Predigt vom 31. Mai 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Komm, Schöpfer Geist"
Predigttext

Pfingsten

„Komm, Schöpfer Geist“– Christlicher Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie 

Einer der ältesten und bekanntesten Heilig-Geist-Hymnen ruft den Heiligen Geist an als „Schöpfergeist“. „Veni, Creator Spiritus“, „Komm, Schöpfer Geist“ – so singen wir auch an jedem Pfingstfest. „Schöpfergeist“ – diese Bezeichnung legt nahe, dass der Heilige Geist eine ganz besondere und Ihn auszeichnende Beziehung zur Schöpfung hat. Und darüber möchte ich ein wenig nachdenken. Nicht zuletzt auch anlässlich des diesjährigen 200. Geburtstages von Charles Darwin. Im Hintergrund steht damit die Frage nach der Vereinbarkeit von christlichem Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlicher Evolutionstheorie. Die Eigenart des Wirkens des Heiligen Geistes, so will mir scheinen, kann hier eine gute Brücke bauen.

Beginnen möchte ich mit der Frage: Was meinen wir Christen eigentlich, wenn wir uns zu Gott als dem „Schöpfer des Himmels und der Erde“ bekennen? Ich will versuchen, es in gebotener Kürze zu formulieren. 

Zunächst drücken wir damit aus: die Welt, die Natur, der Kosmos sind nicht selbst Gott oder göttlich, wie es die Esoterik, die fernöstlichen Religionen Hinduismus und Buddhismus, oder philosophisch ausgedrückt, der Pantheismus behaupten. Nein, die Welt ist restlos nicht-göttlich, reines Geschöpf. Sie verursacht sich auch nicht selbst, was ein von manchen Naturwissenschaftlern vertretener völlig absurder Gedanke ist. Vielmehr verdankt sie sich restlos jemand anderem, nämlich Gott. Gott, der Schöpfer, steht daher unendlich über der Welt und ist niemals ein Teil von ihr, wie dies in den meisten Religionen der Menschheit angenommen wird, in denen etwa Gestirne, Naturkräfte etc. als Götter verehrt wurden. Dass Gott kein Teil der Welt ist, ist erstmals in der Menschheitsgeschichte von Juden geglaubt und im Alten Testament niedergeschrieben worden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass erst dieser jüdisch-christliche Glaube Naturwissenschaft ermöglicht hat. Eine göttliche Welt, göttliche Naturkräfte erforscht man nicht, sondern man verehrt sie. Erst die Überzeugung von der radikalen Nicht-Göttlichkeit von Welt und Kosmos hat den Weg frei gemacht zu deren naturwissenschaftlicher Erforschung.  

Was ich bis hierher gesagt habe, dass Gott jenseits und über der Welt ist, ihr gegenüber, ist uns geläufig und entspricht unseren landläufigen Vorstellungen.

Aber ist das schon alles? Nein, denn genau so wie Gott über der Welt ist, muss Er auch in ihr sein. Augustinus formuliert es so: Gott ist mir innerlicher als ich mir selbst bin. Und was für mich gilt, gilt ebenso für alle anderen Wesen und Dinge der Schöpfung. Gott ist ihnen innerlicher und näher als sie sich selbst sind. Wir können hier von einer Einwohnung Gottes in seiner Schöpfung sprechen. Dieses In-Sein Gottes in der Welt, diese seine Transzendenz ergänzende Immanenz drückt die hl. Schrift etwa an folgenden Stellen aus: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“, so Paulus in seiner Rede auf dem Areopag in Athen (Apg 17,28). „In ihm (nämlich Christus) ist alles geschaffen“, so derselbe Paulus im Brief an die Kolosser (Kol 1,16). Bei Jesus Sirach im AT heißt es im überschwänglichen Schluss eines Lobliedes auf die Herrlichkeit Gottes in der Natur: „Sagten wir noch einmal so viel, wir kämen auf kein Ende; darum sei der Rede Schluss: Er (Gott) ist alles“ (Sir 43,27). Dieser Satz: Gott ist alles, ohne dass die Schöpfung Gott ist, bedeutet: die Welt existiert nicht neben und außerhalb von Gott, sondern in Ihm. In sich selbst gewährt Gott allem Seienden Raum, Dasein, Existenz. 

An dieser Stelle trifft die traditionelle Theologie einige Unterscheidungen. Mit Gott, dem Vater verbindet sie mehr das Gegenüber Gottes zu Seiner Schöpfung und dem Menschen darin. Mit Gott, dem Sohn, der Mensch wurde in Jesus Christus, verbindet sie mehr das Mitsein Gottes mit und unter Seinen Geschöpfen. Mit Gott, dem Heiligen Geist, verbindet sie besonders das Insein Gottes in Seiner Schöpfung. Die Einwohnung Gottes in Seiner Schöpfung wurde also in besonderer Weise dem Heiligen Geist zugesprochen.

Dieser Aspekt ist nun von besonderer Wichtigkeit im Gespräch zwischen Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft. Warum?  

Der Kritik, die manche Naturwissenschaftler und zeitgenössische Atheisten am christlichen Schöpfungsglauben üben, rührt in der Regel von einem ziemlich naiven und unreflektierten Gottesbild her. Man stellt sich Gott und Welt so vor: Hier die Welt, die Natur, der Kosmos mit seinen Naturgesetzen, dort Gott, der Schöpfer, beide fein säuberlich voneinander abgegrenzt. Und man meint, Schöpfung besage nun, von diesem Außerhalb her würde Gott immer wieder in die Schöpfung hineinlangen – um es in einem Bild auszudrücken: wie ein Krake in eine oben offene Käseglocke – und so die Dinge erschaffen und lenken.

Aber das ist mitnichten christlicher Schöpfungsglaube. So großartig es ist, was Naturwissenschaftler auf ihrem Gebiet leisten, leider fehlt es vielfach an einer entsprechenden theologischen oder zumindest philosophischen Bildung, wie dies zuletzt deutlich geworden ist beim Engländer Richard Dawkins, der in seinem törichten Buch „Gotteswahn“ im Namen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse auf denkerisch äußerst bescheidenem Niveau gegen den Glauben an Gott polemisiert. 

Wo wir mit dem in sich notwendigen Gedanken ernst machen, dass Gott der ganzen Schöpfung einwohnt, dass also in allem, was ist, der Geist Gottes, der Schöpfergeist, gegenwärtig ist, da müssen wir nicht mehr davon ausgehen, dass Gott beständig von außen in die Schöpfung eingreift. Nein, es wird deutlich, dass in allem, was geschieht an Naturprozessen, an Wandlungsprozessen aufgrund von zufälligen Mutationen und Zuchtwahl – dass in all dem der Schöpfergeist zugegen ist und mit Hilfe der Naturgesetzlichkeiten die unendliche Vielfalt und Schönheit der Geschöpfe schafft; dass Er selbst die Weisheit und der Sinn in all dem ist, was die Natur kraft ihrer Eigengesetzlichkeit im Verlauf von Jahrmillionen und –milliarden hervorgebracht hat. Er ist es, der von innen her bewirkt, dass die natürlichen Prozesse nicht zu Chaos und Durcheinander führen, sondern sich zu immer komplexeren Strukturen entfalten und über die erste Entstehung von Leben und immer mehr Vielfalt des Lebendigen schließlich zum Menschen als Abbild Gottes führen. Ps 104 drückt besonders schön diese schöpferische Einwohnung des Geistes Gottes in der Schöpfung aus: „Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde.“ 

Diese Einwohnung des Schöpfergeistes in der ganzen Schöpfung hat noch eine weitere Konsequenz. Es bedeutet, dass sein Aktionsradius, sein Wirken sich nicht auf die Kirche oder die Christenheit beschränkt; vielmehr wirkt Er unbegrenzt und überall, wo Schöpfung ist. Er handelt in der Bibel und außerhalb der Bibel, innerhalb und außerhalb der Christenheit. Er handelt überall da, wo es Geschöpfe Gottes gibt. Wo es Wahrheit gibt in anderen Religionen, echte und tiefe Gottesverehrung, wo Menschen einander Liebe, Güte und Barmherzigkeit erweisen, da ist Er selbst am Werk. Natürlich vermischt sich in anderen Religionen aufgrund der menschlichen Schwäche und Irrtumsanfälligkeit das Wahre mit dem Falschen, das Gute mit dem Bösen, Göttliches oft auch mit Ungöttlichem oder gar Dämonischem. Aber was immer gut, gerecht und wahr ist, verdankt sich auch hier dem Wirken des Schöpfergeistes.

Dem widerspricht in keiner Weise die christliche Überzeugung, dass in unserem Glauben die menschliche Suche nach Gott an ihr Ziel gelangt ist. Nicht aufgrund unserer eigenen Intelligenz, sondern weil Gott sich endgültig und einzigartig in Jesus Christus gezeigt und offenbart hat. Aber weil Er nicht nur Erlöser, sondern eben auch Schöpfer ist, waltet Seine Gnade, freilich auf unterschiedliche Weise, in der ganzen Schöpfung. 

Zum Schluss sei erwähnt, dass es natürlich nicht die Aufgabe der Naturwissenschaft als Naturwissenschaft ist, den Heiligen Geist als einen Teil ihrer Theorien und ihrer Suche nach den Ursachen und Zusammenhängen im Werden der Natur zu bemühen. Solche methodisch unsauberen Vermischungen haben besonders in Amerika den christlichen Schöpfungsglauben vollkommen unnötig in Misskredit gebracht. Methodisch muss hier sauber getrennt werden. Aber wenn ein Naturwissenschaftler metaphysische Aussagen über das Woher und den Urgrund der Schöpfung macht, dann sollte er ein Mindestmaß an Kenntnissen über das haben, was Philosophie und Theologie hier zu sagen haben. Leider fehlt es oft an der entsprechenden Bildung und führt so zu einer genau so törichten Entgegensetzung von Glaube und Naturwissenschaft, von Gottesglauben und Evolutionstheorie. Es wäre so wünschenswert, dass beide Seiten wieder besser ins Gespräch miteinander kämen, was ohne Zweifel auch beide nur gegenseitig befruchten könnte.

Dies möge uns der Heilige Geist selbst gewähren, dessen Gaben ich Ihnen und uns allen zum diesjährigen Pfingstfest wünsche.

 Pfr. Bodo Windolf

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