Predigt vom 13. April 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Eucharistie als Brotbrechen"
Predigttext

Ostermontag 2009

Eucharistie als Brotbrechen – Wegweiser zur Überwindung von Kollektivismus und Individualismus

Wenn man in diesen Tagen nach einem Wort des Monats oder einem Wort des Jahres suchen würde, fiele einem im Moment wohl am ehesten das Wort „Krise“ ein. Kein Tag, an dem nicht wort- und gedankenreich über die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Kapital- und Bankenkrise sinniert wird. Es scheint, als sei 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des sozialistisch-kollektivistischen Systems des Ostblocks das kapitalistisch-individualistische Alternativsystem des Westens ebenfalls an seine Grenze gestoßen. All diese Ismen – Kommunismus, Kapitalismus, Kollektivismus, Individualismus –  sind, so will mir scheinen, letztlich Zwillingsschwestern, Varianten ein und derselben materialistischen Illusion; eine Illusion, die zu einer platten Diesseitsreligion geronnen ist, die in Wohlstand, Genuss und trivialer Unterhaltung das schlechthinnige Glück für eine Art irdische Ewigkeit sucht. Denn nach wie vor wird von vielen das Thema Tod als das Ende allen irdischen Glücks systematisch ausgeblendet. 

Die selbstzerstörerischen Kräfte eines solchen nackten Materialismus können wir in diesen Wochen und Monaten sehr gut beobachten. Die Exzesse beim Erjagen kurzfristiger Rendite auf Kosten langfristigen Wirtschaftens, die Exzesse unverantwortlicher Geldgier haben nicht nur monetäre Werte in gigantischem Ausmaß zerstört. Um die Krise zu meistern, werden wiederum in gigantischem Ausmaß Staatsschulden aufgehäuft zulasten der nachfolgenden Generation. Mit Kohelet könnte man sagen: „Nichts Neues unter der Sonne": sich selbst sanieren auf Kosten anderer. 

Warum dieser kurze Ausflug in die Tagespolitik? Mir scheint, dass wir durch das Drehen von ein paar Stellschrauben in Politik und Wirtschaft die Krise nicht bewältigen werden; denn die Wurzeln der Krise liegen tiefer, und zwar in einem grundlegend falschen Menschenbild. Der sozialistische Kollektivismus setzte einseitig auf das Kollektiv, hinter dem der Einzelne als eine letztlich belanglose Nummer im System unterging. Der kapitalistische Individualismus setzt einseitig auf den Einzelnen und verliert das Allgemeinwohl aus dem Blick, nach dem bekannten Motto: „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist auch an alle gedacht.“ Beide Ismen führen, wie schon gesagt, auf Dauer in die Selbstzerstörung. 

Was ist die Alternative? Mit dieser Frage will ich auf das heutige Evangelium kommen. „Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen“, so haben wir vorhin gehört.

Brotbrechen – dies ist eine der ganz frühen Bezeichnungen für die Eucharistie. Welchen Aspekt beleuchtet die Benennung der Eucharistie als Brotbrechen?

Eucharistie ist zunächst einmal persönlichste Begegnung des einzelnen mit Gott, mit Jesus Christus. Ich bin gemeint mit einer Liebe, die mich niemals im Kollektiv, in der Masse der anderen untergehen lässt.

Zugleich aber bin niemals nur ich es, dem Christus begegnen möchte. Zur selben Zeit will Er diese Begegnung den Brüdern und Schwestern um mich herum schenken. Dies geschieht, indem Er sich in dem einen Brot durch Brechung des Brotes zugleich an die Vielen verteilt.  

Die Bezeichnung Brotbrechen drückt daher eine verpflichtende Solidarität aus, die in der Eucharistie selbst liegt. Im selben Augenblick, da Christus mir persönlich begegnen will, verweist Er mich auf meine Brüder und Schwestern neben mir.  

Das bedeutet: Eucharistie zu feiern, ohne mein Brot mit den Bedürftigen dieser Erde zu teilen, Eucharistie zu feiern ohne meine Verantwortung für das Allgemeinwohl wahrzunehmen, wäre eine Perversion dieses Sakramentes. Und diese Solidarität, die nicht ein bisschen von meinem materiellen Überfluss meint, sondern in mir zu einer Grund- und Lebenshaltung werden soll, verweist auf jenes Menschenbild, in dem unsere westliche Kultur lange verwurzelt war und das wir zu verscherbeln im Begriff sind. Diese Wurzel ist Jesus Christus selbst. Eine Weise der Einübung in Sein Bild vom Menschen ist die Feier der Eucharistie. Hier ist eine Ressource, die viele Menschen leider verloren haben. Aber ohne solche Quellen, die uns immer wieder auf das Eigentliche unseres Daseins verweisen, drohen wir in den Banalitäten unserer Zeit unterzugehen. Eucharistie, Brotbrechen feiern heißt, den Einzelnen als Person und zugleich das Allgemeinwohl in den Blick zu nehmen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Dies ist bei weitem nicht der unbedeutendste Aspekt dieser Feier und dieses Sakramentes.

 Pfr. Bodo Windolf

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