Predigt vom 14. Mai 2006  Muttertag

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Zum Muttertag: Betreuung – Elterngeld – Mutter sein"
Predigttext

5. Ostersonntag  14. Mai 2006
Les: Apg 9,26-31; 1 Joh 3,18-24
Ev: Joh 15,1-8

Zum Muttertag: Betreuung – Elterngeld – Mutter sein

Mir scheint, das sich das Geheimnis vom Weinstock und den Reben, passend zum heutigen Muttertag, gut eignet, auf eine der ganz aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten einen Blick zu werfen.

Das Bild Jesu ist ja unmittelbar einleuchtend. Getrennt vom Weinstock und damit ohne dessen Lebenssaft kann eine Rebe weder leben noch Frucht bringen. Sie verdorrt. Etwas ganz ähnliches kennen wir aus dem frühesten Stadium unserer Existenz. Neun Monate lang waren wir gleichsam angedockt an den Blut- und Lebenskreislauf unserer Mütter. Als bei unserer Geburt die Nabelschnur durchtrennt wurde, wurden wir nur in eine sehr relative Eigenständigkeit entlassen. Als biologische Frühgeburt war uns nach dem Verlassen des „uterus corparalis“, also nach dem Verlassen des leiblichen Uterus unserer Mutter, die Bergung im „uterus spiritualis“, im geistigen Uterus der Familie –  wie ihn Thomas von Aquin nennt – überlebensnotwendig. Jüngste Ergebnisse der frühkindlichen Hirnforschung und der Neurobiologie haben bestätigt, was gute Pädagogen schon lange wissen: die ersten drei Lebensjahre im „uterus spiritualis“ sind absolut entscheidend für die geistig und seelisch gesunde Entwicklung eines Menschen, mit bleibenden Auswirkungen für das ganze Leben im Guten wie im Bösen. Vor allem der Zusammenhang von mütterlicher Zuwendung und geistig-seelischer Gesundheit ist auch und gerade in vielen Langzeitstudien bestens erforscht.

Liebe Gemeinde!

Mir scheint, dass die derzeitige sog. „Familienpolitik“ sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie mit geradezu besessener Konsequenz alle diese Erkenntnisse ignoriert und so tut, als wäre Muttersein eine beliebig austauschbare Rolle. Es ist frustrierend zu sehen, wie hier rechts und links, schwarz und rot in ideologischem Gleichschritt marschieren.

Stichwort: Betreuung

Eine Allensbachumfrage hat ergeben, dass gut die Hälfte der Kinderlosen Kinder bekäme, wenn sich ihre finanzielle Situation nicht so dramatisch verschlechtern würde. Zu beobachten ist: Immer mehr Kinder geraten unter die Armutsgrenze; die Schere zwischen dem Verdienst Kinderloser und dem der Familien klafft seit Jahren immer weiter auseinander. Finanziell wird de facto niemand so ausgebeutet wie die Familien.

Mangelnde Betreuungsmöglichkeit wird nur von 14% als Grund für die Kinderlosigkeit angeführt. Wie weit hinten auf der Prioritätenliste potentieller Eltern der Wunsch nach öffentlicher Betreuung der Kinder rangiert, zeigt sich an der Tatsache, dass nirgends das Betreuungsnetz so dicht ist wie in Ostdeutschland, nirgends aber auch die Geburtenrate so niedrig. Viele Mütter spüren es intuitiv: Muttersein ist mehr als ein Kind in die Welt zu setzen und es dann möglichst bald wegzugeben in fremde Hände – wobei ich natürlich weiß, dass nicht wenige einfach aus finanziellen Gründen dazu gezwungen werden. Das Problem aber ist eine Politik, die ein Anreizsystem schafft, das Eltern geradezu drängt, ihr Kind möglichst schnell durch andere versorgen zu lassen.

Stichwort: Elterngeld

Es geschieht mal wieder das Übliche: was die eine Hand gibt, nimmt die andere wieder weg (so wird die Auszahlung des Kindergeldes um zwei Jahre reduziert, die Mehrwertsteuererhöhung trifft die Familien besonders empfindlich).  Darüber hinaus wird das nur ein Jahr ausgezahlte Elterngeld dazu führen, dass die dreijährige Elternzeit noch seltener ausgeschöpft wird. Entwicklungspsychologisch weiß man, dass es für ein Baby gar keinen ungünstigeren Zeitpunkt für einen Wechsel der Hauptbezugsperson gibt, als nach zehn bis zwölf Monaten. Panikattacken, Depressionen, Aggressionen Angstneurosen im Kindes- und Jugendalter werden in diesen Fällen besonders häufig beobachtet.

Außerdem ist das Elterngeld ein „vergiftetes Geschenk“, wie die FAZ vor einiger Zeit schrieb; denn es stellt nicht – was ich gerade am Muttertag betonen will – die Anerkennung für eine unverzichtbar-wertvolle Tätigkeit von Eltern, vor allem von Müttern dar, sondern versteht sich als Ersatz für ausfallendes Erwerbseinkommen. Die so genannte „nur Hausfrau“, die aus freier Entscheidung sich selbst um ihre Kinder kümmern will, bekommt entsprechend höchstens 300,- Euro, die pausierende Beruftätige bis zu 1800,- Euro. Deutlicher kann man kaum mehr unterstreichen, was gesellschaftlich anerkannt und was gering geachtet wird. Bis in den Sprachgebrauch hinein drückt sich das aus; denn ganz selbstverständlich heißt es über eine Frau, die bei ihren kleinen Kindern bleibt, dass sie „nicht arbeitet“. Auch das neue Antidiskriminierungsgesetz wird an dieser Art von Diskriminierung einer nach wie vor nicht kleinen Gruppe von Müttern, die daheim bleiben bei ihren Kindern, nichts ändern – und vermutlich auch gar nicht wollen.

Die zuständige Ministerin gibt übrigens selbst zu, dass das Elterngeld keine familienpolitische, sondern eine arbeitsmarktpolitische und wirtschaftliche Maßnahme ist. Die Wirtschaft wird es ihr danken. Die Kinder vermutlich weniger, nach deren Wohl mal wieder zu allerletzt gefragt wird.

Liebe Gemeinde!

Was bezwecke ich mit diesem Ausflug ins gesellschaftspolitische Tagesgeschäft? Anlass war der heutige Muttertag. Die Brücke zum Evangelium sehe ich darin, dass das, was Jesus über das übernatürliche Leben sagt – dass wir nämlich nur lebendige Christen sein können, wenn wir in lebendiger Beziehung zu Ihm, Christus, stehen – eine Wahrheit ist, die auch für unser natürliches Leben gilt. Daher hoffe ich sehr, dass Sie dies nicht als ein Plädoyer für das Zurück von Frauen an Küche und Herd verstehen. Ich selber denke, dass dies Eltern und insbesondere Mütter selbst entscheiden sollen, meine aber, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen müsste, die zu einer echten Wahlfreiheit zum Beispiel zwischen Eigen- oder Fremdbetreuung führt und nicht alles auf die eine Karte möglichst früher Fremdbetreuung setzt, leider nur oft zum Schaden der Kinder.

Vor allem aber gilt es, dem Beruf der Mutter, der gelebt sein muss und von vielen gelebt wird als Berufung, jene gesellschaftliche und vielleicht auch einmal finanzielle Annerkennung und Hochachtung zu geben, die er verdient entsprechend dem hohen Wert, den er für alle, für die ganze Gesellschaft hat.

In diesem Sinn wünsche ich allen Müttern, die hier in der Kirche sind, Glück und Segen nicht nur zum heutigen Muttertag, sondern auch für die übrigen Tage des Jahres.


Pfr. Bodo Windolf

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