Predigt vom 22. April 2007

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Freude mitten im Leid – wie geht das?"
Predigttext

3. Ostersonntag Lj. C 2007    22.April 2007

Freude mitten im Leid – wie geht das?

„Sie aber gingen vom Hohen Rat weg und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden.“ 

Dieser Satz ragt wie ein Stachel heraus aus den Lesungstexten des heutigen Sonntags. Er gibt ein ernstes und schwieriges Thema vor, allerdings ein Grundthema unseres Daseins: Wie gehe ich mit Leid um? Wie kann ich es bestehen? Ich will es wagen, mich darauf einzulassen: 

Manch einer mag sich fragen: Was ist das für eine Religion, in der ein solcher Satz geschrieben werden kann? Haben die nicht Recht, die den Christen eine seltsame Lust am Leiden unterstellen? Muss man nicht ziemlich verdreht sein, sich zu freuen, wenn man gerade ausgepeitscht worden ist, nämlich die 40 minus 1 Schläge bekommen hat, wie dies in den ausgelassenen Versen der heutigen 1. Lesung geschildert wird und jüdischem Brauch entsprach? Oder – wird hier das Thema Leid in ein ganz neues Licht gestellt? Es lohnt sich, darüber ein wenig nachzudenken. 

Zunächst: Kein Mensch will leiden. Das ist die natürlichste Sache der Welt. Auch Jesus, der, wie Er selbst sagt, dazu gekommen ist, Leiden und Kreuz auf sich zu nehmen, will es nicht. „Wenn es sein kann, lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ Wohl nie zuvor hat Er so flehentlich zu Seinem Abba gebetet wie damals im Ölbergsgarten. Dennoch ist Er bereit, den Kelch des Leidens bis auf den Grund zu trinken. Was bedeutet es für uns, dass Er, der Leidlose, freiwillig mit uns Leidenden solidarisch wird? Dass Er, dessen Wesen es ist, in göttlicher Freude zu sein, sich der Nacht des Kreuzes ausliefert?

Grundlegend erscheint mir als erstes, zwei Arten des Leidens zu unterscheiden. Oftmals ist Leid einfach die innere Konsequenz aus einer verfehlten Lebensweise, aus bösen Taten.

Daneben gibt es aber auch – und gerade das bereitet uns solche Schwierigkeiten – das Leid, das den Gerechten trifft, den Unschuldigen, gerade auch den, der Jesus nachfolgt. Es ist ja das Paradoxe Seines Rufes in die Nachfolge, dass Jesus gerade nicht mit dem lockt, was wir uns unter irdischem Glück vorstellen und womit jeder kluge Werbestratege für seine Ware werben würde. Nicht Reichtum, Erfolg, Anerkennung, Gesundheit, unbeschwertes Leben verheißt Er, sondern stets sagt Er es ohne Umschweife: Jesusnachfolge schließt die Bereitschaft zur Kreuzesnachfolge mit ein; schließt ein die Bereitschaft zur Teilnahme an Seinem Kreuzesschicksal. So auch im heutigen Evangelium: „Du folge mir nach“, sagt Jesus zu Petrus ganz zum Schluss, nachdem Er ihn kurz zuvor zum universalen Hirten der Kirche eingesetzt hat, um ihm unmittelbar danach zu prophezeien: Du wirst dahin geführt, wohin du (aus deinem natürlichen Antrieb) nicht möchtest. Du wirst deine Arme ausbreiten, womit Jesus nach der Lesart des Evangelisten den Kreuzestod des Petrus ankündigt. Jesusnachfolge war bei ihm auch Kreuzesnachfolge im buchstäblichen Sinn des Wortes.

Allerdings – und das muss nun ganz schnell in den Blick rücken – gibt es neben diesem „Verheißungsstrang“ des Kreuzes noch einen anderen, nämlich den einer unsäglichen Freude, den der Teilnahme an jener Freude, die Ihn, Jesus, zutiefst erfüllt hat. „Das habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und (so) eure Freude vollkommen wird.“

Diese Freude zu erlangen, von der Jesus am Ende Seines Lebens wenige Stunden vor Seiner Passion spricht, ist die tiefste Sehnsucht des Menschen, die tiefste Sehnsucht in uns allen, unverlierbar eingebrannt in die innerste Mitte unseres Daseins. Wonach wir alle auf unzähligen Wegen suchen – nicht nur das kleine Glück, der kleine, schnell verfliegende Spaß, sondern die große, die bleibende Freude – davon sagt uns Jesus, dass es dazu letztlich nur einen Weg gibt: nämlich den Weg, der Er selber ist, der Weg des Glaube an Ihn und das Hören und Vertrauen auf Ihn. Dass Seine Freude meine wird, dass ich teilgewinne an dem, was in vollkommener Weise Ihn erfüllt, das ist ohne Ihn oder an Ihm vorbei nicht zu erlangen. Das liegt daran, dass es hier nicht um irgendeine Freude geht, sondern um die Freude, die Er in Person ist; eine Freude, die von seiner Person gar nicht zu trennen ist, weil in Ihm der Ursprung aller wahren Freude begegnet: nämlich Gott sebst.

In dem Maße nun, wie ein Mensch durch Glauben, Hoffen, Vertrauen, Lieben, in Christus ist, wie es Paulus und Johannes ausdrücken, wird im Inneren dieses Menschen etwas lebendig, ein innerer Friede, eine Freude, eine Kraft, die auch äußere Drangsal nicht zu zerstören vermag. Diese Erfahrung haben schon viele gläubige Menschen gemacht.

Als nur eine von vielen möchte ich die hl. Theresa von Lisieux erwähnen, deren Leben, deren Jesusnachfolge im Karmel in vielen Phasen ein einziger Kreuzweg war. Sie beschreibt diese Erfahrung so: „Der Weg, den ich gehe, hat keinerlei Tröstung für mich, und doch enthält er jede Tröstung“ (Lettres, 165). „Obwohl mich diese Prüfung jeden fühlbaren Genusses beraubt, vermag ich doch auszurufen: ‚Herr, du überschüttest mich mit Freude in allem, was du tust!’“ (Selbstbiograph. Schriften, 222f). Auf dem Grund der Seele eines menschen kann es eine ungefühlte Freude geben – so seltsam das auch klingen mag – die tiefer ist als der Schmerz und die hilft, am Leid nicht zu zerbre4chen oder zu verbittern, sondern ihn zu tragen und daran zu wachsen und zu reifen.

Die Quelle dieser Freude – mal ganz lebendig, mal fast ungefühlt – die Quelle dieser Kraft mitten in der Erfahrung von Dunkelheit und Kreuz ist die Tiefe ihrer Christusverbundenheit. Sie weiß: Christus ähnlich werden in der Liebe und damit auch in der Freude, ist ein Weg, der mit Christus zusammen auch über den Karfreitag führt.

Und genau das ist es wohl, was auch die Apostel erfüllt: dieses geheimnisvolle Neben- und Ineinander von christlicher Freude und erfahrenem Kreuz. Ihre Christusverbundenheit ermöglicht es ihnen, die Freude nicht zu verlieren auch da, wo sie um seinetwillen Schmach erleiden. 

Kreuzesnachfolge bedeutet ihnen Christusverähnlichung. Dabei geht es in keiner Weise um eine undifferenzierte Leidensverherrlichung. Wo wir Leid verhindern und bekämpfen können, da sollen wir dies tun. Wo dies nicht mehr möglich ist, ist die christliche Haltung, die wir oft durch viele Kämpfe hindurch erlernen müssen, die der Annahme des Leidens, so wie auch Jesus Sein Kreuz angenommen, auf sich genommen, es für uns getragen und so erlöst hat.

In dem Maße, wie wir unsere unvermeidlichen Kreuze anzunehmen lernen, werden auch wir den Frieden und die Freude Christi mitten in unseren ganz persönlichen Kreuzen erfahren. Von dieser Haltung geben die Apostel in der heutigen Lesung Zeugnis. Nicht das Leid als solches, sondern das Ähnlichwerden mit Christus ist Ursache ihrer Freude. Teilnehmend an Seinem Kreuz nehmen sie teil auch an Seiner Freude. Nur deswegen konnte es in der heutigen Lesung heißen: „Sie freuten sich, gewürdigt worden zu sein, um Seines Namens willen Schmach zu erleiden.“

Pfr. Bodo Windolf

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