit, Gebrechlichkeit und Altwerden – alles das wird ein Teil meiner Person und es wird verwandelt eingehen in die Ewigkeit des Himmels.

Genau das ist gemeint, wenn wir Christen von „Auferstehung“ sprechen. Die Wundmale des Auferstandenen sind der sichtbare Ausdruck für diese Wahrheit, dass unsere im Leib gelebte persönliche Geschichte mitaufgenommen wird in die Ewigkeit Gottes. Daher ist weder Leibfeindlichkeit noch Leibvergötzung die Sache eines echten Christen, wohl aber die Annahme des eigenen Leibes als Geschenk meines Schöpfers, berufen, in ihm und mit ihm Gutes zu wirken und einst einzugehen und teilzuhaben an der Auferstehungsherrlichkeit Jesu Christi.


Pfr. Bodo Windolf

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