Predigt vom 9. April 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Die Fußwaschung"
Predigttext

Gründonnerstag 2009

Die Fußwaschung als veranschaulichter Sinn des Lebens und Sterbens Jesu

Verrat liegt in der Luft. Es ist kein entspanntes, familiäres, fröhliches Paschamahl, wie es unzählige jüdische Familien Jahr für Jahr feiern. Nein, Jesus weiß sicher vom Tötungsbeschluss gegen sich. Er weiß vermutlich auch, dass man die delikate Angelegenheit noch vor dem hohen Fest über die Bühne bringen möchte. Er weiß, dass einer seiner engsten Freunde ihm feind geworden ist. Er weiß um die Schwäche der anderen.

Ja, Verrat liegt in der Luft. Vorsätzlicher Verrat und Verrat aus persönlicher Schwäche. Beides wird es geben in jener Kirche, deren Urzelle um Ihn am Tisch versammelt ist.  

Bevor ich diese Gedanken fortsetze, möchte ich auf eine Frage kommen, die erst kürzlich einer unserer diesjährigen Firmlinge gestellt hat. In der letzten Firmstunde vor Ostern wird immer die ganze Passion gelesen. Bei dieser Gelegenheit sagte einer: Dass Jesus sterben sollte, lag ja offensichtlich in Gottes Plan. Die hl. Schrift spricht hier von Gottes Ratschluss. Wenn es sich aber so verhält und Judas nur etwas tut, was zur Erfüllung des Planes Gottes beiträgt, wieso kann man ihm dann einen Vorwurf machen?

Es ist eine sehr kluge Frage, die sich vielleicht auch schon der ein oder andere hier in der Kirche gestellt hat und mit der sich schon viele Gelehrte befasst haben. Es ist die Frage, wie Gottes Vorsehung und unsere menschliche Freiheit zusammengedacht werden können.

Ich will eine Antwort so kurz wie möglich versuchen. Zunächst einmal war ja der Verrat des Judas nicht notwendig, um Jesus gefangen zu nehmen. Die Gegner Jesu hätten dies auch auf anderem Wege bewerkstelligen können. Aber natürlich war der Verrat des Judas der bequemste Weg. Den jüdischen Autoritäten blieb erspart, einen der Ihren den Soldaten und Knechten mitgeben zu müssen, damit sie ja auch den Richtigen gefangen nähmen.

Des weiteren dürfen wir niemals formulieren: Gott hat zuerst den Kreuzestod Jesu beschlossen und daher das Verhalten der Menschen, etwa des Judas, des Hohenpriesters Kajaphas, des Pilatus und anderer so gefügt, dass es dann auch dazu kam. Ein solches Konstrukt des Erlösungsopfers Jesu wäre geradezu pervers. Nein, umgekehrt wird ein Schuh daraus: Weil die Menschen sich aus ihrer Freiheit heraus so verhalten, wie sie sich verhalten, nämlich oftmals abgrundtief böse, machtbesessen, voller Hass und Neid, und weil Gott die freien Entscheidungen der Menschen im Guten wie im Bösen seit Ewigkeit weiß – deswegen fasst er Pläne, die das von Menschen verursachte Unheil in Heil zu verwandeln vermögen; Pläne, die freilich ebenso seit Ewigkeit bestehen, wie Gottes zeitloses Vorherwissen ewig ist. 

Daher kann das NT immer wieder sagen, dass alles, was Jesus widerfuhr, sich „gemäß der Schrift“ ereignete, also gemäß den alttestamentlichen Weissagungen.

Weil daher auch Judas frei war in seiner Entscheidung, daher kann Jesus über ihn eines der schrecklichsten Worte sagen, die wir aus Seinem Mund kennen: „Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.“ (Mt 26,24)

Ohne Zweifel ist Judas bei weitem nicht der einzige, über den dies zu sagen wäre. Wie viele Menschen mag es geben, die so Böses und Verruchtes tun, dass auch über sie dieses schreckliche Wort gesprochen werden müsste. Sind sie ausgeschlossen von der Erlösung durch Christus? Dieser Frage möchte ich nun nachgehen. 

Als Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht, ist auch Judas noch dabei. In ihm, dem Verräter aus Vorsatz, sieht Jesus am unmittelbarsten, wie tief er sich beugen muss, in welche Abgründe Er hinabsteigen muss, um auch Menschen wie ihn noch aufnehmen zu können in Sein Erlösungswerk.

Den äußeren Hergang könnte man wohl so rekonstruieren: Das Obergemach, in dem das letzte Abendmahl stattfand, befand sich nach einer alten Überlieferung im essenischen Stadtviertel Jerusalems, und so ist es denkbar, dass Jesus dem auf rituelle Reinheit bedachten Hausherrn hatte versprechen müssen, die entsprechenden Waschungsvorschriften zu beachten. Dies zumal Jesus mit den Zwölf von Betanien kam. Dabei mussten sie nämlich das (wegen der Toten, die hierher hinausgetragen wurden) als unrein geltende Gehinnomtal durchqueren. Die Aufgabe, an den Mahlteilnehmern die Waschung der staubigen Füße vorzunehmen, einem der Jünger zu übertragen, wäre, egal für wen von ihnen, erniedrigend und zutiefst kränkend gewesen. Daher übernahm diesen Sklavendienst Jesus selbst. 

In dem nun, was Er hier tut, macht er anschaulich, was der Sinn Seines ganzen Lebens ist, und was der Sinn Seines baldigen Leidens und Sterbens sein wird. Wenn Johannes berichtet, dass Jesus sein Gewand ablegt und sich mit einem Leinentuch umgürtet, dann bedeutet das in der Symbolsprache des Evangelisten: Er, der der Herr ist, der Herr aller Herren, legt die Gewänder Seiner göttlichen Herrlichkeit ab und macht sich zum Sklaven für die Seinen. Diese Entblößung erinnert an die Nacktheit des Paradieses. Solange Adam und Eva im Stande absoluter Unschuld waren, brauchten sie sich nicht voreinander zu verbergen und zu schützen. Dies ändert sich in dem Augenblick, da sie Gottes Gebot übertreten haben und dadurch der Schöpfung eine aus menschlicher Kraft unheilbare Wunde zugefügt haben. Die Feigenblätter, mit denen sie ihre Blöße bedecken, sind in der Symbolsprache des Schöpfungsberichts nichts anderes als ein Schutz gegen die Verletzbarkeit durch die Bosheit des anderen. 

Am Kreuz wird sich Jesus in einer restlosen Schutzlosigkeit der Macht des Bösen ausliefern. Im Abendmahlssaal, in der Fußwaschung, nimmt Er damit vorweg, was Er in Wahrheit erst am Kreuz für alle tun wird: denn hier, am Kreuz, geschieht jene Waschung, die uns vom eigentlichen Schmutz unseres Daseins befreit – die Reinigung vom Schmutz der Sünde.

So wie die rituellen Waschungen den Menschen tischfähig machen sollten, sowohl für das ganz normale profane Mahl wie auch für das religiöse Sabbat- oder Paschamahl, so geht vom Kreuzestod Jesu jene eigentliche Reinigung aus, die uns von unserer Schuld befreit und daher vor Gott tischfähig macht, eucharistiefähig, gemeinschaftsfähig mit Gott und den Mitmenschen. 

Jedweden Verrat, den vorsätzlichen eines Judas, den aus menschlicher Schwäche eines Petrus, hat Jesus am Kreuz für uns alle getragen, gesühnt und vergebungsfähig gemacht mit seinem Wort: „Vater, vergib ihnen …“

Die Fußwaschung nimmt symbolisch vorweg, was am Karfreitag geschieht. Beichte und Eucharistie sind die beiden Sakramente, die Johannes durch seine Darstellung des Geschehens im Abendmahlssaal untrennbar miteinander verknüpft. „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir“, sagt Jesus zu Petrus.  

Wenn wir uns nun in Anlehnung an die Fußwaschung im Abendmahlssaal die Hände waschen und abtrocknen lassen, dann soll diese äußere Waschung ein Symbol sein für die Bereitschaft, sich von Christus auch innerlich rein waschen zu lassen. Indem wir Ihm unsere Schuld hinhalten, damit Er sie vergebe, werden wir tischfähig und eucharistiefähig.

 Pfr. Bodo Windolf

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