Predigt vom 24. Dezember 2007 (Hl. Abend)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Himmlische Legende zu Jesus Geburt"
Predigttext

Predigt zur Christmette 2007

Was auf Erden geschah, als Jesus geboren wurde, haben wir soeben im Evangelium gehört. Doch was mag im Himmel vorgegangen sein, als sich an bescheidenem Ort so Großes zutrug? Statt einer Predigt will ich eine himmlische Legende erzählen:

Im Himmel herrschte große Ratlosigkeit. Keiner der Kleinen und Großen unter den himmlischen Heerscharen wusste mehr Rat, wie man an die Herzen der Irdischen herankommen könnte. Diese waren für die Geheimnisse des Himmels taub und blind geworden. Prophetische Worte, himmlische Botschaften in Träumen waren schon lange verstummt. Wenn die Irdischen träumten, dann von ganz anderen Dingen: Reichtum, Erfolg, Urlaub. Sie träumten nach außen, nicht nach innen oder gar nach oben. Himmel und Erde drohten, einander immer fremder zu werden.

Was sollte man tun? Einer ihrer obersten Gefährten, der Erzengel Gabriel, war zu Gott gerufen worden. Sollte ER einen Plan haben? Die Zurückgelassenen begannen, heftig miteinander zu diskutieren.

Eine Gruppe sagte: „Früher haben die Erschütterungen der Erde, Naturkatastrophen und Seuchen, die Irdischen noch am ehesten nachdenklich gestimmt.“ Doch dagegen erhob eine andere Gruppe Einspruch: „Strafaktionen können doch nicht himmlische Mittel sein! Alle, die gegen den Himmel misstrauisch sind, berufen sich auf solche Katastrophen. Sie schaden nur dem Ansehen des Himmels.“

Da erhob die mächtigste Engelgruppe die Stimme: „Uns erscheint viel sinnvoller, dass wir uns den Irdischen in voller Ausrüstung zeigen, sie mit Licht und Glanz und Gloria überwältigen, so dass niemand mehr vor uns die Augen verschließen kann. Dann endlich werden sie niederfallen und Gott anbeten.“  Aber die kleineren Engel hielten nicht viel von solcher Machtdemonstration: „Vielleicht beeindrucken wir sie für kurze Zeit, aber wir können ja nicht dauernd vor ihnen stehen. In Erinnerung bleiben dann nur unsere himmlischen Heere, und sie werden nicht zögern, uns nachzuahmen und selbst Heere aufzustellen, mit Waffen nicht aus Licht, sondern aus Feuer und Stahl, und alles wird noch schlimmer.“

Nun gab`s da noch die recht geschäftig dreinschauenden Engel. Sie hatten zu berichten: „Wir haben uns unter den Irdischen umgesehen und den Markt erforscht. Man muss einfach wissen, was sie denken, welche Vorlieben sie haben, was sie erwarten, was ihre Bedürfnisse sind. Danach müssen wir unser Angebot ausrichten, sonst bleibt es ohne Nachfrage. Das Ergebnis ist: Seit die Irdischen ohne Aufblick zu uns leben, wenden sie ihren Blick nur noch zur Erde. Sie schaffen und forschen und wirtschaften, sie haben fast alles, aber sie können sich nicht mehr richtig freuen. Wir wollen ihnen ein großes Fest bereiten, so groß, wie sie es noch nie erlebt haben. Es soll ihnen auf Jahre hinaus die Erinnerung an Freude und Freiheit schenken.“

Kaum hatten sie ihren Vorschlag unterbreitet, erhob sich ein einziges Stimmengewirr in der Runde: „Ein Fest mit allen Geschöpfen Gottes, ja, das wäre die Versöhnung!“ „Nein, nein!“, protestierten andere, „für ein paar Augenblicke werden sie es uns danken, aber ihr werdet sehen: es dauert nicht lange, da machen sie aus uns bloße Dekoration.“ Wieder andere warfen ein: „Sie unterbrechen nur die Arbeit, aber ändern nicht ihre Grundhaltung. Außerdem hat Gott ihnen tiefere Sehnsüchte gegeben als die Feier eines rauschenden Festes.“

So wogte es hin und her, als es plötzlich ganz still wurde im Himmel. Gabriel war in ihre Mitte getreten. Er kam von IHM, und es umleuchtete ihn noch der Glanz vom Urlicht Gottes. Alle schauten ihn voller Erwartung an. Und in die Stille hinein sagte er: „Ein Kind!“ Und als ihn alle sprachlos anstarrten, wiederholte er: „Ein Kind. Er gibt ihnen ein Kind. Das ist Seine Antwort auf die Entfremdung der Menschen.“

„Ein Kind! Ein Kind!“, riefen alle durcheinander, und es klang staunend und erschrocken, bewundernd und abwehrend zugleich. Ein Kind – wie göttlich, wie gewöhnlich, wie einfach, wie unverständlich!“

Auch Gabriel hatte es kaum fassen können, als Gott ihm Seinen Plan mitteilte und ihn zu Seinem Boten erkor. Daher wunderte er sich nicht, als es zuerst aus den irdischen Marktforschern unter den Engeln herausbrach: „Aber sie wollen das Kind doch nicht. Viel zu viele wollen überhaupt keine Kinder mehr. Sie tun alles, um sie fernzuhalten. Und dann, wenn trotzdem welche kommen, haben sie kaum Platz für sie. Treiben sie in die Armut. Darum wird auch für dieses Kind kein Platz sein. Es ist unerwünscht.“

Ganz ruhig antwortete Gabriel: „Eben gerade darum soll es ein Kind sein, ein unerwünschtes unter unerwünschten. Es wird ihm ergehen wie vielen anderen Unerwünschten auf der Erde. Keine Herberge, ein Stall wird es aufnehmen. Kaum ist es geboren, wird der Machthaber seines Landes ihm nach dem Leben trachten. Es wird schon bald Flucht, Not und Entbehrung kennenlernen. Auch als Erwachsener wird es Verfolgung erleben. Man wird ihn ergreifen und ihn schließlich umbringen. Immer wieder wird er erfahren, was es heißt: unerwünscht zu sein – so wie Gott in der Welt unerwünscht ist. Dieses Kind teilt das Schicksal mit Gott und mit allen Ungeliebten unter den Menschenkindern. So bildet es mit ihnen die Gemeinschaft aller Unerwünschten.“

Aber einige waren damit überhaupt nicht zufrieden. Die Gruppe derer, die die Irdischen mit Macht und Schrecken erschüttern wollten, warfen ein: „Warum wieder einer von ihrer Art? Von ihresgleichen nehmen sie doch nichts an! Warum gibt Er ihnen nicht ein höheres Wesen, einen Menschen auf höherer Stufe, der schon weiterentwickelt ist und all das Irdische, das sie belastet und quält und womit sie einander quälen, abgestreift hat? Warum fängt Gott schon wieder mit dieser Kreatur Mensch an?“

Diesmal lautete Gabriels Antwort: „Alles Menschliche, das mehr ist als ein Mensch, wird ein Übermensch und unmenschlich. Sie haben unter den  Übermenschen genug zu leiden. Gott genügt es, wenn sie rechte Menschen sind. Und das Kind wird ihnen dazu helfen, mehr Mensch zu werden. Ihr braucht keine Angst zu haben. Das Kind wird von ihrer Art sein, aber nicht von ihrer Unart. Es wird ihnen zeigen, wie menschenfreundlich Gott ist, und wie gottesfreundlich der Mensch sein kann. Von nun an wird das Herz Gottes in der Welt schlagen. Dann wird auch das menschliche Herz, das sich Ihm öffnet, in einem neuen Takt schlagen.“

Da flüsterte ein etwas abseits stehender Engel, aber sein Vorwurf hallte im ganzen Himmel wider: „Auf alles hat er eine Antwort, aber das kann doch nicht gut gehen!“ Da schaute ihn Gabriel an und sagte: „Ich habe IHN gesehen, den SOHN, den Erlöser. Und Seine Augen leuchteten vor Freude, und alle Menschen spiegelten sich in Seinem Blick. Wie kann ich euch etwas anderes verkünden. Ob sie es annehmen? Du weißt, dass Gott die Welt mit Seinen Gaben nicht erpresst und nicht kauft. Er schenkt aus reiner Freude. Er schenkt aus reiner Liebe. Das Kind, das göttliche Kind ist Sein Angebot an die ganze Welt.“

Doch bevor der Jubel im Himmel ausbrechen konnte, verteilte Gabriel die zukünftigen Aufgaben: Einige Engel hatten  zuerst den Einfachen, den Armen, den Verachteten, den Hirten die frohe Kunde zu überbringen. Aber auch die Gescheiten und Reichen sollten nicht ausgeschlossen sein. Einige wurden beauftragt, sie durch einen Stern hinzuführen zu dem Kind. Auch Josef, der Mann Marias, musste eingeweiht werden, damit er seine Frau nicht verlassen würde. Und so kam es, dass drei Monate später ein erschrockener Mann bei seiner Frau blieb, die ein Kind erwartete, Gottes Sohn im Schoß einer Frau; und abermals sechs Monate später das Kind in der Krippe lag, und alle Engel, der ganze Himmel sang: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.“

Lasst uns einstimmen, damit es ein Gesang des Himmels und der Erde werde.

 Pfr. Bodo Windolf

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