Predigt vom 23. März 2008 (Osternacht)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Wie vermag der Glaube an die Auferstehung unser Leben zu verändern?"
Predigttext

Osternacht 2008 

Wie vermag der Glaube an die Auferstehung unser Leben zu verändern? 

Hat der Glaube an die Auferstehung Jesu und damit an unsere eigene Auferstehung eigentlich etwas mit unserem konkreten Leben hier und jetzt zu tun? Verändert der Glaube daran die Lebensweise eines Menschen so, dass sie ohne diesen Glauben anders aussähe? Denn eigentlich handelt Auferstehung ja von einem ganz anderen Leben, von einem Leben nach dem Leben, von einem (hoffentlich) himmlischen Leben nach dem irdischen Leben; d.h. von einem Leben irgendwann einmal, in der Zukunft, nach dem Tod, aber eben nicht vom Leben hier und jetzt. 

Abgesehen davon kann man fragen: Hat es überhaupt Sinn, dem Glauben an die Auferstehung einen Einfluss auf mein jetziges Leben einzuräumen? Die ganze Geschichte ist ja höchst unsicher. Niemand von uns kann aus eigener Erfahrung sagen, die Sache mir der Auferstehung Jesu sei wahr. Wir wissen davon nur durch das Zeugnis anderer, denen wir glauben können oder auch nicht. Auch hat niemand von uns je einen Blick hinter die Todeswand getan. Niemand weiß aus persönlicher Anschauung: Ja, dahinter gibt es noch etwas. Wobei das Gegenteil, dass dahinter nichts sei, natürlich auch niemand wissen kann. So oder so: hier ist nur Glaube möglich. Auch der Nicht-Glaubende kann nur glauben, dass Jesus nicht auferstanden und mit dem Tod alles aus ist. 

Aber selbst wenn ich überzeugt bin: Ja, Jesus ist tatsächlich auferstanden, und auch ich werde einmal auferstehen – hat das – ich wiederhole die Frage – eine Bedeutung für mein Leben hier und jetzt? Ich will doch jetzt schon glücklich sein, und nicht erst irgendwann im Jenseits! Was nützt mir die Taube auf dem Dach? Dann doch lieber der Spatz jetzt in meiner Hand! Auferstehungsglaube – ist das nicht Vertröstungsideologie? Ja, im Jenseits wird’s dir besser gehen. – Nein, antworten viele, hier und jetzt will ich mein Leben leben und genießen. Was danach kommt, interessiert mich nicht. Das ist so fern und hat mit mir jetzt rein gar nichts zu tun. 

An dieser Stelle möchte ich, um mit all diesen Fragen weiter zu kommen, mit Ihnen einen kleinen literarischen Ausflug wagen.

Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam von Frankreich her auf Deutschland übergreifend eine lyrische Richtung auf, für die sich der Begriff „Wasserleichenpoesie“ eingebürgert hat. Als Beispiel will ich eine Strophe aus Bertold Brechts Gedicht „Das ertrunkene Mädchen“ von 1920 zitieren.

„Als ihr bleicher Leib im Wasser verfaulet war

Geschah es (sehr langsam), dass Gott sie allmählich vergaß

Erst ihr Gesicht, dann die Hände und zuletzt ihr Haar.

Dann war sie Aas in Flüssen mit vielem Aas.“

Die Botschaft der Gedichtsammlung, der diese Verse entnommen sind, fasst Brecht zusammen in den Zeilen:

„Lasst euch nicht verführen!

Es gibt keine Wiederkehr.“

Was Bert Brecht hier ausdrückt, ist ein Lebensgefühl, das im vergangenen Jahrhundert bis heute immer weitere Kreise unserer westlichen Kultur erfasst hat. Es besagt: Unser eigentliches Schicksal ist der Tod. Gott hat uns vergessen, weil – es Ihn gar nicht gibt. Die Menschen sind lang genug verführt worden mit Vertröstungen auf ein Jenseits und Auferstehung. Daher: Lass dich nicht verführen! Bleib Realist, iss und trink, lass es dir gut gehen! Denn morgen schon ist alles für immer aus. 

Was ist der Preis dieser Lebensphilosophie, die übrigens in der Antike zur Zeit Jesu weit verbreitet war? In so mancher Hinsicht ähnelt unsere Zeit der damaligen bis aufs Haar. Noch einmal Bert Brecht im selben Gedicht „Lasst euch nicht verführen“, in dem es diesmal heißt:

Lasst euch nicht betrügen!
Das Leben wenig ist.
Schlürft es in vollen Zügen!
Es wird euch nicht genügen
Wenn ihr es lassen müsst!

Brecht spürt es deutlich und er spricht es aus: Dieses Leben hier und jetzt – es genügt nicht. Wir wollen mehr, wir hungern nach mehr, wir dürsten nach mehr, als diese paar Jahre, die uns zu leben bestimmt sind, uns bieten können. Aber es hilft nichts. „Ihr sterbt mit allen Tieren /und es kommt nichts nachher“, so die beiden Schlussverse. Und daher gilt: „Schlürft (wenigstens dieses Wenige) in vollen Zügen!“

Das Leben, das bisschen Leben schlürfen, auf Teufel komm raus auskosten. Wie schnell wird Sehnsucht auf diese Weise zur Sucht. Denn die Sehnsucht nicht nach ein bisschen, sondern nach vollkommenem Glück, Erfüllung, Freude, Sinn, Liebe, ist in allen Menschen gleich, ob sie nun glauben oder nicht glauben. Wer aber keine Hoffnung über das irdische Leben hinaus hat, wird alles daran setzen, so viel wie möglich vom ersehnten Glück schon in diesem Leben zu erhaschen. Das Glück der Ewigkeit muss hineingepresst werden in die paar Jahre und Jahrzehnte meiner Lebensspanne.

Und wie schnell kann dann diese Jagd nach dem Glück hier und jetzt und sofort entweder umschlagen in Resignation, Enttäuschung, Verzweiflung, Frustration, innere Leere und Langweile, betäubt mit allem möglichen; oder auch umschlagen in eine spießige Selbstgenügsamkeit, deren Lebensinhalt sich mit dem „kleinen Glück“ begnügt: der Flasche Bier am Abend, dem Fernseher, ein wenig Urlaub, ein wenig Sex, ein wenig Sport, ein wenig dies und das. Aber für das große Glück, für jenes Große, zu dem wir eigentlich von Gott geschaffen sind und das als Sehnsucht in uns allen lebt, ist kein Platz mehr: kein Platz für Gott, kein Platz für Gebet, kein Platz für ein Engagement, in dem ich mich selbst voll und ganz investiere und engagiere; alles, das ganze Leben, auf dürftigste Sparflamme reduziert.

Jenes Große, um das es eigentlich geht in unserem Leben, hat viele Namen. Einer davon ist für uns Christen der Name Auferstehung. Denn in diesem Wort ist alles enthalten, wonach wir uns ausstrecken und sehnen.

Weil es für uns Auferstehung gibt, ist das Leben hier und jetzt alles andere als egal. Es ist Zeit der Bewährung, Zeit der Vorbereitung, Zeit der Einübung der wahren Werte menschlichen Lebens wie Verzeihen, Barmherzigkeit, Geduld, Glaube, Hoffnung, Liebe, Zeit auch teilweiser Erfüllung unserer Sehnsüchte; aber eben doch nur eine teilweise, gleichsam als Vorgeschmack auf die Größe des Zukünftigen, weil hier immer durchmischt mit vielen Erfahrungen von Nicht-erfüllt-Sein.

Aber wer an den Auferstandenen und an Auferstehung glaubt, der muss nicht jetzt schon alles haben; der kann gelassener umgehen mit den Deffizienzerfahrungen unseres Daseins: der Erfahrung verlorenen Glücks, verweigerten Glücks, nie gekosteten Glücks, usw. Der weiß, dass Kreuz und Leid nicht sinnlos sind, sondern überwunden werden, weil Er, Christus, es überwunden hat. Für den ist das Jenseits nicht Vertröstung, sondern Trost; wahrer Trost, aus dem Kraft und Zuversicht und Hoffnung fließen für das Leben hier und jetzt.

Wer wahrhaft an Christus, den Auferstandenen glaubt, und aus diesem Glauben lebt, der verpasst nicht das Leben; er hat nicht weniger, sondern er hat mehr vom Leben; und vor allem eine Hoffnung, die schon unser irdisches Dasein mit überirdischem Glanz, mit überirdischer Vorfreude erfüllt. Das ist es, was der österliche Glaube hier und jetzt und sehr konkret verändert.

 Pfr. Bodo Windolf

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