Predigt vom 16. Juli 2006

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

Thema: 
"Was das Endspiel der Weltmeisterschaft mit dem Propheten Amos zu tun hat"
Predigttext

15. Sonntag i. J. 16. Juli 2006
Les: Am 7,12-15¸ Eph 1,3-14
Ev : Mk 6,7-13

Was das Endspiel der Weltmeisterschaft mit dem Propheten Amos zu tun hat

 Was wird von der vergangenen Weltmeisterschaft in Erinnerung bleiben? Sicher ein im Vorfeld harsch kritisierter Trainer, der gegen den deutschen Beamtenfußball mit viel Mut an seinem Konzept festhielt und zum gefeierten Star der Weltmeisterschaft wurde. Eine deutsche Mannschaft, der zuzuschauen selbst noch in der Niederlage Spaß machte. Eine in Deutschland nicht für möglich gehaltene friedlich-patriotische Feierlaune und Gastfreundschaft. Schließlich ein Endspiel, das zwar Italien zum Weltmeister machte, von dem aber wohl kaum sportliche Bilder im Gedächtnis haften bleiben, sondern der tragische Abgang eines großen Fußballspielers, des Franzosen algerischer Herkunft Zinedine Zidane.

 Für seinen stierartigen Kopfstoß entschuldigte er sich bei allen Kindern, die ihn gesehen hatten und denen er diese Reaktion unter keinen Umständen zur Nachahmung empfehlen möchte, sowie bei allen Pädagogen, die Kindern und Jugendlichen einen angemessenen Umgang mit Streit und Aggression und den Unterschied von Gut und Böse vermitteln wollen. Aber mit restloser Entschiedenheit sagte er auch: „Ich kann meine Handlung nicht bedauern. Weil das bedeuten würde, dass er das Recht hatte, es zu sagen. Ich kann es nicht, ich kann es nicht, ich kann es nicht sagen. Nein, er hat kein Recht, das zu sagen, was er sagt.“

 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom letzten Freitag hat dazu geschrieben, dass Zidanes Worten, dieser vierfachen Verneinung, etwas alttestamentarisches anhaftet: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

 Ist diese Beurteilung gerechtfertigt? Mir scheint, man muss da etwas genauer hinschauen. Wo es um das eigene Auge und um den eigenen Zahn geht, sagt der Jesus des Neuen Testaments in der Tat: Nicht Auge um Auge und Zahn um Zahn ,sondern: Halte eher noch deine andere Wange hin, als dass du zurückschlägst. Aber gilt dieses Wort aus der Bergpredigt auch, wenn es um Auge und Zahn eines anderen geht?

Wenn wir uns Jesu Verhalten zum Maßstab nehmen, dann können wir es zumindest nicht so ohne weiteres bejahen. Denn als es nicht um Seine eigene Ehre ging, sondern um die des Vaters, seines Vaters im Himmel, konnte Jesus auch zornig, ja gewalttätig werden. „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markt- und Räuberhöhle“, mit diesen Worten und mit unbändiger Kraft stieß Er die Tische der Geldwechsler und Händler um und vertrieb sie mit Gewalt aus dem Tempelbezirk.

 Was macht der Franzose? Er setzte einem Provokateur und Beleidiger eine Grenze und ließ so dieses Schandmaul verstummen. Er verteidigte nicht sein eigenes Auge, das heißt, seine eigene Ehre, sondern – wenn man seiner Aussage Glauben schenken darf, wogegen eigentlich nichts spricht – die Ehre von in diesem Augenblick wehrlosen Frauen, die er liebte. Ob das Mittel, mit dem er dies tat, das Richtige war, sei dahingestellt. Die Motivation war ritterlich. Zum eigenen Schaden hat er Partei ergriffen für die Ehre anderer. Ich kann verstehen, dass er nicht in der Lage ist, seine Tat zu bedauern. Und dass ein Spieler nicht mit sportlichen Mitteln, sondern mit einer solch obszönen Unsportlichkeit einen Weltmeistertitel erringt, lässt einen faden Geschmack zurück.

Warum dieser lange Ausflug auf die inzwischen leer geräumte Weltmeisterschaftsbühne? Es ist die heutige Lesung aus dem Buch Amos, die mich zu diesem Ausflug veranlasst hat. In ihr begegnet uns einer der ersten, wenn nicht der erste Prophet in Israel, der für eine entschiedene Parteilichkeit Gottes steht. Eine Parteilichkeit Gottes für die „kleinen Leute“, Sklaven, Freunde, Witwen, Waisen, Entrechteten, Ausgebeuteten. Die Götter der Völker stehen im Allgemeinen auf der Seite der Großen, Starken, Mächtigen und Siegreichen. Wer siegt hat die stärkeren Götter auf seiner Seite gegenüber den schwächeren der Unterlegenen.

In Israel wird sich ein anderes Gottesbild durchsetzen. In Israel beginnt mit dem Propheten Amos – er wirkt etwa ab 760 v. Chr. in Israel – eine Jahrhunderte andauernde prophetische Kritik an den sozialen Zuständen im Gottesvolk. Man feiert rauschende Gottesdienste für Jahwe, zugleich aber tritt man die Ehre der kleinen Leute mit Füßen.

 Mit Amos beginnt jene Entwicklung, innerhalb derer Menschenrechte zu Gottwesrechten werden. Gott tritt ein für das Recht und die Ehre der Wehrlosen und Er straft die, die Rechte und Ehre anderer mit Füßen treten. Amos muss dieses Gericht als Prophet verkündigen (was ihn in die völlige Isolation treibt), das heißt den baldigen Untergang des Nordreiches Israel, der dann im Jahr 722 v. Chr. durch den Ansturm der Assyrer auch eintrat.

 Mit Amos beginnt eine Entwicklung, ohne die es wohl nie zu den Erklärungen der Menschenrechte in unseren modernen Verfassungsstaaten gekommen wäre. Amos spricht als ein Prophet, der gegen die Priester und die Mächtigen in Israel Gott auf seiner Seite weiß. Er spricht als einer, der Gott auf der Seite der Wehrlosen und Entrechteten weiß und der deren Recht und Ehre auch durchsetzen wird.

Pfr. Bodo Windolf

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