Predigt vom 16. März 2007 - 2. Fastenpredigt

St. Severin Garching

[Zurück zu Predigten/Sakramente] 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Tod – und was dann?
Die biblische Lehre von Himmel, Hölle und Purgatorium (Fegfeuer)"
Predigttext
2. Fastenpredigt 2007
Tod – und was dann? Die biblische Lehre von Himmel, Hölle und Purgatorium (Fegfeuer)

Was den Auferstehungsglauben betrifft, möchte ich heute mit einem kurzen Blick auf die Zeit Jesu beginnen. Im Judentum der Zeitenwende ist der Auferstehungsglaube, über dessen Entwicklung ich vergangene Woche gesprochen habe, ein Glaubensinhalt neben anderen und nicht unumstritten. Im Glauben der Pharisäer ist er fest verankert, die politisch und als Tempelaristokratie auch religiös mächtige Gruppe der Sadduzäer leugnet ihn. Für sie ist das letzte Schicksal der Menschen für alle gleichermaßen das Dunkel der Scheol.

Mit dem für die Jünger Jesu vollkommen überraschenden, zunächst geradezu bestürzenden Ereignis der Auferstehung Jesu, rückt das Thema Auferstehung in die Mitte des christlichen Credo. Entsprechend lautet eine der ältesten frühchristlichen Credo-Formeln, die uns Paulus im Brief an die Korinther überliefert, folgendermaßen: „Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden, gemäß der Schrift. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf“ (1 Kor 15, 3-5). 

Die Auferstehung Jesu aber hat geradezu zwangsläufig Konsequenzen für uns alle. Paulus fährt fort: „Wenn aber verkündigt wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht?“ Offensichtlich haben dies in Korinth einige Christen behauptet. Daher Paulus: „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. … Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. … Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot“ (1 Kor 15)

Es wird also deutlich: Gleichsam am seidenen Faden der Auferstehung hängt der gesamte christliche Glaube. Der Sieg Jesu, des menschgewordenen Gottes, über den Tod und über die Sünde, deren äußerer Ausdruck das physische Sterben ist – das ist die neue Mitte des christlichen Credos.

Wie stellt man sich nun aber den Zustand nach dem Sterben vor? Zunächst einmal übernimmt die junge Kirche Vorstellungen, die das zwischentestamentliche Judentum ausgebildet hatte. Nach jüdischem Glauben fand die Auferstehung erst am Ende der Zeit statt. In der Zwischenzeit – also zwischen dem persönlichen Tod des Einzelnen und dem allgemeinen Auferstehungstag – befinden sich die Seelen zwar auch in der Scheol, die aber nun gegliedert vorgestellt wird. Nach dem sog. „äthiopischen Henochbuch“ – ca. 150 v. Chr. entstanden – lag sie nicht mehr im Erdinnern, sondern im Westen, im Reich der untergehenden Sonne, in einem Gebirge mit vier Kammern. Gerechte und Sünder warten in ihnen getrennt auf den jüngsten Tag; die Sünder in ewigem Dunkel, die Gerechten im Licht und bei lebenspendenden Wasserquellen. (Manche Quellen bezeichnen dies auch als den Garten Eden oder das Paradies, in dem die Gerechten, v.a. die Märtyrer, auf den Auferstehungstag warten. Wie solche spätjüdischen Vorstellungen fast bruchlos übergegangen sind in den Glauben der jungen Kirche, zeigt bis heute das römische Hochgebet, in dem es bis heute heißt: „Führe alle, die in Christus entschlafen sind, in das Land der Verheißung (lat. des frischen Wassers, refrigerii), des Lichtes und des Friedens.“)

Das Neue im christlichen Auferstehungsglauben zeigt sich in dem, was Jesus am Kreuz dem reuigen Schächer verheißt: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Das Paradies gilt als Stätte, wo der Messias verborgen ist und auf seine Stunde wartet und wohin er wieder zurückkehrt. Was eigentlich der privilegierte Ort der Märtyrer und der Gerechten ist, verheißt Jesus dem Verbrecher, der sich vertrauensvoll an Ihn, den Mitgekreuzigten wendet. Entscheidend ist hier das „Du wirst mit mir im Paradies sein“. Das Paradies öffnet sich in Jesus, es hängt an seiner Person, ja Er selbst ist das Paradies, das Licht, das frische Wasser, der endgültige Friede. Die alten jüdischen Bilder – Schoß Abrahams, Paradies, unter dem Altar sein, Lebensbaum, Wasser, Licht – werden im NT übernommen, aber christologisch zentriert; sie beschreiben also mehr und mehr nicht mehr Orte und irgendwelche Kammern, sondern Christus selbst. Allerdings herrscht in der Zeit der Kirchenväter trotz dieses Jesuswortes am Kreuz noch lange die vom Judentum übernommene Vorstellung vor, dass allein die Märtyrer vom Warten ausgenommen und schon in die endgültige Herrlichkeit eingegangen sind. Alle anderen befinden sich noch in einem Wartezustand.

Ein neues Stadium der Entwicklung dieser Lehre begegnet uns im Spätmittelalter in der dogmatischen Bulle „Benedictus Deus“, die 1336 Papst Benedikt XII. veröffentlichte. Darin heißt es, dass die Seelen der Verstorbenen, in denen nichts mehr der Reinigung bedarf, in der Zeit nach Christi Leiden, Tod und Aufstieg in den Himmel, nicht mehr in einem Zwischenzustand außerhalb des Himmels verharren müssen, sondern „auch vor der Wiedervereinigung mit dem Leib und vor dem allgemeinen Gericht … im Himmel sind und sein werden“, so dass sie dabei die „die göttliche Wesenheit in unmittelbarer Schau und auch von Angesicht zu Angesicht … sehen“ (DS 1000).

Hier wird endlich nach einer langen Phase des Weiterdenkens der christlichen Botschaft die innere Konsequenz aus dem gezogen, was der eigentliche Gehalt der Auferstehung Jesu ist und was in der „Himmelfahrt Christi“ anschaulich wird: dass es den bis dahin verschlossenen Himmel nicht mehr gibt. Das Eingehen des „Erstlings“ der Erstandenen, wie Paulus Jesus nennt, in die himmlische Herrlichkeit, hat den Himmel geöffnet für alle, die „in Christus sterben“ und daher mit Ihm eingehen in dieselbe Herrlichkeit des Himmels.

Allerdings bleibt auch jetzt noch eine zweifache Form des „Zwischenzustandes“ bestehen: Zum einen das sog. Fegfeuer oder Purgatorium, das erst jetzt nach der Auflösung der alten Scheol-Vorstellungen zu einer eigenen theologischen Größe wird und durch den Gedanken der Reinigung bestimmt ist, (eine Lehre, die sich nach der Trennung der Ost- von der Westkirche erst richtig entfaltete, so dass es diesbezüglich zu keinen gemeinsamen Vorstellungen kam).

 Zum anderen die erst am jüngsten Tag erfolgende Wiedervereinigung mit dem Leib sowie das sog. allgemeine Gericht, das unterschieden wird von dem persönlichen Gericht, das unmittelbar nach dem Tod erfolgt (zu beidem nachher mehr).

An dieser Stelle ist es notwendig, von einem zentralen Spezifikum des jüdisch-christlichen Glaubens an ein Leben nach dem Tod zu sprechen. Auferstehung meint nämlich nicht nur das Weiterleben der menschlichen Seele, sondern schließt unbedingt den Leib mit ein in das ewige Heil des Menschen. Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches (Leibes) gehört von Anfang an zum Kern des christlichen Bekenntnisses. Justin schreibt Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr.: „Wenn dem Menschen das Evangelium der Rettung verkündigt wird, dann wird die Rettung auch dem Fleisch verkündigt.“ (zit. nach Ratzinger, Eschatologie, 144) Das bedeutet: das Ganze der Schöpfung Gottes ist berufen, ins Heil zu treten; es gibt keinen minderen, unverwertbaren Rest, der vom Heil und von der Vollendung definitiv ausgeschlossen bliebe. Der Leib, in dem wir unser Leben gelebt haben, in dem wir uns gefreut und in dem wir getrauert und gelitten haben; der Leib, in den sich unsere Gedanken, unsere Worte, unser Tun und Unterlassen, im Guten wie im Bösen, eingeprägt haben – dieser Leib, der unsere Lebensgeschichte enthält, wird nicht auf den Abfallhaufen der Geschichte geworfen und entsorgt, sondern er ist mitberufen, die ewige Herrlichkeit zu erlangen. Die Wundmale des Auferstandenen bedeuten nichts anderes, als dass Jesu Leben einschließlich Seines Todesgeschicks in verklärter Weise eingegangen und so aufbewahrt ist in Seinem Herrlichkeitsleib. Keine andere Lehre der Kirche drückt deutlicher die Leibbejahung und Leibfreundlichkeit des christlichen Glaubens aus als diese Überzeugung.

Das Neue des Christentums gegenüber dem Judentum (und übrigens auch dem Islam) in dieser Sache ist allerdings, dass der Auferstehungsleib nicht materiell identisch ist mit dem irdischen Leib und die Auferstehungswelt nicht einfach nur die Fortsetzung der irdischen Welt darstellt. Paulus schreibt: „Nun könnte einer fragen: Wie werden die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben?“ Seine Antwort: „Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib.“ Soma pneumatikos steht hier im Griechischen, was soviel bedeuten muss wie: es ist ein Leib, der nicht mehr den Gesetzen unserer Welt und damit den Gesetzen von Leid, Krankheit und Tod unterworfen ist; ein Leib, der erfüllt und durchformt ist vom göttlichen Pneuma, vom Geist Gottes; ein Leib daher auch, der uns eine ganz neue Kraft der Kommunikation, der Beziehung zu Gott und zum Mitmenschen ermöglicht; eine Leib ohne Zweifel, der sich unserer jetzigen Vorstellungskraft vollkommen entzieht, ein durchgeistigter Leib, aber jedenfalls Leib, dessen Verwandlung und Vollendung teilhat und Ausdruck ist der Verwandlung und Vollendung, die sich durch das Gericht hindurch an unserer Seele vollzieht.

Damit ist das Stichwort für die nächsten Überlegungen gegeben: das Gericht. Was im Bewusstsein wohl der meisten Menschen heute kaum mehr vorhanden ist und daher einfach übersprungen wird, ist die biblische Lehre vom Gericht, dass wir also einmal unser ganzes Leben werden verantworten müssen.

Vor wem? Die Antwort der hl. Schrift ist durchaus nicht einheitlich. Natürlich wird in der Regel Gott genannt, an anderen Stellen aber auch Christus, ja sogar die zwölf Apostel bzw. einfach die Heiligen werden an zwei Stellen (Mt 19,28 par; 1 Kor 6,2) angeführt als die, die die Welt und sogar die Engel richten.

Was Christus betrifft, so wird uns in Ihm aber erst der Schlüssel gegeben, was Gericht im neutestamentlichen Sinn bedeutet. Von Ihm heißt es: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit sie durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17). „… Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten“ (12,47). Schließlich: „Wer mich verachtet und meine Worte nicht annimmt, hat seinen Richter; das Wort, das ich gesprochen habe, wird ihn richten am Letzten Tag“ (12,48).

Diese Worte können nur bedeuten: Christus selbst, und in Ihm der Vater, teilt keinerlei Verderben zu. Er selbst ist und will nichts anderes als Rettung und Heil des Menschen, jedes Menschen. Und wer bei Christus steht, steht schon in diesem irdischen Leben im Raum ebendieser Rettung. Verderben und Unheil werden also nicht verhängt, sondern es gilt: nur und allein, wer sich selbst abgrenzt, von Gott, vom Mitmensch, und sei es nur einer, bleibt in der Ferne und damit fern von Gott und dem Heil, zu dem Er uns ruft. Die selbstgewählte Ferne von Gott ist aber nur ein anderes Wort für das, was wir Hölle nennen (dazu nachher mehr). Unmissverständlich heißt es daher bei Johannes: „Denn mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der das Böse tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind“ (3,19-21).

Was aber geschieht im Gericht selbst? Es geschieht, dass ich restlos in meine ganz persönliche Wahrheit gebracht werde. Das Maskenspiel des Lebens, das Sich-verstecken hinter Gehabe, Täuschung, oft auch Selbsttäuschung und Selbstbetrug – all das wird ein Ende finden. Das Gericht ist die Aufdeckung der Wahrheit über mich selbst und das Leben, das ich gelebt habe, im Licht und im Spiegel der Wahrheit Gottes. In Ihm werde ich sehen, in äußerster Nacktheit vor Gott und vor mir selbst, wer ich vor Ihm, Gott, wer ich daher in ungeschminkter Wahrheit bin.

Das Schöne, das Erlösende ist, dass diese Wahrheit nicht ein abstraktes Gesetz ist, sondern eine Person, eben Gott; und zwar Gott als Menschgewordener. „Ich bin die Wahrheit“, sagt Christus über sich selbst. Er ist für uns zum Maß wahren Menschseins geworden, an dem auch wir gemessen werden. „Ein neues Gebot gebe ich euch, liebt einander so wie ich euch geliebt habe.“ So hoch der Maßstab ist – zugleich liegt in Ihm, dem Menschgewordenen, auch die erlösende Umprägung des Gerichtsgedankens: Die Wahrheit, die mich  richtet, ist selbst aufgebrochen, um mich zu retten. Mein Richter ist zugleich mein Erlöser, also der, der sich selbst in die Waagschale geworfen hat, um mich dem verurteilenden Gericht zu entreißen; Er ist der, der schon alles getan hat und alles tun wird, dass Sein Werk auch in mir und in jedem Menschen zu seinem Ziel gelangt und sich nicht als vergeblich erweist. Daher – das sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt, mit diesem Gedanken hatte ich letzte Woche geendet – verläuft die Grenzlinie zwischen Leben und Tod letztlich und eigentlich nicht mehr entlang der Linie des biologischen Sterbens, sondern zwischen Glaube und definitivem Unglauben.

An dieser Stelle nun die Frage: Gibt es das – eine endgültige und unwiderrufliche Verweigerung gegenüber Gott und dem Erlöser Jesus Christus und damit die Wahl der ewigen Verdammnis als das eigene, persönliche Schicksal? Auch wenn wir es ungern wahrhaben wollen – die Möglichkeit einer ewigen Verdammnis ist zu sehr in den Worten Jesu und der hl. Schrift verankert, als dass wir sie leugnen könnten und damit auch den letzten Ernst unseres hiesigen Daseins und unserer Entscheidungen im Guten wie im Bösen.

Oft wird eingeworfen: Gottes Liebe ist doch so groß, so grenzenlos, um so viel größer als noch so entsetzliche menschliche Schuld, dass Er sicher niemanden verloren gehen lässt. Dieses Argument bedenkt zu wenig, dass es zum Wesen eben dieser Liebe gehört, dem Geschöpf nicht nur Freiheit einzuräumen, sondern diese auch bedingungslos zu achten bis hin zur letzten Konsequenz, bis hin zur Konsequenz freiwilliger Selbstzerstörung. Ich möchte hier Josef Ratzinger zitieren: „Die Liebe kann ihm (dem Geschöpf) geschenkt werden und damit die Verwandlung aller Dürftigkeit, die in ihm selber ist; auch das Ja zu solcher Liebe muss nicht der Mensch ‚schaffen’, sie selbst ruft es mit ihrer eigenen Kraft hervor. Aber die Freiheit, auch die Erschaffung dieses Ja zu verweigern, es nicht als Eigenes anzunehmen, die bleibt. … Christus … behandelt die Menschen nicht als unmündige Wesen, die letztlich ihr eigenes Geschick nicht verantworten können, sondern sein Himmel beruht auf der Freiheit, die auch dem Verdammten das Recht lässt, seine Verdammnis zu wollen. Das Besondere des Christlichen zeigt sich hier in seiner Überzeugung von der Größe des Menschen: Sein Leben ist ein Ernstfall …“ (Eschatologie, 177f).

Anders ausgedrückt: Der Himmel ist kein Konzentrationslager, in den die Liebe Gottes auch nur einen Menschen hineinzwingen möchte; die Hölle ist daher, nach einem Wort von C.S.Lewis, nicht von außen, sondern ausschließlich von innen verschlossen. Der französische Schriftsteller Paul Claudel lässt in seinem Drama „Der seidene Schuh“ eine Figur sagen, dass ihr größter Triumph über Gott darin bestehen wird, den Willen Gottes für das Heil aller Menschen dadurch zu vereiteln, dass er sich Ihm bis zuletzt verweigert. Das liegt in den Möglichkeiten des Menschen und der uns unverlierbar von Gott geschenkten und zugeeigneten Freiheit.

Was ist das Resümee? Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, so hören und lesen wir es an mehreren Stellen des Neuen Testaments. Daher dürfen wir für alle Menschen hoffen, eine Hoffnung, die nur dann keine billige Hoffnung ist im Sinne von: Wir kommen schon alle, alle in den Himmel, wenn wir durch unser Zeugnis, durch unser Beten, Leiden und Opfern mithelfen, dass das Erlösungswerk Jesu auch tatsächlich jeden Menschen erreicht (im Sinne von Paulus, der schreibt: „Jetzt freue ich mich an den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Natürlich fehlt objektiv nichts, da Jesus für alle Schuld gelitten hat. Das, was noch fehlt, ist die subjektive Annahme des Erlösungswerkes Jesu, und dazu können wir auch für andere mithelfen durch unser Opfern und Leiden.)

Im übrigen bleibt die Wahl der Hölle eine ernsthafte Möglichkeit, die auch nicht nur die anderen angeht. Das wäre vermessen. Wir sollen durchaus für uns selbst beten, dass wir nie durch unser Lebensschicksal oder andere Umstände in die Versuchung geraten, definitiv gegen Gott zu rebellieren. Die Vater-Unser-Bitte „Führe uns nicht in Versuchung“ meint im Letzten genau diese äußerste Versuchung eines endgültigen Abfalls von Gott. Wir dürfen und sollen sie für uns selbst und viele andere durchaus in diesem Sinn beten. 

Wenden wir uns nun den Menschen zu, die vermutlich den größten Teil ausmachen, die einen positiven Grundentscheid für Gott treffen, deren grundsätzliches Ja aber noch durchsetzt ist von oft vielen gelebten Neins innerhalb ihres irdischen Daseins. Dass sie noch nicht himmel- und ewigkeitsfähig sind, liegt auf der Hand. Was ist mit ihnen?

Dies ist der Ort für die Entwicklung der Lehre vom Fegfeuer, das so nur die katholische Kirche kennt.

Zunächst sei gesagt, dass der Ausdruck „Fegfeuer“ den amtlichen Lehrtexten fremd ist. Hier wird schlicht vom „Purgatorium“ gesprochen, von einem Ort oder einem Zustand der Reinigung und Läuterung von aller Schuld. Die Schriftstelle, auf die die Kirche sich beruft, sind vor allem 2 Makk 12,32-46. Bei gefallenen jüdischen Kämpfern wurden heidnische Amulette gefunden, weswegen Judas Makkabäus einen Bittgottesdienst abhalten ließ aus der Überzeugung, dass durch dieses fürbittende Gebet den Verstorbenen geholfen werden kann, von Gott die Verzeihung ihrer Sünden zu erlangen. Jesus spricht in der Bergpredigt davon, dass ein Unversöhnter nicht aus dem Gericht gelangt, ehe er den letzten Heller bezahlt hat. Die Tradition hat dies auf die Fegfeuerlehre hin gedeutet. Die wichtigste Stelle ist 1 Kor 3: „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. Ob aber jemand auf dem Grund mit Gold, Silber kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut: das werk eines jeden wird offenbar werden jener Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch.“ Dieses Feuer, von dem das Fegfeuer seinen Namen hat, ist natürlich kein materielles Feuer, sondern es muss letztlich Gott, Christus selbst sein. „Unser Gott ist verzehrendes Feuer“, heißt es im Hebräerbrief (12,29). Die Reinigung geschieht nicht durch etwas, sondern durch Ihn, dessen richtendes, aufrichtendes, rechtmachendes – Gericht kommt von Recht – Feuer die Läuterung und Umwandlung in uns bewirkt. Es geht hier nicht um irgendwelche äußerliche Strafen für begangenes Unrecht, sondern um den von innen her notwendigen Prozess der Verwandlung, damit wir gott-fähig, christus-fähig, himmel-fähig werden; damit das, was Heu und Stroh ist in unserem Leben, was die Schlacken im Gold unserer Grundentscheidung für Gott und Jesus Christus sind, zu jenem schlackenlos-reinen Gefäß wird, das die ewige Liebe und Freude Gottes überhaupt erst aufnehmen kann.

Ein ähnlicher Grundgedanke liegt in den fernöstlichen Religionen der Karma- und Wiedergeburtslehre zugrunde: dass wir gleichsam im Fegfeuer unserer irdischen Leben dem erlösenden Verlöschen entgegenreifen. Was hier innerhalb eines irrigen Glaubens an Richtigem geahnt wird, dass nämlich unser Dasein der Läuterung und Reinigung bedarf, (die natürlich auch nach unserem Glauben schon im irdischen Leben beginnt – manche erleben ihr Fegfeuer sicher schon in schwerer Krankheit und so manchen Schicksalsschlägen) – was hier geahnt wird, ist auf andere Weise eingegangen in die katholische Lehre vom Purgatorium.

Dabei sollten wir nicht vergessen, dass unser Gebet für die Verstorbenen, vor allem auch die hll. Messen, die wir für sie feiern lassen, ein nicht zu überschätzender Dienst der Lebenden an den Verstorbenen ist, der uns über den Tod hinaus miteinander verbindet in der Solidarität des Gebetes füreinander.

Das allgemeine Gericht: Das, was ich gewesen und durch mein Leben geworden bin, nicht nur für mich selbst, sondern auch für andere, das wird erst am Ende der Geschichte endgültig offenbar werden. Die Auswirkungen meiner Entscheidungen im Guten wie im Bösen, auf andere Menschen, durch diese wiederum auf andere und so fort, die Auswirkungen in all ihren unübersehbaren Verzweigungen kommen an ein Ende erst am Ende der Zeit. Welchen Ort ich daher im Gesamt der Geschichte einnehme, im Positiven wie im Negativen, wird daher auch dann erst offenbar. Das ist wohl der Grund, warum es die Unterscheidung zwischen einem individuellen und einem allgemeinen Gericht gibt. Dann auch werde ich wohl den mir gemäßen Platz im Himmel finden.

Was hat es mit diesem auf sich?

Der Himmel: Er ist sicher nicht einfach ein „Ort“, in den man irgendwie hineinkommt. Der Himmel, das ist Gott selbst; es ist Sein im Raum Gottes, Sein in Jesus Christus und darin zugleich trennungslose Offenheit auf alle anderen Menschen hin, die mit mir in Gott und damit im Himmel sind. Himmel ist grenzenlose Beziehungsfähigkeit und daher Liebesfähigkeit, die wir vielleicht nur in den ganz großen Augenblicken unseres Lebens ahnungshaft erfahren, für die uns aber im Letzten die Vorstellungskraft fehlt.
Verheißen ist „ein neuer Himmel und eine neue Erde“, d.h. die ganze Schöpfung, die noch in „Geburtswehen liegt“ (Röm), ist zum Heil berufen. Am Anfang der Bibel steht das Bild eines Gartens, des Paradiesesgartens. Am Ende der Bibel wird uns das Bild einer Stadt, des himmlischen Jerusalems vor Augen geführt. Die Stadt steht für das, was menschliches Kulturschaffen hervorgebracht hat. All das wird, sofern es gut ist, Eingang finden in die Ewigkeit. Des Forschens, des Entdeckens, des kreativen Schaffens wird kein Ende sein. Himmel ist anderes als langweiliges Halleluja-Singen. Es wird eine Dynamik des Lebens und des Austauschs sein, wie wir es hier über den Eitelkeiten, Intrigen und Missbräuchen des menschlichen Wissens gar nicht kennen. Es wird auch eine unendliche Endeckungsreise in das Meer der Liebe Gottes sein.

Ich will schließen mit einem letzten Gedanken: Vergangene Woche habe ich davon gesprochen, dass Sterben gelernt sein will. Wie ist das zu verstehen?

Im eigentlichen Sinn lernen wir das Sterben natürlich erst, wenn es uns, mich ereilt. Was ich aber kann, ist, mich vorbereiten. Das bedeutet: das eigene Sterben nicht verdrängen, auch nicht als Möglichkeit, die morgen schon eintreten kann. es bedeutet den unbedingten Willen, nicht unversöhnt aus dem Leben scheiden zu wollen, weder unversöhnt mit Menschen noch unversöhnt mit Gott. Wer mitten im Leben beichtet, wird auch keine Angst haben, dies als Vorbereitung auf den Tod zu tun. wer schon hier und jetzt immer wieder die Versöhnung mit den Mitmenschen sucht, wird keine Angst haben, im Sterben an Dank, an Bitte um Vergebung und an Gewährung von Vergebung auszusprechen, was notwendig ist für ein gutes Sterben. Da niemand von uns weiß, ob dazu noch Zeit sein wird, der wird schon jetzt Acht geben, dass er diesbezüglich „sein Haus bestellt“ und alles Notwendige erledigt hat. Das rechte Sterben wird v.a., vielleicht durch viele inneren Kämpfe hindurch, bedeuten, Ja sagen zu können, zu eben diesem Sterben, ggfs. zu der Krankheit, die mein Tod sein wird. wer mit einem Ja auf den Lippen stirbt – mit einem Ja zu Gott, Ja zu Jesus Christus, Ja zu Seinem gerechten und barmherzigen Gericht, wer mit Christus, dem Gekreuzigten sagen kann: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist, lege ich mein ganzes Leben, mich selbst“, wer sagt: ja, so möchte ich sterben. Herr, hilf mir dabei“ – für den wird der Tod nichts absolut Schreckliches mehr sein, sondern Übergang, Brücke zu Gott, Brücke in die Vollendung.

 Pfr. Bodo Windolf

Seitenanfang
© copyright    2007  WebMaster: Herbert Bauernfeind   webmaster@bauernfeind-web.de