Predigt vom 11. Juni 2009

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Glück – Tod – Eucharistie"
Predigttext

Fronleichnam 2009

Glück – Tod – Eucharistie

Was Glück ist. Eine Kulturgeschichte des schönsten Gefühls der Welt – so lautete der Text auf dem Titelbild der vorletzten Spiegel-Ausgabe. Zweierlei fiel mir auf. Zunächst: das Thema wurde nicht als Frage formuliert: Was ist Glück?, – denn was Glück wirklich ist, ist wohl viel unklarer, als man gemeinhin annimmt – sondern viel anspruchsvoller und unbescheidener: Was Glück ist. Die Formulierung legt nahe, man müsse nur im Innern der Ausgabe nachlesen, um eine Antwort zu erhalten. Diese Antwort findet sich in Gestalt eines sehr langen, sehr ausführlichen Aufsatzes, in dem viel Gutes und Richtiges steht, und doch ist bezeichnend – und das ist das Zweite, das mir auffiel – dass einer der größten und wesentlichsten Bereiche unseres Lebens, der mit diesem Thema zu tun hat, komplett ignoriert und ausgeklammert wird: nämlich die Religion, der Glaube an Gott. Eine Kulturgeschichte über das Streben des Menschen nach Glück zu verfassen, ohne eine der wichtigsten Quellen dafür zu erwähnen, gleicht jemandem – erlauben Sie mir den scherzhaften Vergleich – der über die Geschichte des deutschen Fußballs schreibt, ohne den 1. FC Bayern zu erwähnen. Es wird hier einmal mehr ein gottloser, ein „säkularer Fundamentalismus“ deutlich – so eine Formulierung des angelsächsischen Liberalen und bekennenden Agnostiker Timothy Garton Ash – der, wenn die Anzeichen nicht trügen, schon längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Während nämlich noch Sigmund Freud Religion überhaupt als ein Krankheitssymptom ansah, wissen gute Psychologen inzwischen, dass echte und gesunde Religiosität, Gebet, Vertrauen auf Gott etc. zu den wichtigsten Ressourcen für dauerhaftes Glück gehören; bei der Bewältigung seelischer Krisen aber zu jenen Heilkräften, die einen Menschen erst wieder glücksfähig machen. 

Trotz dieser Kritik möchte ich eine Passage aus dem Spiegelaufsatz erwähnen, die dann doch Tiefgründigeres zum Thema sagt: dass nämlich nur die Fähigkeit, Trauer und Tod ins Leben zu integrieren, zu tieferem Glück fähig macht. Erzählt wird das Beispiel einer Kölner Journalistin, die das Sterben ihres krebskranken Vaters im Kreis seiner Familie beschreibt. Die Hand des Vaters haltend, warten alle voller Angst und Verzweiflung auf den Augenblick des Todes: „Plötzlich der schrille Piepton aus dem Gerät, das den Herzschlag registriert: die Totenglocke der modernen Intensivstation.“ Der Schmerz treibt sie, die Journalistin, hinaus ins Freie und lässt sie eintauchen in Erinnerungen an ihren Vater. Und dann diese Erfahrung: „Während ich so in der Sonne saß, allein mit meinen Erinnerungen, durchströmte mich plötzlich eine Welle tiefer Freude und tiefer Dankbarkeit, ein Gefühl, das ich so zum ersten Mal in meinem Leben empfand. Ich fühlte mich irgendwie eins mit der Welt und mir selber und dachte, dies Gefühl sei dem Sinn des Lebens sehr nah.“  

Ich möchte diese Erfahrung einmal so deuten: Der Tod ist so etwas wie ein Scharnier zwischen Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit, Gott und Welt. Der Tod besonders uns nahestehender Menschen lässt uns erahnen und erhoffen, dass es noch eine größere Wirklichkeit gibt als unser vom Tod gezeichnetes irdisches Dasein. Im Tod berühren wir eine andere Welt, die Welt Gottes. Wir berühren Den, der der Sinn des Lebens selbst ist. Und als eine solche Transzendenzerfahrung dürfen wir wohl deuten, was die junge Kölnerin hier beschrieben hat. 

Was hat all dies mit dem heutigen Fronleichnamstag zu tun? Werfen wir einen Blick auf die Lesungen. Gott schließt mit einem kleinen Volk dieser Erde, dem jüdischen, einen Bund – das ist der Inhalt der alttestamentlichen Lesung aus dem Buch Exodus. Gott und Mensch sollen hier einander Freund werden; der Mensch in Gott den Garanten seines Glücks, den Garanten für das Gelingen seines Lebens erkennen.

Die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief verweist darauf, wie der Mensch den vielfach gebrochenen Bund wieder ins Lot zu bringen sucht, nämlich durch die gleichsam unendlich wiederholte Darbringung von Brand- und Schlachtopfern, so als könnten die Ströme vergossenen Tierblutes menschliche Schuld wieder gut machen.

Dieses letztlich vergebliche Tun (auch vieler anderer Religionen der Menschheit) geschieht so lange, bis ein anderer in die Bresche springt: Gott selbst, der in Jesus Christus den Freundschaftsbund erneuert, nicht mit dem fremden Blut von Böcken und Stieren, sondern mit Seinem eigenen Blut, nämlich durch die Hingabe Seines Lebens am Kreuz. Nie hat jemand radikaler nicht das eigene Glück, sondern das der anderen gesucht, und dies durch die Hingabe seiner selbst bis in den Tod besiegelt. 

Am Abend vor Seinem gewaltsamen Sterben schenkt Er nun den Seinen jenes Sakrament, das wir heute feiern. Er schenkt es mit den Worten: „Das ist mein Leib – hingegeben für euch. Das ist mein Blut – vergossen für euch zur Vergebung der Sünden.“

Es ist das Brot des Todes, das uns gereicht wird als Brot des Lebens; es ist der Kelch des Unheils, der uns gereicht wird als Kelch des Heils. Nie zuvor haben sich Tod und Leben, Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit, Heil und Unheil, Glück und Unglück so berührt wie im Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu. Ja, hier ist all das eins geworden in Seiner Person: der Tod, das Unheil, das Unglück sind zur Brücke geworden zu Leben, Heil und Glück. Christus selbst ist diese Brücke. Und all das genannte ist wie in einem Focus eingesammelt in dem kleinen Stückchen des eucharistischen Brotes, in dem Christus selbst sich uns darreicht.  

Das rein säkulare, rein diesseitige Glück bleibt hohl und leer, zuletzt vergeblich, wenn es sich nicht ausstreckt nach oben hin, gleichsam die „Käseglocke“ unserer Welt durchstößt auf Gott hin. Der Durst nach Glück ist in uns allen unendlich größer als alles, was diese Welt uns zu bieten vermag. „Gott allein genügt“, so hat es die hl. Theresa von Avila formuliert. Gott allein genügt, diesen Durst zu stillen. Alles andere ist zu wenig. Das von Menschen gemachte Brot der Erde, das die Ministranten zum Altar bringen und das in der Kraft der Einsetzungsworte Jesu zum Brot des Himmels wird, weist uns den Weg zum wahren und dauerhaften Glück: dieses liegt im Einssein von unten und oben, Erde und Himmel, Zeit und Ewigkeit, Mensch und Gott. Wir wollen dieses Geschenk der göttlichen Gnade feiern und in großer Ehrfurcht empfangen.

 Pfr. Bodo Windolf

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