Predigt vom 11. April 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Exodus – Auferstehung –Taufe"
Predigttext

Osternacht 2009

Exodus – Auferstehung –Taufe: Die Todesmächte der Erde werden überwunden

Es ist immer ein langer Anlauf bis hin zum Osterevangelium. Eigentlich sieht die Liturgie sogar sieben alttestamentliche Lesungen vor. Wir haben nur vier gehört. Aber es ist nicht nur ein langer Anlauf, sondern mitten darin, zumindest für unsere modernen Ohren, ein schriller Missklang. Ausgerechnet die anstößigste der Lesungen darf in keiner Osternacht fehlen: die Errettung Israels aus der ägyptischen Knechtschaft – aber um welchen Preis! Angst, Panik, Entsetzen, Tod für unzählige unschuldige Soldaten, die nur den Befehlen des tyrannischen Pharao gehorchen. Und angesichts der toten Leiber von Mensch und Tier hören wir Mose sein Siegeslied anstimmen zur Verherrlichung eines Gottes, der Tod und Verderben über die Feinde Israels bringt. Haben wir es hier nicht mal wieder, den vielbeschworenen „Clash of Civilisations“, den „Kampf der Kulturen“, blutigen, todbringenden Kampf im Namen Gottes; eines Gottes, der die „einen dran glauben lässt“, damit die anderen „an ihn glauben“?  

Diese Erzählung so zu deuten, hieße, ihren eigentlichen Sinn vollkommen verfehlen. Aber bevor ich versuche, sie in ihrem gemeinten Gehalt zu erschließen, will ich einen kleinen Ausflug in die jüdische Auslegungstradition machen, die ein ganz ähnliches Missbehagen empfunden hat. So lautet ein Kommentar aus dem sog. „Babylonischen Talmud“ zur Exodusgeschichte folgendermaßen: „Gott hat nicht Gefallen am Tod der Sünder. Als sie die Vernichtung der Ägypter sahen, wollten die Engel einen Gesang anstimmen, aber Gott gebot ihnen Schweigen und sprach: ‚Das Werk meiner Hände ertrinkt im Meer, und ihr wollt singen!’“ Diese jüdische Deutung hat ein Gespür dafür, dass auch die Ägypter nicht aus Gottes Mitleid herausfallen. Ihr zeitlicher Tod bedeutet ja noch lange nicht ewiger Tod

Was ist nun aber in der christlichen Auslegungstradition der Sinn der Exodusgeschichte, die ohne Zweifel einen historischen Kern hat, der aber kaum mehr zu rekonstruieren ist und um den es auch nicht wirklich geht? Warum sieht die Kirche sie für das rechte Verständnis des Osterereignisses, also der Auferstehung Jesu, als unverzichtbar an?

Wie alle Teile der Osterliturgie erzählt auch diese dramatische Episode der Volkwerdung Israels den immer wieder neuen Kampf zwischen Leben und Tod, Heil und Unheil. Sie ist gestaltet gleichsam als ein Götterkampf. Der Pharao und seine Streitmacht repräsentieren die Todesmacht, die Unterdrückung, Ausbeutung, Versklavung des Menschen verübt; Jahwe steht für die Lebensmacht, denn Er schenkt Rettung vor dem nach menschlichen Maßstäben sicheren Tod.  

„Tod und Leben kämpften unbegreiflichen Zweikampf“, heißt es in einem der ältesten Osterhymnen. Genau darum geht es. So wie Gott – wir haben es in der Schöpfungsgeschichte gehört – das Urchaos, das Tohuwabohu, also alles Ungeordnete und Böse, das die Güte und Schönheit der Schöpfung bedroht, bändigt und überwindet, so geht hier die Todesmacht Ägypten im Chaoswasser des Meeres unter. Die Macht des verstockten Tyrannen, der in seinem Hochmut so selbstgewiss war und dank seines Unterdrückungsapparats so lange die Oberhand behielt, so lange der Sieger schien, dem nichts und niemand etwas anhaben kann, wird am Ende gebrochen. An ihm geschieht Gericht. Im Bild dieses zeitlichen Gerichts wird das ewige und letzte Gericht über alles Chaotische und Böse der Erde und alle Menschen, die ihm verfallen sind, vor Augen geführt. 

Das ist das eine. Aber noch wichtiger ist das andere: Hier vollzieht sich Rettung; die Errettung der Glaubenden aus der unentrinnbar scheinenden Macht des Todes. Wo schon alles verloren scheint, werden durch Gottes lebenspendende Macht die Mächte des Unheils überwunden.

In diesem Sinn sind wir hier also schon ganz nah beim Ostergeschehen. Was im Rettung schenkenden Durchzug durch die todbringenden Fluten  des Roten Meeres Gott an einem kleinen Volk getan hat, das wirkt Gott in Jesus Christus für alle Menschen, genauer: für die, die sich Ihm glaubend anvertrauen.  

Der Ort, an dem dies hier und jetzt an uns geschieht, ist die Taufe, wiederum genauer: die gelebte Taufe. Wo ein Mensch aus der Taufe lebt, hat er „Ägypten“ hinter sich gelassen, ist er mit Christus dem Bösen gestorben, hat er den alten Menschen der Sünde begraben und ist mit Christus schon auferstanden zu einem neuen Menschen – so deutet Paulus in der vorhin gehörten Lesung aus dem Römerbrief das Taufgeschehen. Im Segensgebet bei der Weihe des Taufwassers werden wir es nachher so vernehmen: „Als die Kinder Abrahams aus Pharaos Knechtschaft befreit, trockenen Fußes das Rote Meer durchschritten, da waren sie ein Bild deiner Gläubigen, die durch das Wasser der Taufe aus der Knechtschaft des Bösen befreit sind.“ Taufe ist demnach Durchzug durch das Meer, Befreiung aus dem „Ägypten“ der Vielgötterei, des Misstrauens, der Herzenshärte, der Gewalt, kurz: der Sünde.

Taufe ist daher Auferstehung mit Christus zu einem österlichen Menschen, der die Liebe und das Leben Christi in sich trägt.

Alle, die wir hier versammelt sind und Ostern feiern, sind getauft. Können wir über uns selbst, kann ich über mich sagen: Ich habe Ägypten hinter mir gelassen und in mir lebt die auferstandene Liebe Jesu, meines Erlösers? Kann ich zumindest sagen: Durch mein Beten, durch mein sonntägliches Mitfeiern der Eucharistie, durch die Liebe, die ich meinen Mitmenschen erweise, durch die Versöhnungsbereitschaft, die ich lebe, durch die Ausrichtung meines Lebens auf Gott hin versuche ich, Christi Liebe in mir leben zu lassen? 

Viele Getaufte befinden sich, bildlich gesprochen, noch tief „in Ägypten“; andere taumeln hin her zwischen einem Leben „in Ägypten“ und einem Leben in Christus; andere aber sind wirklich auf dem Weg, so wie Israel damals; auf dem Weg ins Gelobte Land, auf dem Weg in jene Freiheit, die allein Gott zu schenken vermag: der gelebte Glaube an Ihn, die vertrauende Hoffnung auf Ihn, die sich hingebende Liebe zu Ihm.  

Keiner von uns ist schon am Ziel. Aber das Wichtigste als Getaufter ist, auf dem Weg zu sein; das Schändlichste als Getaufter ist die Gleichgültigkeit, eine oberflächliche Wurschtigkeit, die Abkehr, der Verrat. Wie viele Getaufte leben so, auch hier unter uns in unserer Stadt. 

Wir sind in dieser österlichen Feier eingeladen, unser Taufversprechen zu erneuern. Es sollte nachher wirklich nur der das Ich widersage und das Ich glaube mitsprechen, der es auch so meint; der den Weg aus der Taufgnade bewusst fortsetzen oder – ihn wieder neu anfangen möchte. Wer es einfach so dahin sagt, betrügt Gott und sich selbst. Wer es aus ganzem Herzen sagt, ist schon mit Christus auferstanden, mitten in diesem irdischen Leben; ist schon ein neuer, besser: ein neu-werdender Mensch, dem Tod und Gericht am Ende nichts mehr anhaben können; ist neue Schöpfung, die die Liebe Christi in sich trägt und sie weiterschenkt und so Auferstehung mitten unter uns erfahrbar werden lässt. Dass wir alle als solche neuen Menschen leben, gestärkt, getröstet und getragen durch den Glauben an Jesus, den Auferstandenen, ist mein Osterwunsch für uns alle. 

 Pfr. Bodo Windolf

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