Predigt vom 11. Juni 2006  Dreifaltigkeitssonntag

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
"Verehren Christen, Juden und Moslems denselben Gott?"
Predigttext

Dreifaltigkeitssonntag 11. Juni 2006
Les: Dtn 4,32-34.39-40; Röm 8,14-17
Ev : Mt 28,16-20

Verehren Christen, Juden und Moslems denselben Gott?

Juden, Christen und Muslime glauben an Einen Gott. Glauben sie damit auch an denselben Gott? Dies ist eine heute häufig gestellte Frage. Der strikte Monotheismus der drei sogenannten abrahamitischen Religionen scheint ein Ja nahe zu legen. Nicht zuletzt auch die Erkenntnis, dass eine der zentralen Voraussetzungen für den Frieden unter den Völkern der Friede unter den Religionen ist, legt nahe, mehr das Gemeinsame als das Trennende zu betonen. Ob die Juden Gott anrufen als Jahwe oder Adonai, die Muslime als Allah, Allbarmherziger oder die Christen als Heiligste Dreifaltigkeit, als Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist – muss man nicht annehmen, dass unter verschiedenen Namen die Anrufung immer demselben Einen und Einzigen Gott gilt?

Ich denke, dass dies tatsächlich so ist und wir diese Gemeinsamkeit nicht stark genug betonen können und dass daher auch gemeinsames Beten vor allem mit Juden, wie es jüngst auf dem Katholikentag geschah, möglich ist. Die Frage ist nur, ob dies auch schon die ganze Wahrheit ist?

Werfen wir einen kurzen Blick auf die heutige erste Lesung: „Heute sollst du erkennen und dir zu Herzen nehmen: Jahwe ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst.“ Dieses „keiner sonst“ ist das zentrale jüdische Glaubensbekenntnis. Es ist gleichsam eine erste Revolutionierung des Gottesbildes. Das kleine, politisch vollkommen bedeutungslose Volk Israel schiebt alle Götter der Religionen beiseite, um sich nur noch einem einzigen Gott anzuvertrauen, der darüber hinaus nicht ein Teil dieser Welt ist, wie die „Beiseitegeschobenen“, sondern ihr Schöpfer. Dieses Glaubensbekenntnis betet jeder gläubige Jude bis heute dreimal täglich im so genannten  „Sch`ma Israel“: „Höre, Israel, Jahwe, euer Gott Jahwe ist einzig ...“  Genau dieses jüdische Glaubensbekenntnis greift Jahrhunderte später der Islam auf. Hier lautet es so: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Muhammad ist der Gesandte Gottes.“

Im jüdischen Alten Testament gibt es jedoch ein höchst interessantes Detail. Der Hochgott der Kanaaniter – jenes Volk, das Israel bei seinem Einzug ins Gelobte Land vorfindet – heißt „El“ (wovon übrigens auch Allah abgeleitet ist.) Diese Bezeichnung für Gott übernimmt Israel, allerdings mit einem kleinen Unterschied. Das Alte Testament benutzt stets die Pluralform dieser Gottesbezeichnung, nämlich „Elohim“. Wir haben hier also das paradoxe Phänomen, dass das jüdische Volk den Einen und Einzigen Gott mit einem Pluralwort bezeichnet. Das bedeutet: Gott ist Einer jenseits der mathematischen Eins, Er ist Einer in einer Fülle, die nur angemessen als Plural ausgedrückt werden kann. Ist Israel damit schon auf dem Weg hin zum neutestamentlichen Gottesverständnis?

Ich glaube, so kann man es sagen. Denn im Neuen Testament wird unser Gottesbild noch einmal revolutioniert. Was ist hier das Neue?

Das Neue ist der Glaube an einen Gott, der zwar Einer ist, aber nicht einsam; es ist der Glaube an einen Gott, der zwar Einer ist, es aber nie für sich allein sein wollte; es ist der Glaube an einen Gott, der sein Gottsein nie für sich festgehalten hat, sondern der es seit Ewigkeit verschenkt, hingibt, so sehr, dass Ihm gegenüber seit Ewigkeit eine zweite Weise besteht, Gott zu sein; es ist der Glaube an einen Gott, der in sich selbst Beziehung ist, Gemeinschaft von Zeugendem und Gezeugtem, von Vater und Sohn, von Ich und Du; aber nicht in Konkurrenz, sondern in einer Einheit der Liebe, die sich noch einmal so sehr gemeinsam verschenkt, dass gleichsam das „Wir“ dieser Liebe in Person hervorgeht, der Heilige Geist, das Liebesband zwischen Vater und Sohn als göttlicher Person; der, der das Ich und Du zum Wir zusammenschließt. All das sind dürre Worte, die ein unsagbares Geheimnis ausdrücken wollen, ohne es zu können; die aber vielleicht etwas von dem ahnen lassen, wer Gott in Seinem tiefsten Wesen ist.

Gott aber wollte nicht nur nicht in sich selbst allein sein, sondern auch nicht nach außen hin. So hat Er die Welt mit uns Menschen geschaffen, zu letztlich dem einzigen Zweck, dass Er uns teilhaben lassen möchte an der Sohnschaft des Sohnes Jesus Christus. Genau das drückt die Zweite Lesung aus: „ ... ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, ... der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!“

An dieser Stelle bricht wohl der eklatanteste Unterschied zum Islam auf. Während Israel auf dem Weg ist zum christlichen Gottesbild, dreht der Islam gleichsam die Uhren wieder zurück ins Alte Testament und betont immer wieder neu, dass Allah keinen Sohn hat. Das aber bedeutet, dass auch wir uns niemals als Kinder Gottes, als Söhne und Töchter des Vaters im Himmel verstehen dürfen, sondern als Knechte. Nicht Gottesliebe, Gottesfreundschaft, sondern Ergebung, Unterwerfung, strikter Gehorsam sind die zentralen Haltungen, muslimischen Gottesglaubens, ausgedrückt in der beeindruckenden Gebetshaltung des Sich-zu-Boden-Niederwerfens. Natürlich gehört dies auch zu einer christlichen Haltung. Aber wir glauben, dass das grundlegende Verhältnis, in das Gott uns ruft, noch viel größer ist, nicht das vom Herrn zum Sklaven, sondern das von Vater und Kind, geradezu zärtlich von Abba zu Sohn und Tochter.

Verehren die drei abrahamitischen Religionen denselben Gott?, das war die Anfangsfrage. Sie ist weder mit einem glatten Ja, noch mit einem glatten Nein zu beantworten. Insofern Gott Einer und einzig ist, ist es ohne Zweifel derselbe Gott, den wir unter verschiedenen Namen anrufen.

Insofern sich dieser Gott als dreieinige Liebe von Vater, Sohn und Heiligem Geist geoffenbart hat, dessen Wesen es ist, zu schenken und sich beschenken zu lassen, ist es ein anderer Gott; ein Gott, der nicht nur unser Gottesbild, sondern damit einhergehend auch unser Menschenbild und das Verhältnis Gottes zum Menschen wie auch der Menschen zu Gott auf überwältigende Weise vertieft, bereichert, verschönert hat. Denn Er lässt uns nicht mehr Knechte sein, sondern Söhne und Töchter, Kinder Gottes, die beten dürfen: Abba, Vater.

Pfr. Bodo Windolf

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