Predigt vom 4. Juni 2006  Pfingsten

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Musik – die „achte Gabe“ des Heiligen Geistes"
Predigttext

Pfingsten 4. Juni 2006
Les: Apg 2,1-11; 1 Kor 12,3b-7.12-13 oder Gal 5,16-25
Ev: Joh 20,19-23 oder Joh 15,26-27; 16,12-15

Musik – die „achte Gabe“ des Heiligen Geistes

Würden wir ein Quiz veranstalten, wäre es sicher einmal gar nicht so uninteressant festzustellen, wie viele hier im Kirchenraum in der Lage wären, die alte Katechismusfrage zu beantworten, wie viele Gaben des Heiligen Geistes in der Bibel genannt werden und wie sie lauten. Da ich niemanden in Verlegenheit bringen will, beantworte ich sie selber: Es sind sieben und es handelt sich um die Gaben der Weisheit und des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Wissenschaft und der Frömmigkeit sowie der Gottesfurcht. Allerdings will ich heute nicht darüber handeln, sondern über eine gleichsam „achte Gabe“, die zwar nicht offiziell im Kanon der Gaben des Geistes auftaucht; die ich aber nichts desto weniger als eine solche bezeichnen möchte: ich meine die Gabe der Musik.

Im Brief an die Kolosser schreibt Paulus: „Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt.“ Musik, wie sie der Geist eingibt. Heißt das nicht: Es gibt hier auf Erden eine Musik, die gleichsam aus dem Herzen Gottes, aus dem Herzen des Heiligen Geistes selbst stammt; eine Musik, in der etwas vom Himmel widerklingt; eine Musik, die uns die Schönheit Gottes und die Schönheit des Himmels hörbar macht?

Bevor ich dazu näheres sage, ein paar allgemeine Gedanken zur Musik:

Alle Musik der Menschheit hat ihren Ursprung im Religiösen, im Kult, im singenden Lobpreis Gottes oder der Götter.

Dabei kann man, sehr grob gesprochen, zwei grundsätzliche Richtungen unterscheiden. Der eine Typus der Musik hat sich in der Liturgie Israels, im Singen und Spielen der Psalmen ausgebildet. Charakteristisch für dieses Psalmodieren ist, dass es strikt wortbezogen ist; es bringt das Wort zum Klingen; das jubelnde, dankende, bittende, klagende Wort. Die Musik und der Gesang wollen dabei den Verstand nicht ausschalten, sondern ihn in die Klarheit des Geistes Jahwes versetzen.

Ganz anders der zweite Typus, wie er uns z. B. in den griechischen Mysterienkulten und den Kulten vieler anderer Religionen begegnet. Die Musik bekommt hier orgiastischen Charakter, ist ähnlich einer Droge dem Rausch, der Betäubung, der Ekstase zugeordnet. Im Streben nach der Einheit mit dem Göttlichen will der Mensch mit Hilfe der Raserei des Rhythmus, der Raserei der Instrumente und der Lautstärke die Begrenztheit des Ich abstreifen und sein Personsein im Rausch der Ekstase an das Göttliche verlieren.

In profanisierter Form kehrt diese Musik – die den Menschen enthemmt, bei der man sich selbst nicht mehr kennt, bei der der Einzelne aufgeht, hier nicht im Göttlichen, sondern in der Masse, bei der er gleichsam sein Personsein, seine Individualität verliert – wieder in verschiedenen Typen heutiger Musik, zum Beispiel im Heavy Metal und Black Metal (um nur zwei zu nennen). Wes Geistes Kind diese Musik ist, sieht man daran, dass sie nicht die Persönlichkeit eines Menschen fördert, sondern ausschaltet und gleichschaltet mit der Masse, oft erotisch und gewalttätig enthemmt, nicht selten hysterisch, aggressiv, freudlos, bei übermäßigem Konsum sogar psychisch krank macht. Dass hier nicht der Heilige Geist am Werk ist, sondern ein Ungeist, der oft bis ins bewusst Satanische geht, ist mit Händen zu greifen in Teilen des heutigen Musikbetriebs.

Die christliche Liturgie und Musik ist von Anfang an einen anderen Weg gegangen, und zwar im Anschluss an die jüdische liturgische Musik, in ganz bewusster Abgrenzung zur orgiastisch-enthemmten Musik griechischer Kulte. Sie ist den Weg gegangen, bei dem die Musik den Menschen zu sich selbst bringt, die besten Kräfte in ihm weckt, die so seine Persönlichkeit bildet und ihn zu einer Person macht, die sich in vernünftiger, geistvoller und geistwürdiger Klarheit über sich selbst hinaus erhebt im Singen und Spielen und Musizieren für Gott und zur Freude der Menschen. Die alten Kirchenschriftsteller haben hier von einer „sobria ebrietas“, von einer nüchternen Trunkenheit im Heiligen Geist gesprochen; das heißt: in trunkener Freude und Liebe entrückt zu Gott, aber in nüchterner Klarheit zugleich ganz bei sich selbst.

Einen der ganz großen, wenn nicht den größten unter den Musikern, der uns gleichsam eine vom Heiligen Geist durchklärte und verklärte Musik geschenkt hat, feiert die Menschheit in diesem Jahr, nämlich Wolfgang Amadeus Mozart in Erinnerung an seinen 250. Geburtstag.

Einer der anerkanntesten Dirigenten unserer Zeit, Sir Georg Solti, hat über Mozart, (von dem wir heute eine Messe hören,) einmal folgendes gesagt: „Mozart, das ist ein Wunder Gottes. Zwei Dinge in meinem Leben haben mich in meinem Glauben an Gott ... bestärkt: Das eine war die Geburt meiner beiden Töchter ... Und das Zweite war und ist das Leben und Schaffen Mozarts.“ Der große evangelische Theologe Karl Barth hat es einmal fast humoristisch so ausgedrückt: „Ich bin nicht sicher, ob die Engel, wenn sie im Lobe Gottes begriffen sind, gerade Bach spielen, ich bin aber sicher, dass sie, wenn sie unter sich sind, Mozart spielen und dass ihnen dann doch auch der liebe Gott besonders gerne zuhört“. Und Sergiu Celebidache, der lange die Münchner Philharmoniker dirigiert hat, sagte es so: „Die Mozartsche Musik ist die unmittelbarste, die direkte Offenbarung des Göttlichen.“

Die große Musik, die das christliche Abendland hervorgebracht hat – angefangen von der Gregorianik über Palestrina, Bach, Händel, Mozart, Bruckner, um nur einige der Größten zu nennen (wobei ich an dieser Stelle nicht versäumen möchte, auch das einfache, von vielen Generationen gesungene Kirchenlied zu nennen) – ist eine der großen Gaben des Heiligen Geistes nicht nur an die Kirche und die Christenheit, sondern an die Menschheit insgesamt. Ich habe oft, wenn ich diese Musik höre, das Gefühl, dass sie gleichsam abgelauscht ist der Musik des Himmels, der himmlischen Liturgie der Engel und Heiligen, dass sie inspiriert und eingegeben ist vom Geist Gottes selbst. Sie ist für mich einer der deutlichsten (ich möchte fast sagen) Beweise für die Wahrheit des christlichen Menschenbildes und unseres Erlösungsglaubens. Es ist in unzähligen, bei weitem nicht nur geistlichen und liturgischen Kompositionen, eine Musik voller Wahrheit, erlöste Musik, von oft so berückender Schönheit, dass wir sie intuitiv als einen Widerklang des Himmels hier auf Erden empfinden können.

Wer liebt, wer glaubt, wer berührt ist von Gottes Geist, der fängt an, vor Freude an Gott zu singen. (Manchmal tun es andere stellvertretend für uns, wie heute der Chor). Freuen wir uns heute am Pfingsttag an der Gabe der Musik, an der Gabe des Gesangs und stimmen wir im Heiligen Geist ein in den Gesang des Himmels, in den Gesang der Engel und der Heiligen.

Pfr. Bodo Windolf

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