Predigt vom 25. Dezember 2007 (Weihnachtstag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Kaplan Claus Bayer,
St. Severin Garching 

Thema:

"Licht, das in der Finsternis leuchtet"
Predigttext

Kaplan Bayer: Predigt zum 1. Weihnachtstag 2007

Liebe Mitchristen!

Im Evangelium, das wir soeben gehört haben, scheint das Liebenswerte und Vertraute der Geburt Jesu entrückt in die unfassbare Größe des Geheimnisses. Da ist nicht die Rede von Mutter und Kind, von Hirten und Schafen oder vom Gesang der Engel, die den Menschen den Frieden verkünden.

Dennoch gibt es Gemeinsames zwischen den Erzählungen der Geburt Jesu und dem Beginn des Johannesevangeliums: Auch das heutige Evangelium spricht vom Licht, das in der Finsternis leuchtet; von der Herrlichkeit Gottes, die wir im fleischgewordenen Wort anschauen können; vom Herrn, der in sein Eigentum kam, aber von den Seinen nicht aufgenommen wurde. Mitten durch die geheimnisvoll-großen Worte hindurch wird so mit einem Mal der Stall sichtbar, in dem Jesus geboren wurde, weil in der Herberge kein Platz mehr war.

So zeigt ein genaueres Hinhören, dass das Evangelium des 1. Weichnachtstages von nichts anderem redet als dasjenige der Heiligen Nacht. Dass alle Evangelien ein- und dasselbe verkünden. Sie gehen es nur von verschiedenen Seiten her an:
Lukas und Matthäus erzählen die irdische Geschichte und verweisen von dort her auf die verborgene Gegenwart Gottes im Kind in der Krippe. Der Evangelist Johannes, dessen Symbol der Adler ist, setzt ein bei der Betrachtung des göttlichen Wortes, das in unsere Welt gekommen ist.

Es ist kein Zufall, dass der Eröffnungshymnus des Johannesevangeliums seit ältesten Zeiten zur Weihnachtsliturgie gehört. Denn er enthält den Satz, der den Grund unserer Freude, den eigentlichen Inhalt des Festes, angibt: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.

Wir feiern an Weihnachten also nicht die Geburt eines großen Mannes. Wir feiern auch nicht einfach das Geheimnis des Kindseins. Sicherlich, der Anfang neuen Lebens ist Grund zur Freude. Aber wenn wir heute nichts anderes begehen würden als die Idylle des Kindseins, dann bliebe bei genauerem Hinsehen auch von dieser Idylle nicht viel übrig. Denn alles irdische Leben ist dem Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen; und so müssten wir uns am Ende fragen, ob es wirklich ein Glück ist, geboren zu werden, wenn dies doch nur zum Sterben führt.

Deswegen ist es so wichtig, das hier mehr geschehen ist: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Dieses Kind ist nicht nur Mensch, sondern Gottes Sohn.

An Weihnachten ist das Unausdenkbare, und doch auch immer wieder Ersehnte geschehen: Der ewige Sinn der Welt ist so zu uns gekommen, dass wir ihn erreichen, ihn berühren können. Denn das griechische Wort „Logos“ bedeutet nicht nur „Wort“, sondern auch „Sinn“. Johannes will damit sagen: Nichts ist zufällig oder sinnlos, weil Gott alles durch sein sinnstiftendes Wort ins Dasein gerufen hat. Dieser göttliche Sinn ist keine allgemeine Idee, die in der Welt drinsteckt. Er ist ein Wort, eine Anrede an uns. Er ist jemand, der uns kennt, der uns ruft und uns ewiges, unverlierbares Leben verheißt. Er ist der Sohn Gottes, der ein Kind geworden ist, ohne aufzuhören, Gott zu sein.

Passt das überhaupt zu Gott, ein Kind, ein Mensch zu sein? Vielen Menschen, irgendwie uns allen, erscheit das zu schön, um wahr zu sein. Wir tun uns ja überhaupt schwer zu glauben, dass Wahrheit schön sein kann. Zeigt nicht die Erfahrung, dass Wahrheit am Schluss meistens grausam und niederschmetternd ist? Wo sie es einmal nicht ist, da wird so lange herumgebohrt und herumkritisiert, bis wir mit unserer Vermutung doch wieder Recht behalten. Das scheint überhaupt ein Grundzug unserer Zeit zu sein. Von den bildenden Künsten, von Literatur und Theater, wurde einst erwartet, im Dienst des Wahren, Schönen und Guten zu stehen.

Das hat sich gründlich geändert. Es geht meist darum, zu entlarven, aufzudecken, zu enthüllen. Das Gute ist nur scheinbar gut, das Anständige nur scheinbar anständig. Hinter dem schönen Schein, so will es der Zeitgeist, da verbergen sich in Wirklichkeit die Abgründe menschlicher Leidenschaft und Machtgier. Kaum ein Film, ein Buch, ein Zeitungsartikel, die nicht von dieser pessimistischen Grundstimmung geprägt wären. Die Begegnung mit der Wahrheit baut nicht mehr auf, sondern erniedrigt. Wer sich dieser Sicht entgegenstellt, wer trotz allem noch an das Wahre und Gute glaubt, gilt schnell als hoffnungslos naiv.

In diese Situation hinein erklingt das feierliche Bekenntnis des Johannesprologs: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Mögen die Gegenstimmen noch so laut rufen, um uns zu verunsichern. Nicht die vielen Worte des Widerspruchs sind ausschlaggebend, sondern das eine göttliche Wort, das aus Maria Fleisch annahm. Das Kind in der Krippe ist der letzte Sinn, die endgültige Wahrheit. Eine Wahrheit, die nicht grausam und abstoßend ist, sondern schön und anmutig wie das Lächeln eines Kindes. Eine Wahrheit, die nicht zerstört und bloßstellt, sondern heilt und befreit. 

Die entscheidende Frage lautet nicht: Warum gibt so viel Finsternis, so viel Böses in der Welt? Das lähmt nur und hilft nicht weiter. Die entscheidende Frage lautet vielmehr: Auf welcher Seite stehe ich? Auf der Seite der Finsternis oder auf der Seite des Kindes in der Krippe?

Das Weihnachtsfest lädt uns ein, Jesus, dem menschgewordnen Sinn, zu trauen, ihn an- und aufzunehmen. Dann werden auch wir erfahren, was Johannes erfahren hat: Nicht die Stimmen der Finsternis haben das letzte Wort, sondern das göttliche Wort, das Mensch geworden ist. Amen.

Kaplan Claus Bayer

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