Das neue Kreuz von St. Severin

St. Severin Garching

 
Theologische Erklärung
von Pfarrer Bodo Windolf

Segnung durch
Erzbischof Reinhard Marx
am 18. Januar 2009

Erklärungstext

Das neue Kreuz von St. Severin

Menschen brauchen Orientierung, Menschen suchen nach Orientierung, Menschen suchen nach Ausdruck ihrer Orientierung. Die den Menschen am tiefsten prägende und beanspruchende Orientierung ist die religiöse. Sinnenfälligen Ausdruck findet diese nicht zuletzt in der Gebetsrichtung.

Christen beten schon seit frühester Zeit Richtung Osten, also der aufgehenden Sonne entgegen, die Christus, den aus der Dunkelheit des Todes Auferstehenden symbolisiert. Wer sein Leben an Ihm ausrichtet, lebt orientiert, also gleichsam „geostet“ (Osten, lateinisch = oriens, > Orientierung). Aus diesem Grund wurden und werden die Kirchen in der Regel nach Osten hin gebaut. Daraus ergab sich auch die Zelebrationsrichtung. Priester und Gemeinde beten gemeinsam Christus, dem Herrn der Kirche, entgegen. Beide bildeten keinen in sich geschlossenen Kreis, sondern waren geöffnet: zum einen auf den wiederkehrenden Christus hin, zum anderen zur Welt hin, zu der die Kirche gesandt ist.

Mit der neuen Zelebrationsrichtung zum Volk hin, die auch in St. Severin unterstrichen wird durch die kreisförmige Anordnung der Bänke um den Altar, ergibt sich nun das Bild eines in sich geschlossenen Kreises. Hier nun setzt das neue Bronze-Kreuz in St. Severin einen neuen Akzent. Die Platzierung – schwebend über dem Altar – bricht ganz bewusst diesen Kreis nach oben hin auf. Wer die Kirche betritt, dessen Blick wird unwiderstehlich nach oben gezogen auf Den hin, der die eigentliche Mitte der Gemeinde bildet, Christus. Der nach oben hin aufgebrochene Kreis schließt zugleich die ganze Welt mit ein, denn Christus ist ja für alle, für die Erlösung der ganzen Schöpfung gestorben.

Auch der Altar selbst wird durch das Kreuz noch einmal mehr betont und bildet zusammen mit diesem den zentralen Bezugspunkt für Priester und Gemeinde. Nicht aufeinander sollen sie schauen, sondern auf Christus als ihre gemeinsame Mitte hin. Zugleich drückt das Kreuz das zentrale Geschehen auf dem Altar im Bild aus, nämlich die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Jesu zusammen mit seiner Auferstehung. Damit sind wir nun bei der Gestaltung des Kruzifix` angelangt. Der Grundgedanke ist, Kreuz und Auferstehung, Karfreitag und Ostern ineins darzustellen. Daher wurde mit der Künstlerin vereinbart, Christus zwar als den Gekreuzigten zu gestalten, aber schon in der Bewegung der Auferstehung.

Ihr ist das in hervorragender Weise geglückt. Der ganze Körper hat sich vom Kreuz gelöst, nur noch der rechte Fuß ist mit ihm verbunden, die Arme, schon oberhalb des Querbalkens, streben nach oben, die ganze Gestalt streckt sich mit einer enormen Spannung dem Himmel entgegen. Auf diese Weise gewinnt sie eine große Leichtigkeit, sie stößt sich ab von der Erdenschwere des durchgestandenen Leids und des überwundenen Todes. Es zeigt die Richtung an, zu der hin wir alle unterwegs sind.

Dem Haupt Jesu fehlt die Dornenkrone. Stattdessen – eine Eigenart der Künstlerin – ist es umwunden mit einem Tuch. Dies kann uns durchaus an die Leinenbinden erinnern, in die der Leichnam Jesu eingehüllt wurde, so dass wir neben Karfreitag und Ostern auch noch den Tag der Grabesruhe Jesu, den Karsamstag, in diesem Kunstwerk dargestellt sehen.

Die Aussage des Corpus wird noch einmal verstärkt durch das durchsichtige Acrylkreuz. Es unterstreicht, dass Kreuz, Schuld, Leid und Tod in Christus schon erlöst und überwunden sind. In dieser Durchsichtigkeit auf Erlösung hin liegt ein großer Trost für uns alle und besonders für jene, die mit ihren Sorgen und Nöten in die Kirche kommen. Wer vor diesem Kruzifix betet, soll im Anblick des Gekreuzigt-Auferstandenen, im Anblick des lichterfüllten Kreuzes sehen, dass wir in jeder Lebenslage Hoffnung haben dürfen, weil Christus uns schon hier auf Erden mitnehmen möchte zu Seinem und unserem Vater, dem Licht, der Freude, dem Frieden, der Erlösung entgegen.

Wir alle dürfen uns freuen über ein Kruzifix, das zum Beten einlädt, das Hoffnung,
Trost und Zuversicht ausstrahlt und dem Kirchenraum noch mehr „Seele“ gibt.
 

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