Predigt vom 8. Februar 2009

St. Severin Garching

[Zurück zu Predigten/Sakramente] 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Zur Affäre um die Piusbruderschaft "
Predigttext

Zur Affäre um die Piusbruderschaft (5. Sonntag i.J. 2009)   8. Februar 2009

In der vergangenen Woche bin ich mehrmals von Zeitungen angerufen worden, u.a. zu der Frage, ob ich denn am Sonntag auch etwas zu der Affäre um die Piusbruderschaft sagen werde. Leichtsinnigerweise habe ich ja gesagt und mich so selbst in Zugzwang gebracht. So werde ich mich wohl oder übel zu einem Thema äußern müssen, für das es nicht leicht ist, die richtigen Worte zu finden. Wenn ich das nun versuche, kann es weder darum gehen, die entsetzlichen Pannen, die im Vatikan passiert sind, zu rechtfertigen oder auch nur schön zu reden; noch auch darum, in die allgemeine Häme fast aller Medien einzustimmen und noch weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Es versteht sich von selbst, dass ich jetzt nur meine Sicht der Dinge vortragen kann. 

Zunächst sei erwähnt, dass die Rehabilitation des Holocaustleugners Williamson ein desaströser und nicht verstehbar zu machender Fehler ist. Ich bin überzeugt, dass Papst Benedikt selbst von Williamsons Äußerungen nichts wusste. Ob sie Kardinal Hoyos bekannt waren, der damit federführend betraut war, ist wohl nicht mehr auszumachen. Falls er dieses Wissen unterschlagen hätte, etwa aus persönlichem Ehrgeiz, um die Einigung zwischen Piusbrüdern und katholischer Kirche noch vor seinem 80. Geburtstag, dem Tag seiner Abdankung, einzuleiten, wäre dies ein unerträglicher Skandal. Falls auch er nichts gewusst haben sollte, ist hier ein Dilettantismus am Werk, der genauso wenig zu entschuldigen ist. 

Nun zu der Aufhebung der Exkommunikation der 4 Bischöfe der Piusbruderschaft als solcher: wie ja bekannt ist, hat der Heilige Vater damit einer Bitte entsprochen, die der Obere der Gemeinschaft, Bernard Fellay, im Namen auch seiner drei Mitbischöfe in einem Brief an Kardinal Hoyos vom 15. Dez. 2008 gerichtet hatte. Dieser Brief war begleitet von der Versicherung, die Lehren der Kirche und den Primat des Papstes anzuerkennen. Von einer ausdrücklichen Anerkennung der Lehren des II. Vaticanums war aber auffälliger- und bezeichnenderweise nicht die Rede. 

Daher hat Papst Benedikt etwas getan, was in der Geschichte der Kirche meines Wissens etwas Erstmaliges ist und Anlass zur Verwunderung gibt. Soweit ich es sehe, ist nämlich noch nie eine Exkommunikation aufgehoben worden, obwohl noch Äußerungen im Raum stehen, die ausdrücklich die Leugnung von Lehren der Kirche und eines Konzils beinhalten. Auf eine solch großzügige Weise – das Dekret spricht von „väterlicher Barmherzigkeit“ – ist noch nie ein Papst Schismatikern entgegengekommen, und man fragt sich, was er damit intendiert.  

Ich persönlich habe dafür nur eine Antwort: Papst Benedikt ist beseelt davon, ein wahrer Pontifex, d.h. „Brückenbauer“ zu sein. Ausgestreckt hat er die Hand nicht nur zu den Traditionalisten hin. Eine seiner ersten Begegnungen als Papst galt Hans Küng, einem Theologen, dessen Kritik an Kirche, Papst und Ratzinger die Grenze zu Hass- und Hetztiraden nicht selten überschritten hat. Er hat mit ihm den Dialog und damit auch ein Stück Aussöhnung gesucht.

Er hat, um nur noch ein weiteres Beispiel zu nennen, den Bischöfen der offiziellen chinesischen Kirche die Hand gereicht mit dem Risiko, die chinesische Untergrundkirche vor den Kopf zu stoßen. Auch dies hat er getan, um zusammenzuführen, was zusammen gehört, im Dienst also an der Einheit der Kirche.

Nun hat er auch bei der Piusbruderschaft alle persönlichen Verletzungen hintangestellt – denn auch von ihnen wurde er hart angegriffen als Häretiker und Abtrünniger – und ist ihnen weit, weit entgegengekommen, um, so meine ich, nichts, aber auch wirklich nichts versäumt zu haben, was zur Wiederherstellung der Einheit auch mit dieser Gruppierung führen könnte.  

Immerhin erreicht er damit – und vielleicht ist das auch die dahinterstehende Strategie – dass nun die Piusbruderschaft im Zugzwang steht. Deren Bischöfe, die nun die Sakramente empfangen, aber nicht als Bischöfe wirken dürfen, haben sich der Jurisdiktion des Papstes unterstellt und müssen nun endlich Farbe bekennen: ob sie bereit sind, das II. Vatikanische Konzil anzuerkennen oder nicht. Ich persönlich hege große Zweifel, ob sie dazu bereit sein werden, da sie damit ganz wesentliche Punkte ihrer bisherigen Glaubensüberzeugungen aufgeben müssten: sie müssten die neue Liturgie anerkennen, ja sagen zur Religions- und Gewissensfreiheit sowie zu den Aussagen des Konzils zum Verhältnis der Kirche zu anderen Religionen und insbesondere zum Judentum. Der bei den Piusbrüdern immer noch vorherrschende unappetitliche Sumpf von Anti-Judaismus, dem Gottesmordvorwurf etc. darf in der Kirche unserer Zeit auch nicht mehr den Hauch einer Chance geschweige denn der Duldung haben. Die hochmütige Aussage eines führenden Mitglieds der Bruderschaft, Rom werde sich nun bald zu ihren Überzeugungen bekehren, ist kaum dazu angetan, die Hoffnung des Papstes auf Einheit zuversichtlich zu sehen. Jedenfalls bin ich ganz sicher, dass Papst Benedikt diesbezüglich keine Kompromisse eingehen wird, einfach weil er selber weiß, dass er ansonsten nicht nur seine persönlichen Ansichten, sondern auch die Lehre des Konzils und vor allem seine Aufgabe als Papst verraten würde. Daher hoffe und bete ich, dass die jetzige Entwicklung doch noch etwas Gutes bewirkt und zu einer baldigen Klärung führt. 

An dieser Stelle will ich einen Blick auf die allgemeinen Reaktionen werfen. Was unsere Bundeskanzlerin diesbezüglich geäußert hat, ist meiner Meinung nach völlig indiskutabel. Es war oberlehrerhaft, im Stil und in der Sache anmaßend und ließ daher jeden politischen Anstand vermissen. Wenn sich die Kirche einem Staatsoberhaupt gegenüber einen solchen Affront leisten würde, würde man sich dies, und zwar zu recht, entschieden verbitten. Dass nicht wenige Politiker und Journalisten diesem unsäglichen Einwurf der Kanzlerin ihren Beifall zollten, wirft ein bezeichnendes Licht auf die politische Kultur in unserem Land. Bei mehreren Besuchen in Auschwitz, in jüdischen Synagogen hat er durch Worte und Gesten zur Genüge gezeigt, dass er in Blick auf das jüdische Volk über jeden Zweifel erhaben ist und nicht den unerbetenen Nachhilfeunterricht einer deutschen Kanzlerin benötigt.  

Was große Teile der Medien und Presse betrifft, so gewinnt man den Eindruck, dass man nur darauf gewartet hat, einen Anlass zu finden, die Kirche und ihr Oberhaupt endlich wieder mit Kübeln von Häme, Feindseligkeit und Verdächtigungen übergießen zu können. Das Traurige dabei ist freilich, dass der Vatikan durch unprofessionelles Verhalten selbst den Anlass dazu geliefert hat. Die hier gemachten Fehler öffentlich zu machen und auch hart zu kritisieren, haben die Medien alles Recht der Welt. Aber die Weise, wie es zu großen Teilen geschah und geschieht, ist einfach abstoßend und teils reine Hetze.

Ich will nur auf zwei Anwürfe eingehen: Wer behauptet, der Papst wolle hinter das II. Vaticanum zurück und die Errungenschaften des Konzil rückgängig machen, begeht geistige Brandstiftung. Er, der ganz wesentlich am Konzil mitgewirkt hat, hat nie auch nur einen Satz der Kritik an dieser Kirchenversammlung geäußert. Was er kritisiert, sind nachfolgende innerkirchliche Fehlentwicklungen, die sich zwar meist auf irgendeinen Geist des Konzils, aber auf das Konzil selbst gerade nicht berufen können. Wir werden schon in wenigen Monaten sehen, dass alle diesbezüglichen Verdächtigungen und Befürchtungen in sich zusammenfallen werden. 

Was das Verhältnis zum jüdischen Volk betrifft: auf einmal besteht ein ganzes Volk nur noch aus Holocaustgegner. Wären wir Deutschen und allen voran die Medien es doch 70 Jahre früher gewesen. Wer heute mit der Mehrheit jault, mit welcher Mehrheit hätte er wohl damals geheult?

In Bezug auf den Widerstand gegen die braune Pest braucht sich die katholische Kirche hinter keiner anderen Institution der damaligen Zeit zu verstecken. Im Gegenteil: Pinchas Lapide, der jüdische Religionsphilosoph, hat gezeigt, dass von ca. 1 Millionen geretteter Juden 760-800.000 ihr Leben dem Einsatz von Katholiken verdanken: einfachen Gläubigen, Bischöfen, Priestern, Klöstern, nicht zuletzt auch dem vielgeschmähten Papst Pius XII., alles Menschen, die Juden unter Lebensgefahr versteckten oder außer Landes beförderten. Sicher hätte von seiten der Kirche bzw. der Katholiken noch viel mehr getan werden können oder auch sollen. Aber wir, die wir nicht wissen, was es heißt, brutalem Staatsterror ausgeliefert zu sein, sollten den Mund diesbezüglich wohl nicht zu voll nehmen.

Nebenbei sei erwähnt, dass auch die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, die sich meiner Meinung nach wieder einmal nicht sehr rühmlich in diesem Zusammenhang geäußert hat, verdankt ihr Leben einer katholischen Familie in Franken, bei der sie von einer Hausangestellten ihrer Eltern versteckt werden konnte, die sie als ihr uneheliches Kind ausgab. Und doch stellen die heutigen „Helden“ des nazistischen Widerstands – wie gesagt, nur einige Jahrzehnte zu spät – vor allem die katholische Kirche immer wieder an den Pranger. Wie viel wäre gewonnen, wenn man mit derselben Leidenschaft gegen heutiges Unrecht am Leben von Menschen mitten in unserem Land Widerstand leisten und protestieren würde? Wie sehr würden sich inzwischen schon Millionen von Ungeborenen darüber  freuen. 

Was ich hier ausgeführt habe, ist der Versuch, Fehler klar zu benennen, aber dabei fair und gerecht zu bleiben. Dies und das Gebet für unseren Papst und die Kirche insgesamt ist im Moment vielleicht die wirksamste Hilfe in einer schweren Situation.

 Pfr. Bodo Windolf

Seitenanfang
© copyright  2009  WebMaster: Herbert Bauernfeind   webmaster@bauernfeind-web.de