Predigt vom 1. Juni 2008 (Pfarrfest und Vorstellung neues Kreuz)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Neues Kreuz in St. Severin"
Predigttext

Das neue Kreuz von St. Severin in Garching, Predigt vom 1. Juni 2008

Menschen brauchen Orientierung, Menschen suchen nach Orientierung, Menschen suchen nach Ausdruck ihrer Orientierung. Die den Menschen am tiefsten prägende und beanspruchende Orientierung ist die religiöse. Sinnenfälligen Ausdruck findet diese nicht zuletzt in der Gebetsrichtung.

Juden beten beispielsweise seit alters her Richtung Jerusalem. Denn dort steht der Tempel, die Wohnung der Shechina, die, im Gegensatz zur Transzendenz (Jenseitigkeit) Gottes, Seine Immanenz, d.h. seine Gegenwart, seine Einwohnung inmitten seines Volkes bezeichnet.

 Moslems wenden sich beim Gebet Richtung Mekka, denn von hier aus hat sich Allah mittels des Engels Gabriel Mohammed offenbart. Die Hinwendung nach Mekka symbolisiert die Ausrichtung des ganzen Lebens nach dem Willen Gottes, der im Koran niedergelegt ist.

 Christen beten schon seit frühester Zeit Richtung Osten, also der aufgehenden Sonne entgegen. Zum einen wird diese als Christus-Symbol gedeutet; denn Er ist die wahre „Sonne der Gerechtigkeit“, von der das letzte alttestamentliche Buch Maleachi (3,20) spricht. Zugleich ist Jesus der, der aus der Dunkelheit des Todes „aufgegangen“, auferstanden ist und der Menschheit das Licht der Vergebung und des ewigen Lebens bringt. Als ein kosmisches Symbol zeigt die Sonne an, dass die ganze Schöpfung einbezogen ist in die Erlösungstat Christi. Wer sein Leben an Ihm ausrichtet, lebt orientiert, also gleichsam „geostet“ (Osten, lateinisch = oriens, wovon sich Orientierung ableitet). Man sieht also, wie sich christlicher Glaube auch in der Sprache niedergeschlagen hat.

Aus diesem Grund wurden und werden die Kirchen in der Regel nach Osten hin gebaut. Daraus ergab sich auch die Zelebrationsrichtung. Wenn man heute gerne sagt, früher habe der Priester mit dem Rücken zum Volk zelebriert, dann verfehlt das den eigentlichen Kerngedanken. Dieser war die gemeinsame Gebetsrichtung von Priester und Gemeinde. Beide bildeten keinen in sich geschlossenen Kreis, sondern waren geöffnet: zum einen auf den wiederkehrenden Christus hin, zum anderen zur Welt hin, zu der die Kirche gesandt ist.

Mit der neuen Zelebrationsrichtung zum Volk hin, die in vielen modernen Kirchen – so auch in St. Severin – unterstrichen wird durch die kreisförmige Anordnung der Bänke um den Altar, ergibt sich nun in der Tat das Bild eines in sich geschlossenen Kreises.

Hier nun setzt das neue Bronze-Kreuz in St. Severin einen neuen Akzent. Allein die Platzierung – schwebend über dem Altar – bricht diesen Kreis nach oben hin auf. Wer die leere oder auch die gefüllte Kirche betritt, dessen Blick wird sogleich und unwiderstehlich nach oben gezogen auf Den hin, der die eigentliche Mitte der Gemeinde und der Kirche bildet, Christus. Der nach oben hin aufgebrochene Kreis schließt zugleich die ganze Welt mit ein, denn Christus ist ja für alle, für die Erlösung der ganzen Schöpfung gestorben.

Auch der Altar selbst wird durch das Kreuz noch einmal mehr betont und bildet zusammen mit diesem den zentralen Bezugspunkt für Priester und Gemeinde. Nicht aufeinander sollen sie schauen, sondern auf Christus als ihre gemeinsame Mitte hin.

Zugleich drückt das Kreuz das zentrale Geschehen auf dem Altar im Bild aus, nämlich die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Jesu zusammen mit seiner Auferstehung.

Damit sind wir nun bei der Gestaltung des Kruzifix` selbst angelangt.

Da der Innenraum von St. Severin recht dunkel ist, sollte es kein leidender Christus sein, der die Atmosphäre des Kirchenraumes wohl noch einmal mehr verdüstert hätte. Der Grundgedanke war vielmehr, Kreuz und Auferstehung, Karfreitag und Ostern    ineins darzustellen. Daher wurde mit der Künstlerin vereinbart, Christus zwar als den Gekreuzigten zu gestalten, aber schon in der Bewegung der Auferstehung.

Ihr ist das, wie ich finde, in hervorragender Weise geglückt. Der ganze Körper hat sich vom Kreuz gelöst, nur noch der rechte Fuß ist mit ihm verbunden, die Arme, schon oberhalb des Querbalkens, streben nach oben, die ganze Gestalt streckt sich mit einer enormen Spannung dem Himmel entgegen. Auf diese Weise gewinnt sie eine große Leichtigkeit, sie stößt sich ab von der Erdenschwere des durchgestandenen Leids und des überwundenen Todes. Es zeigt die Richtung an, zu der hin wir alle unterwegs sind.

Zugleich fehlt dem Haupt Jesu die Dornenkrone. Stattdessen – ein Steckenpferd der Künstlerin – ist es umwunden mit einem Tuch. Dies kann uns durchaus an die Leinenbinden erinnern, in die der Leichnam Jesu eingehüllt wurde, so dass wir, wenn wir mögen, neben Karfreitag und Ostern auch noch den Tag der Grabesruhe Jesu, den Karsamstag, in diesem Kunstwerk dargestellt sehen.

Die Aussage des Corpus wird noch einmal verstärkt durch das durchsichtige Acrylkreuz. Für manche ist es sicher gewöhnungsbedürftig. Aber zum einen musste es sich abheben von der mächtigen Holzdecke der Kirche. Holz gegen Holz hätte sich wohl nur sehr schwer in die Kirche eingefügt. Zum anderen unterstreicht es die Aussage, dass Kreuz, Schuld, Leid und Tod in Christus schon erlöst und    überwunden sind. In dieser Durchsichtigkeit auf Erlösung hin liegt ein großer Trost für uns alle und besonders für jene, die mit ihren Sorgen und Nöten in die Kirche kommen. Wer vor diesem Kruzifix betet, soll im Anblick des Gekreuzigt-Auferstandenen, im Anblick des lichterfüllten Kreuzes sehen, dass wir in jeder Lebenslage Hoffnung haben dürfen, weil Christus uns schon hier auf Erden mitnehmen möchte zu seinem und unserem Vater, dem Licht, der Freude, dem Frieden, der Erlösung entgegen.

Der Künstlerin Anna Chromy, die aus Böhmen stammend, in Österreich groß geworden, lange Zeit in Frankreich wohnend ihr Atelier in Italien (Pietra Santa) hat, ist vor allem auch eine Christusdarstellung gelungen, die von allen Seiten schön anzuschauen ist. Dies war wohl eine der größten Herausforderungen, die unser Kirchenraum durch die Circumstanz aufgibt. Mir scheint sogar, dass das Kreuz von der Seite noch eindrücklicher wirkt als in der Vorderansicht. 

Was nun noch notwendig ist, ist eine Überarbeitung des Lichtkonzepts innerhalb der Altarinsel. Wir hoffen, dies baldmöglichst in Angriff nehmen zu können, so dass dann auch endlich die festliche Kreuzweihe stattfinden kann, vorraussichtlich an unserem Patrozinium am 11. Jan 2009 sein (oder auch, wenn wir unseren neuen Erzbischof Reinhard Marx für die Einweihung gewinnen können, zu einem ihm möglichen anderen Termin.)

Zum Schluss möchte ich mich von ganzem Herzen bei all jenen bedanken, die beim Zustandekommen des Kreuzes mitgewirkt haben: allen voran der Künstlerin Anna Chromy, aber auch jenen, die über den Förderverein St. Severin Spendengelder gesammelt haben und schließlich den Spendern selbst. Ohne die kleinen und großen Spenden, aus denen sich das Kreuz ausschließlich finanziert, würde dieses Kunstwerk unsere Pfarrkirche nicht schmücken. Ich persönlich und viele andere Personen aus Garching freuen sich sehr über ein Kruzifix, das zum Beten einlädt, das Hoffnung, Trost und Zuversicht ausstrahlt und dem Kirchenraum noch mehr „Seele“ gibt.

 Pfr. Bodo Windolf

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