Predigt vom 24. Dezember 2006  - Christmette

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Bethlehem – das „Haus des Brotes“ – ist mitten unter uns"
Predigttext

Christmette 24. Dezember 2006
Les: Jes 9,1-6 ;Tit 2,11-14
Ev: Lk 2,1-14

Bethlehem – das „Haus des Brotes“ – ist mitten unter uns 

Das Geheimnis der Weihnacht hat eine der großen Frauengestalten des Mittelalters, die hl. Hildegard von Bingen, in den folgenden schönen Satz gekleidet: „Gottes Sohn wurde Mensch, damit der Mensch seine Heimat habe in Gott.“

Eigentlich müssten wir jetzt innehalten für eine kurze Stille, um einmal nachzudenken über die Frage: Was ist eigentlich meine Heimat? Trifft dieser Satz auf mich zu? Habe ich meine Heimat auch in Gott?

Aber was ist Heimat?

Heimat ist ohne Zweifel da, wo wir unsere Wurzeln haben; wo ich Kraft, Nahrung, Energie schöpfe für mein alltägliches Leben. Heimat ist da, wie der Philosoph Karl Jaspers sagt, „wo ich verstehe und wo ich verstanden werde.“

Bevor ich das weiter vertiefe, zuerst ein Blick auf das neugeborene Kind im Stall zu Bethlehem, und zwar unter dem Stichwort „Heimat“. Gott verlässt Seine Heimat, die Heimat des Himmels, um Heimat zu finden in der Fremde, auf der fremdelnden Erde. Dass in der Herberge kein Platz für Ihn war, ist kein Zufall; es ist auch Sinnbild, Sinnbild dafür, wie schwer wir Menschen uns tun, Ihm, Gott, Gottes Sohn, Herberge zu gewähren – hier auf der Erde, hier in uns selbst.

Nichts desto trotz – Gott hat sich entschlossen, Heimat zu finden, sich einzuwurzeln auf der Erde. Schon Israel glaubte, dass Gott eine Wohnung unter den Menschen hat. Für sie war es der Tempel zu Jerusalem, genauer: das Allerheiligste im Innersten des Tempels, das der jüdische Hohepriester nur einmal im Jahr am Versöhnungstag betreten durfte. Hier war die sog. Schekhina daheim, Ausdruck für die Einwohnung Gottes unter seinem Volk. Zur Zeit Jesu war das Allerheiligste allerdings leer, so als müsse dieser leere Platz noch durch etwas anderes ausgefüllt werden. Und tatsächlich – Gott genügte es nicht nur, geistig unter den Menschen zu wohnen, Er wollte auch leiblich unter ihnen sein, sich einwurzeln, Heimat gewinnen im Fleisch, anschaubar werden im einen menschlichen Antlitz.

Wie schon gesagt – es war und es ist nicht leicht für Gott, hier auf Erden Heimat zu finden: das „Hinaus, hier ist kein Platz, keine Herberge!“, das „Hinaus, kreuzige ihn“, ertönt am Anfang wie am Ende Seinen Erdenlebens, damals und bis heute.

Aber – damals und heute gab und gibt es immer auch einige – es war immer eine Minderheit – in denen Gott tatsächlich Heimat, Herberge fand. „Die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“, so drückt es Johannes aus. Und für sie, diese Minderheit, ist der Satz wahr geworden: „Gottes Sohn wurde Mensch, damit der Mensch seine Heimat habe in Gott.“

Wie gelingt das? Es gelingt, indem wir uns immer wieder so wie die Hirten aufmachen nach Bethlehem.

Aber wo ist Bethlehem? Mit den Kindern der dritten Klasse gehe ich Jahr für Jahr in die Alte Pinakothek, wo wir uns unter anderem die Verehrung Jesu durch die drei Sterndeuter anschauen, gemalt von Rogier van der Weyden. Der Stall ist gemalt im Vordergrund einer Stadt aus der Zeit des Malers. Was der Künstler damit ausdrücken will, ist offensichtlich: Bethlehem ist überall, an jedem Ort, zu jeder Zeit, wo Menschen sich auf den Weg machen zum göttlichen Kind, dem göttlichen Kind begegnen und dieses Kind zum Brot, zur Nahrung für ihr Leben werden lassen. „Haus des Brotes“ – das bedeutet wörtlich aus dem Hebräischen übersetzt Bethlehem.

Wenn wir diesen Gedanken weiterspinnen, dann bedeutet das: Bethlehem ist auch in Garching. Der Stall von Bethlehem ist die Kirche. Die Krippe im Stall ist der Ambo und der Altar mit der Hostienschale und dem Kelch, die Orte also, wo dieses Kind, wo Christus sich uns als das Brot des Lebens schenkt: Im Brot Seines Wortes, im Brot seines Sakramentes.

Wie schön, dass es heute so viele sind, die sich auf den Weg gemacht haben hierher nach „Bethlehem“, zum „Haus des Brotes“ in dieser unserer Kirche. Wie traurig allerdings, dass es sonntags unter dem Jahr so viel weniger sind, die den Weg hierher nach Bethlehem finden. Sind es überhaupt noch zwischen 5-8 % der Garchinger/Hochbrücker?

Ich glaube und ich hoffe, dass ich niemandem zu nahe trete, wenn ich diesen Treuen, diesen kaum 5-8 % am heutigen Tag meinen herzlichen Dank ausdrücke; denn sie sind der Grund, dass wir die Kirchen in unserer Stadt noch nicht schließen mussten. Kämen auch sie nicht, dann gäbe es auch kein Bethlehem, kein „Haus des Brotes“, kein „Haus des Gottesbrotes mehr in Garching/Hochbrück und damit auch nicht diese heutige Christmette. Denn diese Feier lebt davon, nicht nur einmal im Jahr stattzufinden, sondern im Rhythmus der Wochen des Jahres an jedem Sonntag.

Oft frage ich mich: Was wird in ein paar Jahren sein, wenn es die nicht mehr gibt, die den sonntäglichen Gottesdienst dadurch tragen, dass sie ganz selbstverständlich da sind, Sonntag für Sonntag. Wir hören aus anderen Diözesen, dass viele Kirchen geschlossen werden. Ob dies irgendwann auch für unsere Stadt gilt – das liegt in den Händen von uns allen, insbesondere der Jüngeren, ob sie fortführen, was andere vorgelebt haben.

Wir alle brauchen Bethlehem, das „Haus des Brotes“, nicht irgendwo, sondern mitten unter uns. Eine Welt, in der das Brot des Wortes Gottes – nicht irgendeines Gottes, sondern des menschgewordenen Gottes – nicht mehr verkündet wird, wo es nicht mehr Menschen aufrichtet und mahnt, Trost gibt und Hoffnung, Neugeborene, Kinder, Jugendliche, Kranke, Sterbende begleitet und stärkt, eine Welt, in der Christus als Brot des Lebens nicht mehr gegenwärtig wird auf der Krippe des Altars, eine solche Welt wird heimatlos, dunkel, oberflächlich, banal, egoistisch, lieblos, so dass jeder nur noch sich selbst der Nächste ist.

Sind wir auf dem Weg zu einer solchen Welt? Die Antwort liegt, um es noch einmal zu sagen, in der Hand eines jeden von uns.

„Gottes Sohn wurde Mensch, damit der Mensch seine Heimat habe in Gott.“ Hier, im modernen „Bethlehem“ der Stadt Garching ist der Ort, wo wir heimisch werden in Gott, wo Er, Gott, uns Sein Brot reicht, damit wir es dann auch weitergeben hinein in die Welt um uns herum.

Ich weiß nicht, ob es etwas nützt, über diese Dinge zu predigen. Aber wenn es nur einen erreicht hat, hat es sich gelohnt.

Pfr. Bodo Windolf

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