Predigt vom 6. April 2008 (3. Ostermontag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Das mutige Zeugnis von Christen damals und heute"
Predigttext

3. Ostersonntag A 2008 (Joh 21,1-14)

Taufe eines Moslems in der Osternacht – das mutige Zeugnis von Christen damals und heute

Wie in jeder Osternacht so hat auch in diesem Jahr Papst Benedikt in St. Peter zu Rom einigen Erwachsenen das Sakrament der Taufe gespendet. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn sich nicht heuer ein Moslem unter den sieben Täuflingen befunden hätte. Es handelt sich um den in Italien ausgesprochen bekannten Journalisten und stellvertretenden Chefredakteur der Tageszeitung „Corriere della Sera“ Magdi Allam. Er ist gebürtiger Ägypter und hat mit der Taufe zusätzlich den Namen Christiano – also einfach „Christ“ – angenommen. Seit Jahren gilt er als ein scharfer Kritiker des islamischen Fundamentalismus, was der Grund dafür ist, dass er und seine Familie schon seit fünf Jahren unter ständigem Polizeischutz leben.

Die Taufe wurde zu einem Politikum, weil sie teils sehr heftige und – neben wenigen mäßigenden Stimmen – leider auch sehr hässliche Reaktionen in der islamischen Welt hervorgerufen hat. Der Vatikan hat dazu sehr einfach und schlicht erklärt, dass jeder, der in Freiheit nach dem Sakrament der Taufe verlange, es – so ein Wort aus der heutigen 2. Lesung – ohne Ansehen der Person empfangen kann. Der Papst sieht es als ein Zeugnis für die Religionsfreiheit an und auch als ein Zeugnis für das Recht zum Religionswechsel, dass er diese Taufe vor der Weltöffentlichkeit vornahm. Er war offensichtlich nicht bereit, aus Furcht vor beleidigten Reaktionen islamischer Autoritäten diesem Wunsch des Konvertiten nicht nachzukommen.

Magdi Allam hatte in verschiedenen Veröffentlichungen von den „Katakomben-Christen“ unserer Zeit mitten in den freiheitlichen Demokratien Italiens und Europas gesprochen, also von „Christen, die nur im Geheimen ihren Glauben leben können“. Allam: „Ich kenne Dutzende solcher Menschen. Ich glaube, der Papst wollte mit meiner Taufe in dieser großen Messe der ganzen Kirche sagen: Habt keine Angst, ihr habt die Pflicht, Christus jenen Menschen zu bringen, die ihn aus freien Stücken begehren.“

Nach seiner Ansicht lässt die Kirche „leider häufig Konvertiten im Schatten stehen“, was absurd ist, denn: „Wenn ein Christ Muslim wird, würde keiner auf die Idee kommen, das zu beanstanden. Wenn ein Muslim sich bekehrt, ist das oft sein Todesurteil.“ Und an anderer Stelle: „In Italien gibt es Tausende, die zum Islam übergetreten sind und ihren neuen Glauben in Frieden leben. Aber es gibt auch tausende von Muslimen, die zum Christentum übergetreten und gezwungen sind, ihren neuen Glauben zu verheimlichen – aus Angst, von islamischen Extremisten ermordet zu werden. (…) Die Geste des Papstes und mein Zeugnis sollen sie davon überzeugen, dass der Moment gekommen ist, aus dem Dunkel der Katakomben hervorzukommen und ihren Willen öffentlich zu bekunden. Wenn wir hier bei uns in Italien nicht allen die volle Religionsfreiheit gewährleisten können, wie sollen wir dann die Verletzung dieser Freiheit anderswo in der Welt glaubwürdig anklagen?“

Was ist sein Ziel? „Vor allem will ich erreichen, dass wir als Westen wieder unsere Werte entdecken und schätzen. Denn wenn wir uns derer nicht bewusst sind, können wir auch nicht in den Dialog mit anderen treten.“

So äußert er auch die Überzeugung, „dass viele Muslime eine gemäßigte Auslegung des Islam leben, und es ist unsere Pflicht, mit all jenen den Dialog zu pflegen und friedlich zusammenzuleben, die fundamentale und nicht verhandelbare Werte wie die Freiheit und Würde des Menschen anerkennen“.

Auch er selbst sei gläubiger Muslim gewesen und wollte einen moderaten Glauben leben. „Doch als ich schließlich bedroht wurde und Leibwächter bekam, da habe ich gemerkt: Die Religion des Lebens und der Liebe ist das Christentum. Es ist mein Recht, eine negative Einstellung gegenüber dem Islam zu haben. Das heißt nicht, dass ich für einen Religionskrieg bin oder gegen den Dialog.“

Hat all das etwas mit den heutigen Lesungstexten zu tun? Mir scheint: Ja, sogar sehr viel.

Die Zeit zwischen der furchtbaren Hinrichtung Jesu und dem Pfingsttag, an dem Petrus seine erste große Predigt hielt – die wir vorhin in der 1. Lesung gehört haben – war die Zeit, in der die Apostel und Jünger Jesu gleichsam als „Katakombenchristen“ lebten. Sie hatten sich verkrochen, eingeschlossen, vermutlich in jenem Obergemach, in dem Jesus mit ihnen das letzte Abendmahl gefeiert hatten. Sie hielten sich versteckt aus Furcht, dasselbe Schicksal zu erleiden wie ihr Meister.

Zwischendurch aber war noch etwas anderes passiert. Davon berichtet das Evangelium, das ausgesprochen seltsam anmutet. Den Jüngern war Jesus schon mindestens zweimal erschienen. Nach dem Zeugnis des Johannes-Evangeliums hatte der Herr sie schon mit den Worten: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“, mit einem klaren Auftrag versehen. Aber irgendwie war das noch nicht in ihrem Inneren angekommen. Denn in der heutigen Perikope sehen wir sie auf einmal da, von wo sie Jesus etwa drei Jahre zuvor weggeholt hatte. Wie die Jünger von Emmaus sehen wir sie als solche, die zurückgekehrt sind in ihr altes Leben als Fischer. Die Zeit mit Jesus, für den sie ja alles verlassen hatten: die Familie, den Besitz, den Beruf; die Zeit, in der sie an seiner Seite durch Galiläa und Judäa wanderten, erfüllt von großen Hoffnungen auf das kommende Reich, das er in Israel errichten würde, sowie auf die Posten, die es in diesem Reich zu verteilen gäbe – diese Zeit lag unwiederbringlich hinter ihnen. Mochte er auferstanden sein und leben. Was hatte das noch mit ihnen zu tun? Er war auf der anderen Seite, jenseits dieses Lebens und seines Alltags, sie aber mussten eben diesen Alltag nun wieder wie früher bewältigen.

Es hat wohl eine ganze Weile gebraucht, bis sie begriffen: Was sie mit Jesus erlebt und erfahren hatten, das war nicht zu Ende, sondern – es fing jetzt erst richtig an. Erst allmählich begriffen sie, dass Er sie jetzt wie nie zuvor brauchte; dass sie als seine Verkünder in Vollmacht Seine Stelle einnehmen, Ihn vertreten, Ihn repräsentieren sollten; dass sie von nun an Seine Stimme in der Welt waren.

Dazu benötigten sie eine ganz neue Kraft, eine ganz neue Ausrüstung und Zurüstung. Es ist der Pfingsttag, an dem Petrus die in der Lesung gehörte kraftvolle Predigt hielt, auf die hin sich Tausende, die Jesus sicher vorher gekannt hatten, zu Ihm bekehrten und taufen ließen.

Weil sie in der Kraft des Heiligen Geistes ihr „Katakombenchristendasein“ verließen und öffentlich den Glauben bekannten und bezeugten, deshalb konnte sich das Christentum so schnell ausbreiten. Deshalb auch glauben wir heute.

Was das für sie bedeutete, wussten sie sicher: Schläge, Verfolgung, Einkerkerung, Vertreibung, schließlich den Märtyrertod. Sicher haben sie sich angesichts des Schicksals Jesu wenig Illusionen gemacht. Aber die Faszination des Glaubens an Jesus Christus, den Auferstandenen, war für sie so groß, dass sie all das auf sich zu nehmen bereit waren.

Es gibt sicher nicht wenige Moslems, auf die der christliche Glaube ebenfalls eine große Anziehungskraft ausübt. Aber die Angst vor Verstoßung aus der Familie, die Angst vor allem auch vor der Todesstrafe, die die Sure 4 des Korans sowie der Ausspruch Mohammeds: „Wer seine Religion wechselt, den tötet!“, für die Abkehr vom Islam vorsieht, hindert sicher viele daran, sich für den christlichen Glauben überhaupt zu interessieren oder gar sich ihm zu nähern. In dieser und anderer Hinsicht erscheint der zitierte islamische Grundsatz als geradezu diabolisch.

Die Taufe Magdi Allams, die unser Papst in der Osternacht vornahm, war, so wurde ausdrücklich erklärt, kein demonstrativer Akt gegen die große Glaubensgemeinschaft des Islam, wohl aber ein bewusstes Zeugnis für die Religionsfreiheit, selbst um den Preis der Gefahr für Leib und Leben.

Zu allen Zeiten braucht es Menschen, damals zur Zeit Jesu, heute in unserer Zeit, die bereit sind, für Christus auch unter Gefahr Zeugnis zu geben. Gott möge diesen mutigen Christen beistehen.

 Pfr. Bodo Windolf

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