Predigt vom 7. Oktober 2007

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Dank als Schlüssel zum Glück"
Predigttext

Predigt zum 26. Sonntag i. J.  C (Erntedank) Lk 17,5-10

Dank als Schlüssel zum Glück 

Erst vor kurzem wurde ich Zeuge einer schulischen Erntedankfeier, sehr schön mit Kindern und für Kinder gestaltet. Im Zentrum stand natürlich der Dank für die Ernte, die Gaben der Schöpfung und für die Schöpfung überhaupt. Eines war allerdings auffallend: normalerweise hat, wenn wir Dank sagen, der Dank auch einen Adressaten. Wir sagen jemandem Dank. Bei dieser Feier wurde zumindest mir nicht wirklich klar, wem denn hier gedankt werden sollte. Es war davon die Rede: „Wir danken …“, aber wem?, davon wurde – zunächst – geschwiegen.

Gott sei Dank war nun aber auch der Pastoralkursler aus unserer Pfarrei zugegen, der – im Gegensatz zu mir – bis zum Schluss der Feier blieb. Und so konnte er mich aufklären, dass des Rätsels Lösung durch ein kleines Spielstück gegeben wurde.

Peter bedankte sich dabei bei der Verkäuferin im Supermarkt für das Gemüse, das er gekauft hatte. Diese aber sagte, nicht ihr solle er danken, sondern dem Lastwagenfahrer, der die Ware geliefert hatte. Als der Junge sich bei diesem bedanken wollte, wehrte auch er ab und verwies ihn an den Bauern, der das Gemüse gesät und geerntet hatte. Der Bauer endlich wollte auch nichts vom Dank wissen, und beschied Peter, Gott Dank zu sagen, der Wachsen und Gedeihen schenkt.

Es ist eine wunderbare Geschichte, in der die ganze Kette derer vorkommt, denen unser Dank gebührt. Auch und gerade Gott ist hier nicht ausgespart. 

Was geschieht nun aber, wenn Gott als Adressat unseres Dankes ausfällt – sei es aus Unglauben, aus Gedankenlosigkeit, weil uns alles zu selbstverständlich ist, oder aus einem anderen Grund?

Wenn Er ausfällt, dann fällt nicht nur der Adressat unseres Dankes aus, vielmehr fällt dann irgendwann auch der Dank selbst aus; denn was soll Dank, wenn ich nicht weiß, wem ich danken soll. Wenn aber der Dank ausfällt, dann verliert das Leben jene Freude, die allein aus dem Bewusstsein kommt: ich bin beschenkt. Das Leben droht glanzlos und banal zu werden. Alles ist, wie es ist, mehr hat es mit unserem Dasein nicht auf sich. Und daher behaupte ich: Wahres, echtes, tiefstes Glück erfährt nur der dankbare Mensch, weil nur er sich beschenkt weiß. In dem Maße, wie jemand dankbar ist, ist er auch glücklich. 

Warum ist das so? Es ist eine uralte Erfahrung, dass das, was wir selbst und aus eigener Kraft leisten und uns aufbauen, uns mit Stolz erfüllt, mit Befriedigung, sicher auch mit einer gewissen Freude. Dafür erhalten wir Lohn, aber keine Geschenke. Aber wir wissen auch, dass das tiefste Glück da erfahren wird, wo es nicht um Lohn für erbrachte Leistung geht, sondern wo ich mich – einfach so – beschenkt und damit geliebt weiß. Eine Beziehung, in der ich ständig das Gefühl habe, ich muss mir die Zuneigung des anderen verdienen, nur wenn ich das und das leiste und vorweise, kann ich auch damit rechnen, von ihm anerkannt und geschätzt zu werden – das erfüllt nicht mit wirklichem Glück. Das eigentliche Glück erfahre ich erst, wenn ich mich mit einer Liebe beschenkt weiß, die unverdienbar ist; die mir einfach so, letztlich umsonst zuteil, also geschenkt wird. Was schon für den zwischenmenschlichen Bereich gilt, gilt noch mehr für den Bereich, in dem es um die letzte Wurzel unseres Daseins geht, um Gott. 

Vermutlich unterschätzen wir, was es für einen Menschen heißt, Gott nicht zu haben als den, dem er danken kann; gewissermaßen da eine Leerstelle zu haben, wo Dank einfach aufsteigen müsste, weil so viel in unserem Leben Geschenk ist, ob es uns bewusst ist oder nicht, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Wer Ihm dankt, weiß – man kann es nicht oft genug sagen – sich von Ihm beschenkt; weiß, dass das ganze Leben letztlich Geschenk ist; und wer sich beschenkt weiß, weiß sich auch geliebt. Jemand, der an Gott nicht glaubt, jemand, der zwar irgendwie an Ihn glaubt, aber Ihm nicht dankt, nicht aus einer tiefen Dankbarkeit lebt, der kann eine bestimmte Art von Freude und Glück niemals erfahren. Dieses tiefste Glück, nach dem wir alle uns sehnen, ist nur dem zugänglich, der Gott als Adressaten seines Dankes kennt und diesen Dank auch ausdrückt, lebt, feiert, im Gebet, in der sonntäglichen Eucharistie – was ja nichts anderes als Danksagung bedeutet.  

Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Paulus fordert in einem seiner Briefe dazu auf, für alles Dank zu sagen. Natürlich erhebt sich sofort die Frage: etwa auch für das Schwere, für das Unglück, die Schicksalsschläge unseres Lebens?

Auch hier lässt sich sagen: Wer auch das mit einem letztlich dankbaren Herzen anzunehmen lernt – nämlich in der Gewissheit: alles, restlos alles kann zu einem Weg zu Gott und damit auch zu mir selbst werden, auch das Schwere und Dunkle bleibt umfangen von der Liebe Gottes, die mich davor nicht unbedingt bewahrt, mich aber sicher darin begleitet, mir dargereicht zur Bewährung meines Glaubens, meines Hoffens und Vertrauens, vor allem meiner Liebe – der hat die beste Voraussetzung, die Herausforderung eines Unglücks auch zu bestehen und nicht daran zu zerbrechen, sondern zu einer noch tieferen Freude geführt zu werden.  

Einzigartig schön hat dies Dietrich Bonhoeffer kurz vor seinem gewaltsamen Tod durch die Nazis in einer seiner bekannten Gedichtstrophen ausgedrückt: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern / des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, / so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand.“ 

Nichts ist ein so sicherer Schlüssel zum Glück, zur inneren Freude, zur Bewältigung unserer Daseinsnöte wie der Dank, wie ein Herz voller Dankbarkeit gegenüber Gott.

Dieser Dank ist nur möglich aus einem tiefen Glauben heraus. Wir können uns daher der Bitte der Jünger aus dem heutigen Evangelium nur anschließen: „Herr, stärke unseren Glauben, den Glauben an Deine unbedingte Liebe, aus dem heraus eine solche Dankeshaltung nur möglich wird.“ 

Von hier aus fällt nun auch Licht auf doch recht befremdlichen zweiten Teil der heutigen Perikope. Er scheint ein Antitext zum heutigen Fest zu sein, denn wir hören hier: „Bedankt sich etwa der Herr bei seinem Sklaven, weil er das getan hat, was ihm aufgetragen war?“

Undankbarkeit zum Programm erhoben, und das aus dem Munde Jesu?

Wir verstehen wohl nur, was Jesus hier meint, wenn wir uns auf eine durchaus weit verbreitete Haltung besinnen. Wie oft präsentieren durchaus auch Christen Gott gleichsam ihre Rechnung: Herr, ich bin nie aus der Kirche ausgetreten, habe also immer meine Kirchesteuer bezahlt. Außerdem habe ich eine ganz schöne Stange Geld gespendet. Ich bete täglich mein Vater unser am Abend. Das Tischgebet vergesse ich in der Regel auch nicht. In die Kirche bin ich recht regelmäßig gegangen, etwas wirklich Böses habe ich nicht getan. Das Mindeste ist also, dass Du es mir mein Lebtag lang wohl ergehen lässt.

Gegen solchen Krämergeist richtet Jesus seine heutigen Worte. So wie Gottes Liebe aus einem letzten Umsonst kommt, so soll auch unsere Antwort von einem gewissen Umsonst  geprägt sein. Wir sollen vor Gott in der einfachen und schlichten Haltung jenes Knechtes stehen, der weiß, dass er in der Erfüllung seiner Aufgaben nur seine Schuldigkeit tut. Was ist unsere Schuldigkeit? Paulus sagt es im Galaterbrief: „Bleibt niemand etwas schuldig. Die Liebe aber seid ihr einander immer schuldig.“ 

Liebe rechnet nicht, Liebe liebt umsonst, Liebe gibt umsonst, Liebe schenkt einfach so. Das ist das Paradox unseres Glaubens: Wir werden von Gott nicht um unseren Lohn gebracht, aber wir sollen unser Christsein nicht um irgendeines Lohnes willen leben.

Ein dankbares Herz und eine Liebe, die nicht rechnet, sondern einfach schenkt – beides ist der sicherste Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Lassen wir uns am heutigen Erntedanksonntag an diese Grundwahrheit unseres Daseins erinnern.

Pfr. Bodo Windolf

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