Predigt vom 27. Mai 2007

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Heiliger Geist - praktisch"
Predigttext

Pfingsten 2007
Heiliger Geist – „praktisch“

Der Heilige Geist ist für die meisten Gläubigen etwas sehr Fernes, Abstraktes, kaum Greifbares. Aber ist er das wirklich? Ich will einmal versuchen zu zeigen, dass das genaue Gegenteil der Fall ist, und zwar anhand der Namen, die das Neue Testament dem Heiligen Geist beilegt.

Erstens: Jesus bezeichnet Ihn als den Geist der Wahrheit. Wie sehr Er uns abgeht, der Geist der Wahrheit, lesen wir täglich in den Zeitungen. Der Geist der Lüge, des Betruges, der Korruption, der nackten Profitgier, der geilen Ruhmsucht ist allgegenwärtig in großen Teilen des Sports – und sicher nicht nur des Radsports – der Wirtschaft – und sicher nicht nur bei Siemens und VW – , der Politik.

Und das betrifft nicht nur die anderen. Ich erinnere mich mit einiger Bestürzung an ein Gespräch vor nicht allzu langer Zeit mit einem Firmling. Es ging auch hier um den Heiligen Geist, und als Beispiel habe ich über den Geist der Fairness gesprochen. Dabei fragte ich in die Runde und speziell einen der Jugendlichen, ob er es wohl in Ordnung finde, z.B. mit Hilfe einer Schwalbe im Strafraum zum Sieg zu kommen. Er fand es in Ordnung, und zwar mit dem Argument, er tue es ja für die Mannschaft. Wie selbstlos!, möchte man ausrufen. In der Tat: der Geist der Lüge liebt es, sich den Anschein des Guten zu geben. Und sein Triumph ist total, wenn wir gar nicht mehr merken, wie sehr wir uns dabei selbst belügen. Denn was ist ein Sieg im Sport, ein Erfolg wo auch immer wert, wenn er nicht ehrlich erworben ist?

Zweitens: Jesus nennt den Heiligen Geist Tröster. Er tröstet – nicht zuletzt durch uns. Wo jemand zuhört, einen Alten, Kranken, Sterbenden begleitet, Trost spendet, aus dem Glauben heraus Hoffnung, Kraft und neue Zuversicht weckt – da ist der Heilige Tröstergeist gegenwärtig. Der Geist der Gleichgültigkeit, des Vorbei- und Wegschauens, des Nur-um-sich-selbst-besorgt-Seins ist ein anderer Geist, leider auch häufiger anzutreffen als der Geist des Trostes. Wie sehr wünschte man sich viel mehr vom Geist des Trostes in unzähligen Krankenhäusern und Altenheimen, wiewohl Er dort immer wieder auch anzutreffen ist in Menschen – Ärzten, Schwestern, Pflegern – die hier teils Großartiges leisten.

Drittens: Ein weiterer Name des Heiligen Geistes aus dem Munde Jesu ist Anwalt. Auch dazu ein Beispiel, diesmal aus der Politik. In diesen Wochen und Monaten wird intern und öffentlich das neue Grundsatzprogramm der CSU diskutiert. Erfreulicherweise wird unter der Überschrift „Schutz des Lebens“ in Bezug auf das Lebensende der entscheidende Punkt eindeutig und konkret benannt: „Herbeiführen des Todes durch die so genannte ‚Aktive Sterbehilfe’ lehnen wir entschieden ab. Der Schutz des Lebens hat für uns Vorrang gegenüber jedem Nützlichkeitsdenken“ (S. 21).

Unerfreulicherweise bleibt dagegen die Haltung zum Schutz des Lebensanfangs allgemein und unkonkret. Zunächst liest sich das ganze scheinbar klar: „Die Menschenwürde und das Recht auf Leben stehen allen zu – dem geborenen Menschen ebenso wie dem ungeborenen Kind. Das ungeborene Kind ist Mensch von Anfang an.“ Und kurz zuvor hieß es: „Der uneingeschränkte Schutz der Würde der Person und der Unverfügbarkeit über Menschenleben muss über der Freiheit der Forschung stehen.“ So weit, so gut. Dem kann man als gläubiger Christ nur zustimmen. Hellhörig wird man allerdings, wenn man beachtet, was nicht gesagt wird. Kein Wort dazu, dass diese Forderung offensichtlich nicht der deutschen Wirklichkeit entspricht und was man daher zu tun gedenkt. Noch mehr fragt man sich, warum diesen Worten nicht eine klare und eindeutige Stellungnahme in Bezug auf die aktuellste Debatte etwa zum Thema „verbrauchende Embryonenforschung“ folgt. Will man sich doch noch ein Hintertürchen offen halten?

Übrigens zeigt auch in dieser Debatte der unheilige Geist nicht sein wahres Gesicht. Man will ja den Anschluss an die weltweite Spitzenforschung nicht verlieren! Man will  Embryonenforschung ja nur, um später heilen zu können!, lautet die Argumentation – und ist bereit, zu diesem Zweck menschliches Leben tausendfach, ja millionenfach zu töten und zu vernutzen. Das ist nicht der Geist des Heilens, das ist der Geist menschlicher Barbarei.

Warum spreche ich darüber? Nicht um zu klagen, sondern weil jeder von uns etwas tun kann. Wir können uns – im Heiligen Geist – zum Anwalt derer machen, die keine eigene Stimme haben, zum Anwalt der unvernutzbaren menschlichen Würde. Unter der Internet-Adresse www.csu-grundsatzprogramm.de kann dazu nämlich Stellung genommen werden. Ich möchte Sie sehr herzlich darum bitten. Denn jeder Partei geht es immer auch um Wählerstimmen. Und jede Stimme, die sich äußert, wird nicht nur wahrgenommen als diese eine, sondern hochgerechnet zu hunderten, wenn nicht tausenden potentiellen Wählern, die genau so denken, auch wenn sie sich nicht äußern.

Politiker könnten natürlich einwenden: Ihr Christen seid ja z.B. in Bezug auf Embryonenforschung auch nicht einer Meinung. Leider trifft dieser Einwand zu. Es hat mich sehr traurig gestimmt und bestürzt, dass die beiden christlichen Kirchen in Deutschland diesbezüglich nicht mehr mit einer Stimme sprechen. Dass der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirchen in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, vorschlug, den im Stammzellgesetz festgelegten Stichtag für den Import und die Nutzung von im Ausland zerstörten Embryonen noch einmal zu verlegen, hat einen in der Politik sehr wohl wahrgenommenen Keil zwischen die christlichen Kirchen unseres Landes getrieben. Wer die Forschung an getöteten Embryonen einmal für richtig hält, hat keine Argumente mehr dafür, dies nicht auch ein zweites, fünftes und zehntes Mal zu erlauben und schließlich ganz frei zu geben.

Ich bin fast sicher, dass am heutigen Pfingsttag auch hier in unserer Kirche evangelische Mitchristen mit uns feiern. Und ich traue mich, Sie zu bitten, gerade auch als evangelische Gläubige ein entsprechendes Votum abzugeben und mit vielen katholischen Christen zusammen Anwalt zu sein für den bedingungslosen Schutz des Menschen von seinem ersten Anfang an.

Die angeführten Beispiele sind beliebig vermehrbar und sie zeigen: der Heilige Geist ist alles andere als abstrakt, allgemein, unverbindlich, nebulös. Nein, Er ist sehr konkret, was unser alltägliches Leben betrifft. Nichts in unserer Welt wird so dringend gebraucht wie ein Denken, Reden und Handeln aus Seiner Kraft. Er will Sein Werk in uns und durch uns tun als Geist der Wahrheit, als Geist des Trostes, als Anwalt der Kleinen. Dass dieser Geist, der Heilige Geist, in uns Raum gewinnt, mehr und mehr, inmitten einer Welt voll unheiliger Geister – das wünsche ich Ihnen und uns allen zum heutigen Pfingstfest.

Pfr. Bodo Windolf

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