Predigt vom 24. Dezember 2008

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Die Weihnacht der anderen Seite"
Predigttext

Christmette 2008

Die Weihnacht der anderen Seite

Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen ans vergangene Jahr. Ich habe eine Art himmlische Legende erzählt darüber, was wohl die Engel im Himmel gedacht haben mögen, als Gott sich entschloss, zu den Menschen in Gestalt eines kleinen Kindes zu kommen.

Heute will ich die Fortsetzung erzählen, meiner Phantasie entsprungen und doch wohl viel näher an der Wahrheit, als man vermuten und wahrhaben möchte.

Wo Gott in der Höhe etwas plant, bleibt die finstere Tiefe nicht ruhig. Wo Gott Sein klares Licht schenkt, verbreitet auch bald schon die Finsternis ihr irreführendes Zwielicht. Wo Gutes geschieht, lauert das Böse. Wo Gott Seine Boten und zuletzt Seinen Sohn sendet, lässt auch Luzifer, der Herr in der Tiefe, seine Spione und Agenten ausschwirren, um die Pläne aus der Höhe zu vereiteln.

In jene Versammlung, in der der Erzengel Gabriel verkündet hatte, dass Gott sich den Menschen als ein Kind schenken wolle, hatte sich auch ein Bote der Finsternis eingeschmuggelt. Er war klein und unscheinbar und hatte ein engelgleiches Gesicht, so dass er nicht weiter auffiel. Aber unter Seinesgleichen galt er als einer der Gemeinsten und Verschlagensten. An ihm war abzulesen, wie gut sich der Böse unter der glatten Oberfläche von Harmlosigkeit und falscher Freundlichkeit zu verbergen vermag.

Als er dem Herrn in der Tiefe Bericht erstattet hatte, erstarrte die panikartig einberufene Versammlung in ratlosem Schweigen. Wenn Gott nicht mehr unsichtbar blieb, verlor man dann nicht alle Macht an Ihn? Konnte es dann noch geschehen, dass er von den Irdischen einfach übersehen und an den Rand gedrängt würde? War dann nicht die Macht der Finsternis endgültig gebrochen?

Natürlich war es Luzifer, der sich als erster aus der inneren Erstarrung löste. Er wusste: es musste gehandelt werden, und zwar schnell. Und da er von überragender, wenn auch eiskalter Intelligenz ist, war ihm auch schnell klar, was zu tun sei. Seine Stimme durchschnitt die Stille wie kalter, scharfer Stahl. Jedem Zeugen von außerhalb wäre sofort klar gewesen, dass in diesem Reich unerbittlicher Gehorsam eingefordert wurde. Hier herrschte entweder chaotische Anarchie, wenn es nicht drauf ankam, oder brutalste Diktatur, wenn man genaue Ziele verfolgte. Die Freiheit, die der „Feind“ gewährte – niemandem kam hier je das Wort Gott  über die Lippen, Gott war einfach nur der „Feind“ – die Freiheit, die der „Feind“ gewährte, war diesem Reich vollkommen fremd. Den Schein von Freiheit zu erzeugen, um die menschlichen Opfer unmerklich in die eigene Gewalt zu bekommen, das war an diesem verruchten Ort das Prinzip. Und es funktionierte. Viele der Menschenkinder merkten es nie, in wessen Klauen sie ihr Leben lebten; und bei denen, die es irgendwann merkten, war es oft schon zu spät, um dem Kerker aus Ideologie, Sucht, Egoismus und Materialismus zu entkommen. Nur die innerlich Kraftvollsten schafften dies. 

Selbstverständlich war der Fürst der Finsternis ein bester Kenner der jüdischen heiligen Schrift. Bethlehem – hier würde es geschehen nach einer jahrhundertealten Verheißung. Also waren Vorkehrungen zu treffen. Natürlich war Luzifer klug genug, um zu wissen, dass er die Pläne des „Feindes“ nicht würde verhindern können, aber er wollte sie – diese Macht hatte er –erschweren und alles tun, dass es möglichst wenig bekannt würde. Wie gut daher, dass gerade die von Kaiser Augustus befohlene Volkszählung lief. Bethlehem würde überfüllt sein. Es galt nur noch, die Gedanken der Herbergsleute ein wenig zu manipulieren. Ihnen musste einfach eingeflüstert werden, dass arme Leute einträglicheren Gästen nur den Platz wegnehmen würden, dass eine hochschwangere Frau ohnehin nur lästige Unannehmlichkeiten bereite und man den Gästen das Geschrei eines neugeborenen Kindes nicht zumuten könne. Da es für diese Unternehmung keiner hohen teuflischen Kunst bedurfte, wurden dazu die durchschnittlich begabten unter den Dämonen ausgesandt.  

Die nächste Aufgabe war fast ebenso leicht. Längst hatten Kundschafter gemeldet, dass ein seltsamer Trupp von Magiern einem Stern folgte, von dem sie glaubten, dass er sie zu dem neugeborenen Gottessohn führen werde. Sie mussten – Stern hin, Stern her – dazu gebracht werden, einfach nur der irdischen Logik zu folgen. Ein Königskind konnte doch nur in der Hauptstadt und in einem Palast geboren werden. Wenn sie zu König Herodes kamen, konnte man diesem unbesorgt alles Weitere überlassen. Ein Machtmensch wie er, der seine eigene Frau, drei seiner Söhne und unzählige andere hatte hinrichten, ertränken und erdrosseln lassen, da er um seinen Thron fürchtete, würde nicht zögern, die entsprechenden Maßnahmen gegen das armselige Kind im Futtertrog zu auszuführen. 

Freilich, wie gesagt, der Herr der Tiefe wusste im Grunde, dass er ohnmächtig war gegen die Pläne des Allerhöchsten – auch dieses Wort konnte er nicht denken, ohne vor Wut zu vergehen. Das Einzige, was ihm blieb, war, dem „Feind“ möglichst viele seiner Menschenkinder abspenstig zu machen. Dazu bedurfte es nun aber langfristiger Planungen. Das war die Stunde der Strategen unter seinen dämonischen Untertanen. Für jedes Jahrhundert war ein Plan zu entwerfen, durch den dem „Feind“ unzählige Menschenseelen verloren gehen sollten. Würde es gelingen? Allen um Luzifer herum war klar, dass der in Seine Menschenkinder vernarrte „Feind“ alles tun würde, um niemanden von ihnen verloren gehen zu lassen. Aber genauso wusste man, dass er eine Schwachstelle hatte. Er würde niemals jemanden zwingen, auf Ihn  zu hören und das Leben nach Ihm auszurichten. Die Freiheit seiner Geschöpfe – das war die Achillesverse des „Feindes“. Die galt es, rigoros, kalt und ohne jedes Mitleid auszunutzen.  

Für das 20./21. Jahrhundert dachten sich die bösen Geister um Luzifer eine besondere Bosheit aus. Die Menschen dieser Epoche würden sich für ganz besonders klug und aufgeklärt halten. Für sie erfand man den – Weihnachtsmann. Es würde eine Zeit sein, in der man schon Jahrzehnte zuvor Gott gegen Idole ausgetauscht haben würde: gegen die Idole der Ideologien von Rasse, Klasse und Nation: Marx, Stalin, Hitler, Mao, Pol Pot und wie sie alle heißen würden. Dieser Götter würde man nach so unendlich viel Blutvergießen im Namen dieser Idole überdrüssig werden. Also müssten für diese Epoche neue erfunden werden. Und da käme der Weihnachtsmann gerade recht, diese nach solchen Orgien von Gewalt trottelige Gestalt harmloser Blödigkeit. Er sollte sein, was man ihm auf den ersten Blick gar nicht anmerkte: gleichsam die weihnachtliche Inkarnation der Götzen Konsum, Materialismus, Markt und Rendite auf Teufel komm raus. Als solcher würde er seine Funktion schon erfüllen und vor allem – wie trefflich – den Blick ablenken vom wahren Geheimnis der Weihnacht. 

Als die Beratungen der finsteren Tiefe so weit gediehen waren, wurde die allgemeine Stille auf einmal unterbrochen durch ein Geräusch. Man sah nur noch den Zipfel des Gewandes eines himmlischen Engels. Also hatte auch Erzengel Michael einen seiner Spione ausgeschickt. Es war unter den Engeln der wildeste, anders als alle seiner Mitengel, mit einem schelmischen Gesicht, aber einem goldenen Herzen. Für solche Missionen, sich unauffällig unter seine gefallenen Artgenossen zu mischen, war er denkbar gut geeignet. Ganz aufgeregt überbrachte er dem obersten der himmlischen Heerscharen alles Gehörte, und Michael trug es natürlich der göttlichen Majestät vor.  

Gott hörte gut zu, lächelte ihn an und sandte ihn mit folgender Botschaft zu seinen himmlischen Freunden: „Was Luzifer plant und tut, dient der Erfüllung meiner Pläne. Mein Sohn wollte gar nicht geboren werden wie einer der Wohlhabenden und Privilegierten unter den Menschen. Ein Stall, eine Krippe, die Armut so vieler Seiner Freunde auf Erden – die will Er mit ihnen teilen. Die Flucht will Er teilen mit allen Flüchtenden dieser Erde, genauso die Schmach mit den Geschmähten, die Folter mit den Gefolterten, den gewaltsamen Tod mit den gewaltsam Getöteten. Und dann, gerade dann, wenn Luzifer, mein Geschöpf, das sich von mir abgekehrt hat, seinen größten Triumph über mich und die Menschen zu feiern meint, wird ihm die größte Niederlage zuteil. Der Tod Jesu, meines göttlichen Sohnes, wird die Welt erlösen. Wer sich zu Ihm bekehrt, wer sich und sein Leben Ihm glaubend, hoffend, vertrauend, liebend überantwortet, der wird befreit aus der Herrschaft von Gier, Macht, Egoismus, Sucht, aus der Macht des Bösen und des Todes. Freilich, keines meiner Geschöpfe zwinge ich. Nichts ist mir kostbarer als die Freiheit, die ich ihnen geschenkt habe und die ich nie zurücknehme. Viele werden sie zu viel Bösem missbrauchen. Aber es wird auch viele Gute, Glaubende, Hoffende, Liebende geben. Was sie tun, wiegt schwerer als das Böse. Das Gute wiegt immer schwerer als das Böse  und die Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit der Menschen. Das Gute wird viel Böses aufwiegen. Aber dazu wird mein Sohn Mensch. In der Ohnmacht eines Kindes will Er den Menschen sagen: Kommt aus Freiheit zu mir und lasst euch retten, heilen, befreien, erlösen als meine geliebten Kinder, für die ich auf die Erde gekommen bin.

 Pfr. Bodo Windolf

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