Predigt vom 13. Januar 2008 (Patrozinium St. Severin)

St. Severin Garching

[Zurück zu Predigten/Sakramente] 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Taufe des Herrn und Heiliger Severin"
Predigttext

Predigt zu Taufe des Herrn und zum Patrozinium, 13.01.2008

Wir alle, die wir uns zum Patrozinium in diesem Gotteshaus versammelt haben, sind getauft. Das haben wir mit dem hl. Severin gemeinsam. Was uns von ihm unterscheidet, ist wohl nur die Radikalität und Konsequenz, mit der jemand wie Severin die Taufgnade gelebt hat. Grund genug, an seinem Fest, das zugleich das Fest „Taufe des Herrn“ ist, über einen Aspekt des Taufsakramentes nachzudenken.

Nach alter christlicher Lehre muss zum materiellen Zeichen eines Sakraments, hier das Übergossenwerden mit Wasser, das Deutewort hinzutreten. Mit gutem Recht könnte man das ganze Evangelium als Deutewort ansehen. Doch ich möchte daraus nur ein Wort herausgreifen, nämlich jenes, von dem die Exegeten übereinstimmend sagen, dass es die Mitte der Predigt Jesu gebildet hat: basileia tou Theou, d.h. Jesu Verkündigung der Nähe des Reiches und der Herrschaft Gottes. Hiervon ausgehend bedeutet Getauftsein, einzutreten in den Bereich der Herrschaft Gottes, einzutreten in das Reich, in dem Gott der Herr ist.

Stellen wir uns vor, diese Herrschaft Gottes wäre hier unter uns auf der Erde schon vollendet, d.h. restlos alle Menschen würden nach Gottes Willen leben. Ich bin sicher: er wäre das Paradies auf Erden. Aber nur unter einer Bedingung: dass die Herrschaft Gottes auf Freiwilligkeit beruhte. Ansonsten wäre auch ein solches Gottesreich auf Erden ein verkapptes Konzentrationslager. Unter der Decke einer unfreiwilligen Gottesherrschaft würde Rebellion schlummern, und die Explosion in Exzesse der Gewalt wäre vorprogrammiert. Alle Versuche, die Herrschaft Gottes z.B. durch Inquisition oder die Scharia, also mit Mitteln der Gewalt zu erzwingen, unterstützen nicht den Plan Gottes mit der Welt, sondern vereiteln ihn.

Und genau das ist das Projekt Gottes mit der Welt, zu welchem Zweck Er Seinen Sohn in diese unsere Welt gesandt hat: die Einladung an alle Menschen, sich aus innerster persönlicher Freiheit für Gott und für Jesus Christus als den Herrn meines Lebens, als den Herrn meiner Entscheidungen, als den Herrn im Glück und im Leid meines Daseins zu entscheiden.

Diese Freiwilligkeit ist zugleich die Voraussetzung für das Gelingen des „Projekts Schöpfung“ als auch ihr Problem. Die Frage, die sich jeder Getaufte immer wieder neu stellen muss, lautet nämlich: Will ich eigentlich, dass Gott der Herr meines Lebens ist, oder will ich nicht viel mehr letztlich selbst der alleinige Herr im Haus meines Lebens sein; niemanden, auch Gott nicht, hineinregieren lassen in mein Denken, Reden und Tun?

Ich möchte behaupten, dass sich alle Fragen über Wohl und Wehe meines persönlichen Lebens, über Wohl und Wehe von Schöpfung und Umwelt, über Wohl und Wehe der Menschheit insgesamt auf diese eine Frage zuspitzen lassen: Wer ist Herr: der Mensch ohne oder gar gegen Gott oder der Mensch in bewusster Verantwortung vor Gott, Seinen Weisungen und Seiner Schöpfung?

Ich will dies an zwei Beispielen ausführen: Vor einigen Monaten erstürmte das Buch „God Delusion“ – „Gotteswahn“ von Richard Dawkins die Bestsellerlisten in den USA, England, Deutschland und anderen Ländern. Der Spiegel titelte dazu: „Der Kreuzzug der Gottlosen“. Mit einem geradezu religiös-fundamentalistischem Eifer wird von einzelnen Wissenschaftlern, Philosophen und Literaten der Versuch gemacht, die Menschheit vom Glauben an Gott als der Ursache aller Übel in der Welt zu befreien. Gottgläubige Menschen gelten R. Dawkins als „Geisteskranke“, wie er schreibt; erst die von Gott befreite Welt mache sie human und friedlich.

Woher diese fanatische Gegnerschaft zum Gottesglauben vor allem jüdisch-christlicher und moslemischer Prägung? Dawkins Argumente sind dürftig und auf intellektuell erschreckend niedrigem Niveau. Der Gottesglaube wurde schon klüger in Frage gestellt. Der eigentliche Grund sind wohl nicht Argumente, auch nicht die berechtigte Verurteilung des Missbrauchs von Religion – das Trauma schlechthin ist diesen „Kreuzzüglern der Gottlosigkeit“ der 11. Sept. 2001 – sondern der Gotteshass selbst. Man will schlechterdings niemanden anerkennen, am wenigsten Gott, der mir oder dem Menschen überhaupt hereinreden könnte in das, was zu tun und zu lassen ist. Dawkins gehört zur intellektuellen Speerspitze des sog. „Transhumanismus“, einer Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Evolution des Menschen mit Mitteln der Technik in die eigene Hand zu nehmen, nicht zuletzt mit dem Mittel des Klonens. Bei diesem Handwerk stört Gott. Denn Gott setzt dem, was Menschen mit Menschen tun dürfen, Grenzen. Gottesherrschaft verunmöglicht bestimmte Formen von Menschenherrschaft. Dawkins wehrt sich zwar gegen den Vorwurf, ohne Gott sei alles erlaubt. Auch für ihn gibt es eine Ethik. Aber Schöpfer und Herr aller Norm ist eben nicht Gott, sondern allein der Mensch, der entsprechend den Bedürfnissen einer Zeit diese Normen setzt.

Wohin führt das? Damit wäre ich beim zweiten Beispiel: Mir scheint, schon die teils ungebremste rücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen unserer Erde ist gleichsam Politik der verbrannten Erde und damit gottloser Terror gegen die nachfolgenden Generationen, denen wichtigste Lebensgrundlagen zerstört und entzogen werden.

Noch deutlicher zeigen sich brutale Formen der Herrschaft von Menschen über Menschen beim Umgang mit dem vorgeburtlichem Leben. Dass es per Abtreibung getötet werden darf, wenn es der eigenen Lebensplanung im Wege steht, wird von vielen Regierungen und weltweit operierenden Organisationen inzwischen bis hin zu amnesty international als Menschenrecht eingefordert. Die Außerkraftsetzung des Menschenrechts auf Leben als ein Menschenrecht – perverser kann Recht kaum mehr in Unrecht verkehrt werden.

Am aktuellsten ist die Diskussion um die Verschiebung des Stichtags für verbrauchende Embryonenforschung. Ich will gar nicht mit der Bibel argumentieren, sondern mit einem der bekanntesten Sätze des bedeutendsten Denkers der Aufklärung, Immanuel Kant. Sein sog. kategorischer Imperativ für den Umgang mit Menschen lautet: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Das ist exakt die Definition für die Achtung menschlicher Würde: den Menschen niemals zum bloßen Mittel für die Zwecke anderer zu machen.

Wer demnach bereit ist, ob mit oder ohne Stichtag, menschliche Embryonen zur bloßen „Biomasse“ für wissenschaftliche Forschung zu degradieren, der votiert anti-aufklärerisch und inhuman, der fällt zurück hinter eine der größten Errungenschaften der Aufklärung, die es ihrerseits übrigens ohne das christliche Menschenbild, ohne den Gedanken von der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen, niemals gegeben hätte.

Genau darauf hatte der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, in der Auseinandersetzung mit Dawkins hingewiesen. Daher war es, besonders auch aus ökumenischer Perspektive, eine herbe Enttäuschung, als derselbe Bischof am vergangenen 27. Dez. – übrigens im Gegensatz zu einer früheren Stellungnahme vor der EKD-Synode im November 2003 – in einem Artikel der FAZ die katholische Kirche wegen ihrer Ablehnung einer neuen Stichtagsregelung scharf angriff und das Ganze zu einem konfessionellen Problem erklärte. Viele   evangelische Christen – Landesbischöfe (July von Württemberg, Friedrich von Bayern) Theologen und andere – die dieselbe Position wie die katholische Kirche vertreten, beweisen, dass es sich hier mitnichten um einen konfessionellen Gegensatz handelt. Hier geht es um die Frage nach der wahren Humanität unserer Gesellschaft. Wo es um Leben oder Tod geht, gibt es keinen Kompromiss; denn es gibt kein „nur ein bisschen töten“ oder „nur ein bisschen am Leben lassen“, sondern hier gibt es nur entweder/oder.

Auch ist die Stichtags“lösung“ kein wirklicher Ausweg. Vielmehr erscheint sie mir als Ausweis des im Grunde schlechten Gewissens der Beteiligten. Man kann nicht andere das schmutzige und in Deutschland verbotene Geschäft des Tötens von Embryonen erledigen lassen und dann die unschuldigen Nutznießer dieses Eingriffs spielen. Es fragt sich, ob dies nicht eine besonders abstoßende Form von Heuchelei ist.

Im übrigen gibt es eine nun schon 50-jährige Forschung mit adulten Stammzellen mit teils hervorragenden therapeutischen Erfolgen (im Gegensatz zu den embryonalen Stammzellen, die so deutlich zu Tumorbildung neigen, dass man ihren therapeutischen Einsatz so gut wie abgeschrieben hat). Zwei der führenden Forscher auf diesem Gebiet, Lukas Kenner (Wien) und Volker Herzog (Bonn), bestreiten, dass dazu die ja auch erst 10 Jahre alte Forschung mit embryonalen Stammzellen nötig sei. Dies bestätigt der britische Stammzellforscher Colin McGuckin von der Universität Newcastle. Er schreibt: „In unserer gesamten zwanzigjährigen Forschungstätigkeit hat kein einziger Aspekt der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen zu unserem Verständnis von adulten oder Nabelschnurblutstammzellen beigetragen … Es irritiert mich sehr, zunehmend zu hören, dass Forscher, die mit embryonalen Stammzellen arbeiten, dies damit rechtfertigen, ihre Forschung sei notwendig für neue adulte Stammzelltherapien. Adulte Stammzelltherapien sind aus sich heraus erfolgreich und bedürfen in keiner weise der embryonalen Stammzellforschung.“ Dass viele dennoch auf dem tötenden Zugriff auf menschliches Leben beharren, erscheint mir vor diesem Hintergrund nicht nur als irrational, sondern geradezu als diabolisch.

Als Christen haben wir uns – das sind wir Gott schuldig und der Würde des Menschen von seiner Empfängnis an, wie es der 1. Artikel unseres Grundgesetzes deklariert – auf die Seite des Lebens zu stellen, des Lebensrechts gerade auch der Schwächsten unter uns. Erkenntnisgewinn, Heilungschancen – die sich im übrigen inzwischen als äußerst fragwürdig herausgestellt haben – die menschliches Leben als Rohstoff vernutzen, dient nicht dem Fortschritt, sondern ist eine Option für den Rückfall in nackte Barbarei. Hier dürfen wir als Christen nicht schweigen, weil wir uns sonst mitschuldig machen.

Ich bin ausgegangen von der Frage: Will ich als Getaufter Gott den Herrn meines Lebens sein lassen oder nicht? Dies ist eine zutiefst persönliche Frage, die aber hineinragt auch ins Politische. Weil die Herrschaft Gottes auf die Freiheit des Menschen baut, können sich auch viele verweigern. Weil sich so viele, auch Getaufte, verweigern, gibt es noch so viele Gegenkräfte, so viel Inhumanes in der Welt. Die Frage an jeden von uns lautet: Wie entscheide ich mich?

 Pfr. Bodo Windolf

Seitenanfang
© copyright  2008  WebMaster: Herbert Bauernfeind   webmaster@bauernfeind-web.de